piwik no script img

Wohnen im Alter„Hier bin ich nun mal verwurzelt“

Karla Feles hat eine große Wohnung in Hamburg für sich allein. Umziehen würde sie nach 40 Jahren nur, wenn es eine gute Alternative gibt.

Einsam ist sie allein in der Wohnung nicht: Karla Feles Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Die Alten raus aus ihrer Wohnung, damit die jungen Familien mehr Platz bekommen? Ist das eine Lösung? Sicherlich brauchen viele Ältere nach dem Auszug der Kinder nicht mehr ganz so viel Platz. Die Idee des Wohnungstausches klingt also naheliegend. Doch viele, die etwas mehr Platz haben, wollen gar nicht ohne Weiteres raus – und die Gründe sind vielfältig. Gegen einen Umzug spricht in vielen Fällen eine ganze Menge. Es ist eine komplexe Frage, bei der die Argumente dafür und dagegen ernst genommen werden müssen.

Karla Feles war früher Lehrerin, später begann sie als Liedermacherin „Feli“ Musik zu machen. Ihre Wohnung, die sie damals mit ihrem Mann und den drei Kindern teilte, bewohnt sie mittlerweile allein. Dort schreibt sie ihre Musik und ihre Texte, dort malt sie auch. Sie hat sich Gedanken darüber gemacht, ob sie sie gegen eine kleinere Wohnung eintauschen würde. Ein Protokoll:

„Wir helfen uns hier gegenseitig“

„Seit 40 Jahren wohne ich in dieser Wohnung. Und nun noch in einen anderen Stadtteil umziehen? Na ja. Also, ungern würde ich das wohl gar nicht tun wollen, das ist das falsche Wort. Ich bin ja offen für Neues. Aber hier bin ich nun mal im Laufe der vielen Jahre verwurzelt. Ich habe hier im Haus eine wundervolle Nachbarschaft – ich bin genau richtig hier.

Das sind ja alles gewachsene Beziehungen. Wir helfen uns hier gegenseitig. Jetzt in der Coronazeit versammeln wir uns an den Wohnungstüren zum Treppenhaus und ich spiele ein Konzert. Ich kann mir nichts ausdenken, deswegen ich hier ausziehen würde.

Wobei ich kürzlich im Bus hier in der Nähe an einem Eilbekkanal entlanggefahren bin, da sah ich ein paar Hausboote und dachte mir: Das könnte ich mir vielleicht vorstellen. Was mir auch schon mehrmals durch den Kopf ging, ist ein Mehr-Generationen-Wohnprojekt.

Mein Sohn fragte mich sogar letztens, ob ich mir vorstellen könnte, mit ihm in ein großes Haus ins Wendland zu ziehen. Das kann ich mir schon vorstellen, muss ich sagen. Aber unterm Strich: Noch mal im Leben umzuziehen, wäre für mich keine Option – außer es gäbe eine so schöne Alternative.

Der Ort, um Musik zu machen: Karla Feles' Wohnzimmer Foto: Miguel Ferraz

Ich werde jetzt 74 Jahre. Aber altersgerechtes Wohnen? Ich weiß gar nicht, was altersgerechtes Wohnen für mich bedeuten würde. Klar, wenn ich nach dem Einkauf die Treppen hoch muss, schnaufe ich schon mal tief. Aber das alles hält mich doch auch fit. Ich will gar nicht, dass mir das alles abgenommen wird.

Der Mietvertrag ist zwar immer noch der von damals, aber die Miete macht heute mehr als die Hälfte meiner Pension aus. Selbst wenn ich umziehen würde, würde ich doch vielleicht sogar mehr als bisher zahlen. Deshalb ist das für mich auch illusorisch. Das ist doch in allen Großstädten so.

Karla Feles

73, zog es vor 50 Jahren aus Süddeutschland nach Hamburg. Hier arbeitete sie ihr Berufsleben lang als Grundschullehrerin. Seit ihrer Pensionierung gibt sie mit Gitarre, Akkordeon und eigenen Liedern Konzerte.

Freunde von mir aus München, auch Musiker, sind jetzt nach Mannheim weggezogen, weil sie die Miete nicht mehr aufbringen konnten. Würde ich hier doch nochmal ausziehen, müsste ich wohl für deutlich weniger Platz deutlich mehr zahlen. Eine Nachbarin hat eine kleinere Wohnung und zahlt 300 Euro mehr als ich. Das könnte ich mir dann nicht mehr leisten.

Wir haben hier zu fünft gewohnt – mein Lebensgefährte und drei Kinder. Ich habe heute noch viel Besuch. Es ist auch gut, noch mal ein kleines Zimmer mit einem Bett für Gäste zu haben. Aber sonst steht hier ja auch alles voll. Ich sammle halt gern. Mir ist das einfach nicht zu groß.

„Wo soll ich die Bilder noch hinstellen?“

Mit einem der vorderen Zimmer habe ich noch Pläne: Das große Zimmer soll das Musikzimmer werden, dafür brauche ich noch ein neues Klavier. Das heißt: Ich nutze den Platz ja auch. Ich male und ich weiß schon nicht mehr, wo ich die ganzen Bilder hinstellen soll. Manche lagern gerade schon anderswo. Und die Kinder haben ja auch noch viele Sachen hier, kommen häufig zu Besuch und schlafen dann hier.

Hier noch jemanden einziehen zu lassen, das weiß ich nicht genau. Es müsste schon jemand sein, den ich sehr gern mag. Dass ich in dieser Situation bin, dafür bin ich sehr dankbar. Ich weiß noch, wie beengt ich in meiner Kindheit aufgewachsen bin. Ich weiß, dass es ein großer Luxus ist, viel Platz zu haben. Das ist mir natürlich nicht immer bewusst, das weiß ich wohl.

Zugleich: Ich habe so viele Wohnsituationen durchgemacht, habe früher auch in WGs gewohnt, ich denke schon: Ich habe mir das auch verdient. Ich war 40 Jahre im Schuldienst und auch da habe ich vor meiner Pensionierung gesagt: Ich habe hier meinen Beitrag geleistet, das habe ich mir nun verdient. Ich bin ja keine Millionärin und die Frage mit dem Luxus ist natürlich eine Frage der Perspektive. Natürlich genieße ich es auch sehr, den Platz zu haben. Es sind etwas mehr als 100 Quadratmeter.

Ich hatte ja auch nie das Gefühl – selbst zu Coronazeiten nicht – dass ich hier einsam bin in dieser großen Wohnung. Mir ist das auch nie zu still hier. Ich mache das Radio an, höre Musik oder spiele selbst etwas auf der Gitarre. Und hier hängen ja auch viele Erinnerungen dran. In der Küche, am Türrahmen, sind noch die Striche, wie groß die Kinder waren. Es sind auch Erinnerungen an Momente, die es in dieser Wohnung mit den Kindern und meinem Mann gab.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • letztens sagte meine beste Freundin:



    Weisst du, je gebrechlicher ich werde, desto mehr Platz brauche ich.

    Sie kann nichts mehr aus hohen Schränken holen und von unten rauf ist auch schlecht.



    M u s s a l s o a l le s a u f e i n e r E b e n e g r i f f b e r e i t s t e h e n .

    Und wenn du mit Krücken läufst oder mit dem Stuhl rückwärts durch die Wohnung fahren musst, brauchst du auch mehr Platz als früher.