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Denkmäler in Friedrichshain-KreuzbergJury von unten

Das Projekt „Denkmalverdacht – Eine kollaborative Inventur“ im Friedrichshain-Kreuzberg Museum nähert sich mit Rundgängen den Denkmälern im Bezirk an.

Kommen auf Kieztouren und im FHXB zum Einsatz: die Sammelkarten zu dem Projekt „Denkmal­verdacht“ Foto: Joachim Baur

In Stein gemeißelt, aus Bronze gegossen – materialimmanent gesprochen zielen die klassischen Stoffe, aus denen Denkmäler gemacht sind, auf Permanenz. Dabei geht es nicht nur um Witterungsbeständigkeit, sondern auch um das Überdauern historischer Zusammenhänge und Erzählungen der Geschichte in spätere Gegenwarten. Der Plural ist hier entscheidend, denn gleichzeitig werden Denkmäler auch wieder entfernt, ihre Inschriften ganz oder teilweise verändert und vor allem ihre Botschaft in Frage gestellt. Erinnerungsobjekte in Form von Skulpturen verändern weniger ihre permanente Erscheinung als das, wofür sie stehen.

Das Projekt „Denkmalverdacht – Eine kollaborative Inventur“ beginnt nun eine Bestandsaufnahme über Denkmäler mit politisch-historischen Bezügen in Friedrichshain-Kreuzberg, die dort bis heute präsent sind. Auf Touren betrachten Gruppen gemeinsam je 6 von 60 Denkmälern mit Hilfe eines Sets aus Sammelkarten. Der Fokus des Projekts liegt dabei auf dreidimensionalen Erinnerungsobjekten wie Skulpturen und Monumenten.

Das Projekt ist eine Kooperation von Die Exponauten, dem FHXB Museum, der Fri-X BERG Jugendkunstschule Friedrichshain-Kreuzberg und Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und beinhaltet neben den Touren auch eine Ausstellung, Gesprächsrunden und Workshops in der Fri-X BERG.

Neue Formen des Gedenkens

Die Sammelkarten zeigen je ein Denkmal, fotografiert von Ute Langkafel, und geben Informationen zu Entstehungszusammenhang und Entwicklungen. Auch jüngere Beispiele sind dabei, wie z. B. die von verschiedenen Künst­le­r:in­nen gestaltete „Menschenlandschaft“ von 1987, die vom Schlesischen Tor zum May-Ayim-Ufer führt und die Migrationsgeschichte Kreuzbergs würdigt.

Der Ansatz lässt die Teilnehmenden zu einer Art Jury von unten werden, die Erinnerungskultur an sich diskutiert. Wer wird wann zu welchem Zweck geehrt? Braucht Gedenken eine Übersetzung in Objekte? Welchen Personen oder Phänomenen würden wir vielleicht selbst gerne gedenken und in welcher Form?

Manchmal muss man Statuen auch vom Sockel stoßen und ins Wasser schmeißen, wie dies letzten Juni in Bristol mit der Statue des Sklavenhändlers Edward Colston geschah, an dessen Stelle kurzzeitig eine Skulptur der BLM-Aktivistin Jen Reid auftauchte. Der Jahrestag der Aktion war Anlass für eine Veranstaltung im FHXB Museum zum Auftakt von „Denkmalverdacht“. U. a. diskutierten Michael Jenkins, Filmemacher und Aktivist aus Bristol, und der Politikwissenschaftler und Menschenrechtsaktivist Joshua Kwesi Aikins über koloniale Kontinuitäten und antirassistischen Aktionen im öffentlichen Raum.

Im Herbst finden nun weitere Touren statt. Am Samstag, den 11. September, bietet die Kunst- und Kulturvermittlerin Anja Winter von Tastkunst eine Tour für blinde und sehbehinderte Menschen an. Der Rundgang beginnt am Ostbahnhof in Friedrichshain mit der Statue von Rosa Luxemburg; entlang der East Side Gallery geht es weiter nach Kreuzberg zum Gedenkstein eines Mauertoten und weiter zur „Menschenlandschaft“.

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