piwik no script img

Späte Rechnung fürs Vetterle

BADEN-WÜRTTEMBERG Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Exministerpräsident Stefan Mappus (CDU). Der soll beim Kauf des Konzerns EnBW Millionen verschwendet haben

E-Mail für Mappus

■ Der Investmentbanker Dirk Notheis hat den damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) beim Rückkauf des Energiekonzerns EnBW offenbar bis ins letzte Detail beraten. Das geht aus E-Mails hervor, die der Banker an Mappus geschrieben hat und die im Juni bekannt geworden waren.

■ Am 22. November 2010 schickte Notheis an Mappus einen kompletten Redetext für die noch undatierte Pressekonferenz zum EnBW-Rückkauf. Aufgelistet ist auch, wann Mappus wen in Kenntnis setzen muss, z. B. seinen Amtsvorgänger Erwin Teufel („Kurz vor Bekanntgabe“), die FDP („Die muessen an Bord sein“), die Wissenschaft („Kurz vor Bekanntgabe. Du solltest idealerweise einen renommierten Volkswirt aus BW haben, der das ganze gut findet“), die „Vorstandsvorsitzenden der X AG“ („Ganz kurz vor Bekanntgabe oder auch erst danach, ganz wie du willst“) und „Angela M.“ („Kurz davor. Sie ueber Deal und Intention informieren und um positive Begleitung bitten“). Es folgt „das Timing/Ablauf am D-Day“ inklusive passender Antworten auf erwartbare Journalistenfragen. Zum Punkt „Rueckverstaatlichung ist doch Sozialismus? Wie unterscheiden Sie sich eigentlich noch von Sigmar Gabriel?“ solle er antworten: „Ich bin erhebliche Kilo leichter :-) ! Scherz beiseite: Dies ist keine Verstaatlichung.“ Zur Frage „Welche Berater haben Sie benutzt?“ rät Notheis: „Wuerde ich nicht beantworten.“

■ Am 26. November 2011 mailt Notheis Mappus Vorgaben für ein Gespräch mit einem ungenannten Dritten. Am Ende heißt es: „Du solltest ihn separat anrufen und darum bitten, dass er das Meeting mit Sarko organisiert. Oder du fragst Mutti, ob Sie Dir das arrangieren kann.“

■ Am 4. Dezember 2010 schrieb Notheis an Mappus: „Noch eine Bitte und es ist wirklich wichtig, dass du das auch so exekutierst: Du wirst Anrufe von zahlreichen Banken bekommen (...) bist ploetzlich deren bester Freund. Sie werden dich draengen ein Mandat zu geben (...). Du musst das alles ablehnen (!!) (...) Bitte achte darauf, dass du das o. A. durchziehst. Das verursacht sonst andernfalls erheblich Sand im Getriebe und das kann ich jetzt nicht gebrauchen.“

■ Am 6. Dezember 2010 gab Mappus den EnBW-Deal bekannt.

VON INGO ARZT

BERLIN taz | Die Polizei rückte am Mittwochmorgen in Pforzheim und Stuttgart an, durchsuchte Haus und Büros des ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Stefan Mappus (CDU): Wegen eines der dubiosesten Deals zwischen Wirtschaft und Politik der letzten Jahre droht den Beteiligten jetzt sogar eine Gefängnisstrafe.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen des Verdachts auf Untreue. Es geht um die Frage, ob Mappus wissentlich Steuergelder verschwendet hat, als er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Dezember 2010 unter völliger Geheimhaltung und ohne Wissen des Landtags dem französischen Energieversorger EDF dessen Anteile an dem Stromkonzern EnBW abkaufte – lediglich drei Monate vor der Landtagswahl, die er dann überraschend gegen Grün-Rot verlor.

Der Erwerb der Aktien sei nicht ordnungsgemäß vorbereitet gewesen, schreiben die Staatsanwälte jetzt trocken. Sie beziehen sich auf einen Bericht des Rechnungshofs des Landes. Der liest sich wie ein kompletter Verriss. Der Verkauf sei verfassungswidrig gewesen, urteilte bereits der Staatsgerichtshof des Landes, weil Mappus einen Paragrafen zur Notbewilligung von Geldern bei unabweisbaren Bedürfnissen für das Land aus der Tasche zog, um den Kauf ohne Zustimmung des Landtags finanzieren zu können.

Der entscheidende Punkt aber dürfte sein: Mappus hat wahrscheinlich schlicht zu viel gezahlt. Er akzeptierte laut Staatsanwaltschaft zum Beispiel ohne weitere Verhandlungen eine Erhöhung des Preises pro Aktie von 40 auf 41,50 Euro. Insgesamt berappte das Land somit 4,7 Milliarden Euro.

Das waren mindestens 840 Millionen Euro mehr als der damalige Marktwert. Zu diesem Ergebnis kommt ein am Mittwoch vorgestelltes Gutachten der grün-roten Landesregierung, das im aktuellen Ermittlungsverfahren allerdings derzeit keine Rolle spielt. Das Land fordert vielmehr Geld von der französischen EDF zurück.

Den zweiten Ermittlungspunkt umfasst das, was der Volksmund im Südwesten als Vetterleswirtschaft bezeichnet: Mappus beauftragte die Investmentbank Morgan Stanley damit, die Vertragsverhandlungen mit EDF zu führen. Gegen den in der Zwischenzeit wegen der Affäre beurlaubten Deutschlandchef der Bank, Dirk Notheis, wird ebenfalls wegen Beihilfe zur Untreue ermittelt.

Notheis und Mappus sind Duzfreunde seit ihrer gemeinsamen Zeit bei der Jungen Union. Mappus erteilte den Auftrag, ohne vorher über das Honorar gesprochen zu haben, und akzeptierte ein paar Tage später ohne weitere Verhandlungen die Entlohnung – 0,275 Prozent der Kaufsumme.

Das Honorar der Bank stieg also mit dem Preis, den das Land zahlen musste. Interessenkonflikte mochte Mappus darin nicht erkennen. Auch nicht darin, dass der Chef von Morgan Stanley in Frankreich, René Proglio, der Zwillingsbruder des EDF-Chefs, Henri Proglio, ist.

Derartige Details sind dem Bericht des Rechnungshofs Baden-Württemberg sowie den Protokollen eines Untersuchungsausschusses im Landtag zu entnehmen. Der versucht, Licht ins Dunkel der Affäre zu bringen. Auch die CDU ist dort vertreten. Deren Fraktionschef Peter Hauk beteuerte gestern, man bringe ein „höchstmögliches Maß an Transparenz“ mit ein. Ein Mitglied des CDU-Landesvorstands wurde da schon deutlicher: „In der Partei herrscht blankes Entsetzen, was da jetzt ans Licht kommt“, sagte er der taz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen