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Protest, im Doppel

Mit Willkür und Gewalt hält sich Präsident Lukaschenko in Belarus an der Macht. Die Protestbewegung ist heute weniger sichtbar, aber nicht weniger lebendig. Eine Ausstellung in Dresden rückt sie in den Fokus

Weiß und Rot: Für die belarussische Opposition symbolisieren diese Farben Freiheit, Unabhängigkeit und den Traum von einer besseren Zukunft. Für Präsident Alexander Lukaschenko und seine Handlanger sind sie zu einem Symbol für all das geworden, was es zu vernichten gilt. Nicht nur einmal hat Lukaschenko seine Kri­ti­ke­r*in­nen als Ratten bezeichnet. Und die gilt es in seinen Augen unschädlich zu machen Grafik: Laurynas Kamarauskas/Foto: Nadia Buzhan

Von Barbara Oertel

Ein Land erhebt sich: Knapp ein Jahr ist es her, dass die Be­la­rus­s*in­nen begannen, ihrem Unmut über die langjährige autoritäre Herrschaft ihres Staatschefs Alexander Lukaschenko Luft zu machen. Einen Höhepunkt erreichten die Massenproteste rund um die Präsidentenwahl am 9. August 2020, die Lukaschenko mit über 80 Prozent der Stimmen gewonnen haben will.

Eine weiß-rote Hose oder ein Bändchen reichen schon aus, um hinter Gitter zu kommen

Ein, wenn nicht das Symbol der Opposition in ihrem Kampf für Freiheit und Demokratie sind die Farben Weiß und Rot, in denen auch die Flagge der belarussischen Volksrepublik (1918–1919), des ersten unabhängigen belarussischen Staates, gehalten ist.

„Posor, Schande!“ steht in gelben Lettern auf schwarzem Grund. Mit solchen Rufen quittieren die Be­la­rus­s*in­nen das Vorgehen der Omon-Kräfte. Sie sind eine Spezialeinheit der belarussischen Miliz, die häufig bei Protesten eingesetzt wird und für ihre Brutalität bekannt ist. Das Foto zeigt einen Einsatz am 8. August 2020 in Minsk Grafik: Aleksey Kulinkovich/Foto: Irina Arekhovskaya

Das Regime geht mit beispielloser Härte gegen seine Kri­ti­ke­r*in­nen vor. Eine weiß-rote Hose oder gleichfarbige gebastelte Bändchen reichen schon aus, um vermeintliche „Feinde des Volkes“ hinter Gitter zu bringen. Dort sind Folter, Demütigung und Erniedrigung der Gefangenen an der Tagesordnung. Die Menschen zu brechen und das unter Einsatz aller Mittel, ist das Ziel.

Laut der belarussischen Menschenrechtsorganisation Vjasna (Frühling) gibt es in Belarus derzeit 454 politische Gefangene (Stand: 2. Juni 2021). Täglich werden es mehr. Der Vorwurf lautet stets auf Organisation von Massenunruhen. In der vergangenen Woche nahm sich ein 18-Jähriger, gegen den ermittelt wurde, aus Verzweiflung das Leben. Vor wenigen Tagen versuchte ein Gefangener, sich in einem Gerichtssaal die Kehle durchzuschneiden.

Er ist stahlhart und setzt auf Gewalt: Präsident Alexander Lukaschenko. Das war schon immer ein ­Markenzeichen des Mannes, der bereits ein Vierteljahrhundert in Belarus an der Macht ist. Auf dem Foto zu sehen ist eine Protestveranstaltung der Opposition am 25. August 2020. Zu dieser Zeit waren fast täglich Zehn­tausende auf den Straßen   Grafik: Aleksey Kulinkovich/Foto: Irina Arekhovskaya

Willkür und Brutalität sind ein Hauptgrund dafür, dass Lukaschenko immer noch an der Macht ist. Damit das so bleibt, geht er über Leichen und holt Flugzeuge vom Himmel, um eines Oppositionellen habhaft zu werden. So geschehen im Fall des Bloggers Roman Protassewitsch am 23. Mai.

Grün und blau wurden und werden die Gefangenen geprügelt, einige können sich bei ihrer Freilassung kaum noch allein bewegen. Dieser Mann saß in Grodno ein und zeigt am 5. März 2021 seine Verletzungen. Ein Hämatom davon ist auf der Grafik in Form eines Umrisses von Belarus zu sehen, darunter steht: „Es lebe Belarus“, ein Schlachtruf der Opposition   Grafik: Yuri Ledyan/Foto: Katsiaryna Hardzeyeva

Und die Bewegung? Sie ist weniger sichtbar als noch vor ein paar Monaten, darum aber nicht weniger lebendig. An die Stelle traditioneller Straßenproteste sind ganz neue Formen getreten, um dem eigenen politischen Standpunkt Ausdruck zu verleihen. Dabei ist ein Ausmaß an Kreativität und Experimentierfreude zu erkennen, das immer wieder Erstaunen hervorruft.

Plan A: ein blühendes, strahlendes Belarus, Plan B: ein Gefängnis: Ersteres versuchte das Regime in den 90er Jahren nach innen und außen zu verkaufen, Letzteres war schon damals bittere Realität. Das gilt heute mehr denn je. Das ganze Land ist ein einziger Knast. Das Foto zeigt die Freilassung von Inhaftierten am 6. Januar 2021 in Minsk Grafik: Andrey Dureika/Foto: Nadia Buzhan

Auch die hier gezeigten Grafiken und Fotografien zeugen davon. Sie sind Teil von 48 Exponaten, die im Rahmen einer Ausstellung unter dem Titel „Belarus.Protest.Kultur. Peremen – visuelle Protestkultur in Belarus“ ab dem 11. Juni in Dresden zu sehen sind. Die Fotos, die vorwiegend zwischen August und Oktober 2020 aufgenommen wurden, sind Arbeiten von fünf Fotograf*innen. Die Grafiken stammen von der Plattform cultprotest.me, wo zahlreiche Künst­le­r*in­nen ihre Werke präsentieren.

Veranstalter ist der Dresdner Verein Kultur Aktiv, der sich vor allem mit Kunst und Kultur in den Ländern des postsowjetischen Raums beschäftigt. Geschäftsführer Simon Wolf, der die Ausstellung auch kuratiert hat, möchte damit Belarus wieder in den Blick holen und mit Interessierten ins Gespräch kommen. Die Chancen dafür stehen gut.

Galerie nEUROPA, Dresden-Neustadt, Bautzner Str. 49. Die Ausstellung, die noch bis zum 1. Juli 2021 zu sehen ist, kann auch digital unter www.kulturaktiv.org abgerufen werden.

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