Wahlprogramm der Union: Geschlossen im Ungefähren
Laschet und Söder präsentieren ihr gemeinsames Wahlprogramm. Die Union strebt nach „Sicherheit im Wandel“, doch viele Fragen bleiben offen.
Laschet spricht vom „lieben Markus“, von Gemeinsamkeit und Entschlossenheit, Söder sagt „lieber Armin“ und betont, die „zehn spannenden Tage“ seien ausgeräumt und verarbeitet. Diese zehn Tage, die sind die Zeit, die der erbitterte Machtkampf der beiden Männer um die Kanzlerkandidatur der Union dauerte. Doch natürlich wissen beide: Streit schreckt die Wähler:innen ab.
Jetzt also, 98 Tage vor der Bundestagswahl, setzt die Union auf Geschlossenheit und hat auch ein Wahlprogramm. Es ist 140 Seiten stark, nennt sich „Programm für Stabilität und Erneuerung“ und beginnt mit einem Bekenntnis zu Frieden, Freiheit, Menschenrechten – und Europa.
Das Papier versucht zweierlei: Es betont die Notwendigkeit eines Neustarts nach der Coronapandemie, verspricht Klimaschutz, eine Modernisierung des Staats, Wirtschaftswachstum – ein „Modernisierungsjahrzehnt“ also, wie Laschet es gerne und häufig nennt.
Kassensturz nach der Bundestagswahl
Und gleichzeitig stellt es Stabilität heraus, die nur mit der Union gesichert sei. „Sicherheit im Wandel“ nennen CDU und CSU das. Viele Details aber lässt die Union dabei ebenso wie die Finanzierungsfrage lieber offen. Sie lehnt Steuererhöhungen ab und bekennt sich zur Schuldenbremse. Wo dann das Geld für Klimaschutz, Modernisierung und Generationengerechtigkeit herkommen soll? Die Lösung der Union: Die Wirtschaft soll durch ein „Entfesselungspaket“ wachsen und so mehr Steuern zahlen.
Es sei eben eine Grundsatzfrage, sagt Laschet, ob man an den Erfolg dieser Methode oder an den von Steuererhöhungen glaube. Und Söder betont: Nach der Bundestagswahl müsse Kassensturz gemacht werden, denn mit dem Vertrauen in SPD-Finanzminister Olaf Scholz stehe es nicht mehr zum Besten. Sollte nach der Wahl also etwas nicht finanzierbar sein, hat Söder einen Schuldigen bereits ausgemacht.
Söder kann die Seitenhiebe nicht lassen
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach im Gegenzug von „sozialer Kälte“. „Union wählen muss man sich leisten können“, kritisierte auch der Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler von den Grünen, dem derzeit wahrscheinlichsten Koalitionspartner. Große Zukunftsinvestitionen seien mit dem Programm nicht finanzierbar. Und laut Otto Fricke, Kindlers Kollege von der FDP, sind die Unions-Vorhaben verantwortungslos und widersprüchlich.
Trotz aller betonten Gemeinsamkeit wird die CSU auch noch einen eigenen „Bayernplan“ vorstellen. Als Laschet, nach der Höhe des Benzinpreises gefragt, sich nicht ganz festlegen will, wirft Söder ein: „Also er liegt bei 1,55 Euro bei Benzin und bei 1,25 Euro bei Diesel.“ Ganz lassen kann Söder es mit den Seitenhieben offensichtlich nicht. Dabei dürfte Geschlossenheit für den Erfolg der Union wichtiger sein als das Wahlprogramm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“