Metoo bei deutschen Rappern: Bullshit!
Frauenhass geht seit Jahrhunderten als Kultur durch, dreht sich aber nur um Machterhalt. Das ist nicht okay, weder in der Oper noch „auf der Straße“.
A ls Teenager hörte ich viel Rap (wegen meiner Brüder) und viel Klassik (wegen meiner Schule). Meine russische Klavierlehrerin nahm mich regelmäßig mit in die Oper. Dort sah ich Frauenfiguren sterben: Aida, Carmen, Desdemona … Sie opferten sich oder wurden ermordet. Grund dafür war meistens, dass sie irgendwie falsch geliebt hatten. Ich erinnere mich an endlose Todesszenen, nicht selten begleitet von einem Männersolo, laut, emotional, triumphierend. Zu Hause auf meinen CDs hörte ich zum Beispiel:„bitches ain’t shit but hoes and tricks“.
Zwischen Konzertsaal und „Straße“ liegen Welten, die eines gemein haben: Frauenhass geht als Kultur durch. Aber nur weil etwas jahrhundertealt ist und von sogenannten Genies erdacht, ist es nicht automatisch okay. Und nur weil jemand „von unten“ kommt, kann er nicht machen und sagen, was er will. Zumal Frauen aus dem Rapgeschäft schon lange darauf hinweisen: Es hört nicht bei den Lyrics auf, es geht backstage weiter.
Der Rapper Snoop Dog, Autor der Zeilen „bitches ain’t shit but hoes and tricks / lick on these nuts and suck the dick“, sagte dem Sender Sky news vor einigen Jahren, dass er seine Meinung über Frauen (so ganz allgemein) inzwischen geändert habe. Er wisse jetzt, dass eine Frau eine beautiful person sein kann. Die alten Lyrics bereue er aber nicht. Man könne sich ja nicht für etwas schämen, über das man einfach nicht Bescheid gewusst habe. Dass Frauen Menschen sind, zum Beispiel?
Auch in Deutschland lassen Fans und Medien Rappern viel durchgehen. Als seien diese Männer nicht zurechnungsfähig, nur weil sie keine reichen Eltern hatten. Die Argumentation geht so: Hey, er hat doch letztens schon gelernt, dass Antisemitismus nicht klar geht (Applaus!), bestimmt sieht er irgendwann auch ein, dass Frauen mehr sind als bitches, die vor ihm zu knien haben.
Die größten Eier
Man ist geduldig (im Grunde seit Jahrhunderten), dabei sind diese Rapper oft auch schon Mitte dreißig und hatten fünf Alben lang Zeit, sich ein paar Fragen zu stellen. Ist es okay, Frauen wie Abfall zu behandeln? Geht auch ohne Studium. Am schlimmsten ist dieser Paternalismus-Klassiker, um misogyne Rapper in Schutz zu nehmen: „So ist das halt da, wo der herkommt“.
Bullshit. Frauenhass war noch nie Kultur, sondern immer Machterhalt. Aus Texten müssen natürlich keine Taten folgen, hoch lebe die Kunstfreiheit, Gewalt aber fängt bei Worten an, das gilt für Rassismus genauso wie für Misogynie.
Mut wird im Rapbusiness in Eiern berechnet. Die größten Eier hat derzeit die Rapperin Shirin David. Sie unterstützt Nika Irani, eine Frau, die dem Rapper Samra vorwirft, sie vergewaltigt zu haben. Shirin David setzt sich dabei Hass und Bedrohungen aus, genau wie, es ist ja leider selbstverständlich, Nika Irani selbst. Samra antwortete aggressiv in einem Video auf Instagram, wies alle Vorwürfe zurück und zeigte – unabhängig davon, ob er nun schuldig ist oder nicht –, dass er nichts begriffen hat („Kann sein, dass ich kein Gentleman zu dir war“).
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Der Rapper Nimo war daraufhin schlau genug, einen neuen Song mit der Zeile „Ich fick sie fast tot, sie liegt im Wachkoma / lalala vida loca“ zurückzuziehen. Massiv, ebenfalls Rapper, ließ wissen: „Leider müssen wir wegen der momentanen Situation viele Singles umändern und zensieren. Rap kommt von der Straße und hat diese ganzen Debatten echt satt.“
Sorry, ihr werdet nicht drumrum kommen. Zeit, dass wir Rapper nicht mehr wie die Jungs von der Straße behandeln, die sie mal waren – sondern wie die frauenfeindlichen Millionäre, die sie sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“