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Rodung des Regenwalds in BrasilienSchutzgeld für Bolsonaro

Gastkommentar von Tim Vollert

Innerhalb eines Jahres hat sich die Rodungsfläche im Regenwald um 85 Prozent vergrößert. Der brasilianische Präsident gilt dabei als größter Abholzer.

Präsident der Farmer, nicht des Umweltschutzes: Bolsonaro am 15. Mai bei einer Demonstration Foto: Ueslei Marcelino/reuters

D er brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat vor dem internationalen Klimagipfel ein mögliches Ende der illegalen Abholzung für 2030 angekündigt. Grund dafür sind die Beziehungen zu den USA. Weil die von Joe Biden organisierte Veranstaltung ihm jedoch wenig Unterstützung brachte, kürzte Bolsonaro nur einen Tag danach das Budget für den Umweltschutz um ein Viertel. Eigentlich hatte er angekündigt, es zu verdoppeln. Die USA wollen den Umweltschutz unterstützen, bezahlen aber erst nach Ergebnissen.

taz am wochenende

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Bolsonaros bisherige Klimapolitik rechtfertigt auch nicht gerade einen Vertrauensvorschuss. Für einen Deal hat er jedoch klare Vorstellungen: Für 1 Milliarde Euro, bezahlt von anderen Ländern, will die Regierung die illegale Abholzung in nur einem Jahr um 40 Prozent reduzieren. Man brauche dafür aber finanzielle Unterstützung.

Von 2019 auf 2020 hat sich die Fläche der Rodungen um 85 Prozent vergrößert. Die Polizei wurde bei der Bekämpfung der Abholzung durch Umweltminister Salles behindert. Der Amazonas-Fonds wurde eingestellt. Vielleicht, weil Bolsonaro über dessen 1,3 Milliarden Euro keine Kontrolle gehabt hätte.

Wer Bolsonaros aktuelles Angebot annimmt, unterstützt nicht die Hüter des Waldes, sondern drückt Schutzgeld an den größten Holzfäller der Welt ab. Auf einen Deal mit der internationalen Gemeinschaft angewiesen ist Bolsonaro aber nicht.Regenwaldrodung ist ein Milliardengeschäft.

Tim Vollert

ist 20 Jahre alt und kommt aus dem Kreis Höxter. Er ist Fridays-for-Future-Sprecher, sitzt im Bundesausschuss der Jusos und studiert zurzeit Astrophysik.

EU zweitgrößter Profiteur der Abholzung

Von dem Erlös mit dem Tropenholz werden große Plantagen und Rinderfarmen, Staudämme oder Rohstoffabbau finanziert. Laut einer Studie des WWF ist die EU zweitgrößter Profiteur der Abholzung. Sechzehn Prozent des Tropenholzes gehen an die Union, das meiste davon an Deutschland.

Das Mecorsur-Abkommen der EU wird wohl am Regenwald scheitern. Sanktionen für Bolsonaro sind nicht geplant. Die deutschen Parteien, auch die Grünen, fordern keine Konsequenzen. Somit kann er sich zumindest eines Handelspartners sicher sein, egal wie wichtig dessen nächster Regierung der Klimaschutz sein wird.

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7 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wieso lässt man diesen Umweltverbrecher und Mörder weiter gewähren? Man will sogar ein Handelsabkommen mit diesem Typ schließen.

    Die alte Geschichte - erst kommt das Fressen und dann die Moral.

  • Furchtbar. Wahnsinn. Sanktionen gegen den Präsidenten sofort!

  • @FLY

    Doch, @FLY, da sind wir alle drin. Und das ist unserer aller Angelegenheit.

    Angefangen bei dem Vosrprung den "der Westen" durch brutale Kolonisierung und Versklavung erlangt hat bis hin zum Ausbeutungsverhältnis, das immer noch besteht.

    Aucken Sie doch diesem Unwürdigen Schauspiel zu, wie die deutsche Wirtschaft laut quiekt beim Lieferkettengesetz und von ihrem Erzengel Altmaier beschützt wird, auf Kosten der Leben anderer Menschen "da unten". Wenn Ihnen da nicht schlecht wird, dann sind Sie nicht ein Mensch, mit dem ich näher Bekanntschaft schliessen will.

    Jetzt sagt Bolsonaro den Brasilianer*innen "Brasil primeiro" (natürlich meint er, genau wie Trump nicht Brasilien, sondern sich selbst). Wen sollen sie wählen?

    Moralische Einschätzungen wie "Erpressung" stehen Ihnen gar nicht zu.

    Dass wir mit weniger Ressourcenverbrauch auskommen müssen: darin sind wir uns absolut einig.

  • Schutzgeld ist ein guter Ausdruck. So funktionieren die Milizen in Rio, Bolsonaros Heimat.



    Aber.... was ist uns der Amazonas wirklich wert? Nur ein paar Milliarden? Wenn wir den Brasilianern eine Trillion anbieten werden sie unser wahres Interesse verstehen.

  • Schwierige Lage, in die wir uns hineinmanövriert haben.

    Einerseits ist die Vorstellung schwer zu ertragen, Brasilien [1] massive Hilfen für die ökologische Transformation zukommen zu lassen, mit dem Wissen, dass das Bolsonaro und seiner korrupten Clique zur Verfügung steht.

    Andererseits ist das für Brasilien kaum zu stemmen, das Geld sitzt wo anders. Ohne Raubbau kein Wohlstand, und da haben die westlichen Länder den wesentlichen Anteil daran. Ohne (etwas mehr) globale Gerechtigkeit können wir die ökologische Transformation in der Pfeife rauchen.

    Auf der dritten Seite: Bolsonaro führt gerade den Brasilianer*Innen vor, dass er hart verhandelt und was "für Brasilien" holt. Wenn schon auf Extraktivismus verzichtet werden soll, dann soll das auch jemand bezahlen. Wen sollen sie denn dann wählen, wenn nicht ihn?

    [1] Stellvertretend. Das Traumpaar Indien/Modi und seine Clique ist ähnlich konstruiert.

    • @tomás zerolo:

      Nein. Es ist nichts, in das WIR uns hineinmanövriert haben.

      Das ist eine Angelegenheit Brasiliens. Und die Geldforderung ist schlicht das, als was sie im Kommentar bezeichnet wurde: Schutzgelderpressung.

      Wenn einer mit der Forderung durchkommt, wird es laufend erhöht und überall nachgemacht (Kongo, Indonesien etc). Das ist kein valides Geschäftsmodell für uns.

      Wir müssen halt ohne die Ressourcen, die durch fortschreitende Rodung erwirtschaftet werden auskommen. Wobei das auch wieder nur ein Tröpfchen ist, denn dann geht das an Staaten, die weniger skrupellos sind.

      Wenn es nur um die Indigen am Amazonas gehen würde, würde es anders aussehen. Aber da muss man auch vorsichtig sein, weil jede Einmischung als Imperialismus angesehen werden kann.

  • 9G
    97627 (Profil gelöscht)

    "Das Mecorsur-Abkommen der EU wird wohl am Regenwald scheitern. Sanktionen für Bolsonaro sind nicht geplant. Die deutschen Parteien, auch die Grünen, fordern keine Konsequenzen. "

    Richtig, da sind die Grünen genauso "konsequent" wie beim Waffenhandel und Menschenrechten, weshalb diese für mich weiterhin nicht wählbar sind.