Nachwahl in Großbritannien: Schlappe für die Tories
In „Chesham and Amersham“ erobern die LibDems einen Sitz im Unterhaus. Das Ergebnis für Labour bedeutet ein historisches Tief.
Die Labour-Partei von Keir Starmer, der die Partei nach ihren Absturz bei der Unterhauswahl 2019 wieder regierungstauglich machen will, brachte es gerade einmal auf 1,6 Prozent der Stimmen. Damit landete Labour sogar noch hinter den englischen Grünen (3,6 Prozent). Für Labour sei das das schlechteste Resultat bei einer Nachwahl überhaupt, sagte der britische Wahlexperte John Curtice. Die Nachwahl war notwendig geworden, weil die konservative Abgeordnete Cheryl Gillan einem Krebsleiden erlegen war.
Der Wahlsieg hat verschiedene Ursachen. Die Mehrheit der Wählerl*innen des Wahlkreises „Chesham and Amersham“, der am Ende des Londoner S-Bahnbereichs liegt, war und ist gegen den Brexit. Auch scheint das Konzept der Konservativen Partei unter Regierungschef Boris Johnson nicht aufgegangen zu sein. Die Tories hatten mit ihrer Politik des „Levelling-Up“ vor allen die „vergessenen“ Niedriglöhner*innen im postindustriellen und den Brexit befürwortenden Norden Englands ansprechen wollen, um so Labour Stimmen abzujagen. Im wohlhabenden Süden kommt das offenbar eher schlecht an.
Zudem hatte sich Sarah Green als Verteidigerin der Interessen der Region in Szene gesetzt und war damit teilweise sogar auf Konfrontationskurs zu ihrer eigenen Partei gegangen. Nach wie vor ist sie eine Gegnerin des umstrittenen HS2-Höchstgeschwindigkeitsbahnnnetzes, dessen Bau bereits begonnen hat. Zwei nahezu gradlinige 16 Kilometer lange parallele Tunnel verlaufen unter dem Gebiet des Wahlkreises. Auch eine geplante Reform von Bebauungsplänen fand vor Ort nur wenig Anklang. Die Reform sieht vor, dass bestimmte Zonen in diesem grünen Wahlkreis in Bauland umgewandelt werden sollen.
Mehrheit im Stadtparlament
Der Sieg der Liberaldemokraten hatte sich bereits im Mai abgezeichnet. Bei den Regionalwahlen im Amersham gewannen die LibDems die Mehrheit im Stadtparlament. Vergleichbare Erfolge verbuchten die Liberaldemokrat*innen im Mai auch in anderen regionalen Wahlkreisen im Süden Englands – etwa den Grafschaften Wiltshire und Oxfordshire sowie im Wahlkreis Tunbridge Wells in der Region Kent.
Der LibDem-Vorsitzende Ed Davey bezeichnete das Wahlergebnis als Schock und Beweis dafür, dass die blaue Mauer (blau ist die Farbe der Tories, Anm. d. Red.) fallen könne. Er war 16 Mal in den Wahlkreis gereist, um seine Kandidatin zu unterstützen. Demgegenüber behauptete der konservative Verlierer Peter Fleet, das Votum der Wähler*innen sei eine schallende Ohrfeige für Boris Johnson und dessen Partei.
Die nächste Runde im politischen Kampf lässt nicht lange warten. Am 1. Juli findet im nordenglischen „Batley and Spen“ in der Grafschaft Yorkshire eine weitere Nachwahl statt.
Das ist jener Wahlkreis, in dem vor fünf Jahren die Labourpolitikerin Jo Cox auf offener Straße von einem Rechtsradikalen ermordet worden war. Ihre Nachfolgerin, die ehemalige Schauspielerin Tracey Brabin, war im Mai nach ihrer Wahl zur Regionalbürgermeisterin von ihrem Amt zurückgetreten. Davon wollen die Konservativen, wie auch in anderen alten sogenannten Red Wall-Wahlkreisen im Norden, profitieren.
Doch das dürfte schwierig werden. Als Kandidatin für Labour tritt keine geringere als Kim Leadbeater, an – die Schwester von Jo Cox. Laut einer Umfrage von Number Cruncher Politics UK am 28 Mai liegt die Zustimmung für die Tories bei 44 Prozent. Für die LibDems können sich nur sieben Prozent der Befragten erwärmen.
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