: Fragen bleiben offen
Ein junger Geflüchteter aus dem Irak kollabiert in Polizeigewahrsam und stirbt später. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Ermittlungen gegen die Polizeibeamten eingestellt. Hinterbliebene sind entsetzt
Von Michael Trammer
Qosay Khalaf kollabierte am 5. März in Delmenhorst in Polizeigewahrsam und starb später im Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Ermittlungen gegen eingesetzte Polizeibeamte eingestellt, wie sie am Montag mitteilte. Die Todesursache des 19-jährigen Geflüchteten sei auch mit dem Abgleich sämtlicher Untersuchungsergebnisse unklar. Ermittlungen gegen eingesetzte Rettungskräfte sollen ebenfalls bald zu einem Ergebnis kommen. „Dass unsere Mandant*innen nun aus einer Pressemitteilung erfahren, dass das Verfahren eingestellt wurde, ist in jeder Hinsicht eine herbe Enttäuschung“, sagt die Anwältin der Hinterbliebenen, Lea Voigt.
Für Barsan Mehdi, den Cousin des Verstorbenen, ist die Situation nun noch bedrückender geworden, sagt er der taz. Gerade sei er nicht in der Lage, sich zu äußern. „Die Angehörigen haben bislang kein umfassendes rechtliches Gehör gefunden“, so Voigt weiter. Die letzten Untersuchungsergebnisse lägen ihr nicht vor. Bis jetzt sei keine vollständige Akteneinsicht gewährt worden. Die ausdrücklich angekündigte Stellungnahme der nebenklageberechtigten Hinterbliebenen zu den bisherigen Erkenntnissen habe die Staatsanwaltschaft nicht abgewartet.
Neu ist an der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft, dass nun die Untersuchung des Mageninhalts abgeschlossen ist. Dort seien chemische Superabsorber – die zum Beispiel zur Herstellung von Windeln genutzt werden – gefunden worden, die eine Schädigung des Darm begründen würden. Die Herkunft dieser und deren Rolle beim Tod des 19-Jährigen sei nicht geklärt. „Darüber stellen die Strafverfolgungsbehörden bisher nur wilde Spekulationen an und wollen es dabei belassen“, sagt Anwältin Voigt.
Laut Staatsanwaltschaft Oldenburg hätte die Befragung „sämtlicher vor Ort gewesenen Personen“ ergeben, dass eine Untersuchung von Khalaf durch eingesetzte Rettungskräfte noch am Ort der Festnahme stattgefunden habe. Bisher hatte die Staatsanwaltschaft vehement und wiederholt behauptet, Khalaf habe eine Behandlung abgelehnt. Nun heißt es plötzlich: Puls und Atmung seien angeblich gemessen und als unauffällig befunden worden. Die Ergebnisse seien protokolliert worden. Sauerstoffsättigung und Blutdruck fehlten aber in den Akten, so Anwältin Voigt. Khalaf sei eigenständig und ohne Auffälligkeiten zum Einsatzfahrzeug der Polizei gegangen, heißt es weiter von der Staatsanwaltschaft.
Den Darstellungen widerspricht die Aussage des Augenzeugen Hamudi*, der zu Beginn der Polizeikontrolle mit Khalaf Marihuana geraucht hatte und später zum Festnahmeort geführt wurde. Hamudi sagt, Polizisten hätten auf seinem Freund gekniet und ihn nach der Ingewahrsamnahme zum Auto geschleift. Khalaf habe um Wasser gebettelt. Sein Zustand sei äußerst schlecht gewesen.
Die Anwält*innen wollen mit allen möglichen Rechtsmitteln gegen die Einstellung vorgehen. „Aus meiner Sicht ergeben sich Anhaltspunkte für strafbares Verhalten der Polizei“, sagt Voigt der taz. Trotz des Einsatzes einer erheblichen Menge Pfeffersprays sei danach keine Hilfe geleistet worden. „Man hat mit angesehen, dass der Festgenommene unter der Wirkung des Pfeffersprays litt und ihm wurde nicht geholfen.“
Ein von Hinterbliebenen und Freund*innen initiiertes Bündnis „In Erinnerung an Qosay“ will weiter für Aufklärung eintreten, sagt Gundula Oerter, Pressesprecherin der Gruppe. Sie sagt, sie sei nicht überrascht: „Welchen Fall kennen wir, wo die Staatsanwaltschaft nach einer polizeilichen Tötung nicht das Verfahren eingestellt hat?“
* Name geändert
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