piwik no script img

das portraitDas Oberste Gericht von Belarus verurteilt Wiktor Babaryka zu 14 Jahren Haft

Foto: Ramil Nasibulin/ap

Die Liste mit Kommentaren unter dem Youtube-Video von Wiktor Babarykas letztem Auftritt vor Gericht wird immer länger: „Wiktor, haben Sie noch Geduld. Bald werden Sie den Platz mit den Richtern tauschen“, heißt es da. Oder: „Wir sind mit Ihnen. Wir warten und hoffen, dass dieser idiotische Zirkus ein baldiges Ende hat.“

Diese aufmunternden Worte wird der 57-Jährige brauchen können: Am Dienstag hat ihn das Oberste Gericht in Belarus wegen Annahme von Schmiergeldern sowie der Legalisierung kriminell erworbener Gelder zu 14 Jahren Haft verurteilt. Dazu kommen eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 48.500 Euro und ein Verbot, in den kommenden fünf Jahren einen Führungsposten zu bekleiden. Auch eine Berufung ist ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft hatte 15 Jahre Freiheitsentzug gefordert.

Bis zum Schluss beteuerte der Angeklagte seine Unschuld – zuletzt am Tag der Urteilsverkündung. „Ich kann mich nicht eines Verbrechens schuldig bekennen, das ich nicht begangen habe“, sagte Babaryka. Das sieht Präsident Alexander Lukaschenko anders. Für ihn ist jeder nonkonformistische Geist ein Verbrecher – vor allem dann, wenn er oder sie ihn offen herausfordert.

So einer ist Babaryka. 1988 beendet er an der Belarussischen Staatlichen Universität ein Studium der Mechanik und Mathematik. Im vierten Studienjahr wird er wegen Fehlverhaltens aus dem kommunistischen Jugendverband Komsomol ausgeschlossen und kurzzeitig von der Universität verwiesen. 1995 folgt ein Abschluss an der Verwaltungsakademie der belarussischen Regierung, fünf Jahre später ein Magister an der Universität in Wirtschaftswissenschaften.

1995 steigt Barbaryka in den Bankensektor ein und wird im Juli 2020 leitender Manager der Belgazprombank – ein Tochterunternehmen der russischen Gazprombank. Aber Babaryka hat nicht nur Zahlen im Kopf. 2008 gründet er die internationale Stiftung „Chance“, die sich um die medizinische Versorgung von Kindern kümmert. 2018 beteiligt sich die Belgazprombank auf seine Initiative hin an der Finanzierung der Herausgabe einer fünfbändigen Ausgabe der belarussischen Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch. Ein Jahr zuvor trifft den zweifachen Vater ein schwerer Schicksalsschlag: Seine Frau Marina kommt während eines Urlaubs auf Madeira bei einem Tauchunfall ums Leben.

2020 quittiert Babaryka seinen Dienst bei der Belgazprombank, um bei der Präsidentenwahl am 9. August anzutreten. Am 18. Juni werden er und sein Sohn Eduard festgenommen. Babarykas Kandidatur wird nicht registriert, obwohl sein Wahlstab viermal mehr als die erforderliche Anzahl von 100.000 Unterschriften vorgelegt hat.

Am Dienstag dürfen erstmals auch Verwandte an der Gerichtsverhandlung teilnehmen. Sie applaudieren, nachdem Babaryka die letzten Worte wiederholt, die ihm seinen Kinder mit auf den Weg gegeben haben: „Vater, wir schämen uns nicht für dich!“ Barbara Oertel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen