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Die WahrheitVerkackter wird’s nicht mehr

Der neue baden-württembergische Hundeführerschein schafft Klarheit: Nachbars Lumpi ist gefährlicher als jeder Bullterrier.

Hund und Führer: Zwischen den beiden ist die Befehlskette klar geregelt, jedenfalls meistens Foto: dpa

Damit ist die Katze aus dem Sack: Der sogenannte „Hundeführerschein“ steht im neuen baden-württembergischen Koalitionsvertrag zwischen den Kretschmann-Grünen und dem Juniorpartner CDU. Wer einen Hund besitzt, wird in Zukunft dazu verpflichtet sein, einen Sachkundeausweis mit sich zu führen. Die von den Grünen geführte Südwestregierung will fortan nicht mehr nur die Zahl von Unfalltoten und Schadstoffgeschädigten, sondern auch die der totgebissenen Kinder im Ländle senken. Kann das gelingen? Antworten erhoffen wir uns von der Hundetrainerin Birgit Humpen.

Wir treffen die 33-Jährige auf einer Wiese bei Sindelfingen. Justament schimpft sie mit einem jungen Rehpinscher, der sich an ihrem Arm festgebissen hat. Erst als sie ein kleines Quietscheschweinchen wirft, lässt er von ihr ab und saust hintendrein.

„Die wichtigschte Neuerung für Tierfans“, erklärt Humpen in äußerst angestrengtem Hochdeutsch, während sie ihren Ellenbogen mit einer Mullbinde verarztet, „ist wohl diese: Herrchen und Frauchen werden mit der Einführung des Hundeführerscheins nicht mehr Hundehalter oder Hundehalterinnen genannt, sondern Hundeführer. Sonst schrieben etwa die Stuttgarter Nachrichten ja nicht von einem ‚Hundeführerschein‘, sondern von einem ‚Hundehalterschein‘.“

Doch so einfach ist es nicht. „Die meisten Tierbesitzer dürften diese Umetikettierung gar nicht bemerken“, knurrt die Trainerin, denn „Hundeführer sind in der Regel nicht interessiert an Zeitungen, Nachrichten und Weltgeschehen. Sie interessieren sich eigentlich nur für sich selbst, der Hund soll von allem anderen ablenken.“

Nachfahren des Wolfes

Im Großen und Ganzen begrüßt Birgit Humpen das Gesetzesvorhaben. Mussten bislang nur Führer von Kampfhunden nachweisen, dass sie ihr Tier im Notfall eigenhändig zu erwürgen im Stande sind, so kommt nun auf alle, die sich den Nachfahren des Wolfes ins Haus holen wollen, ein theoretischer und ein praktischer Test zu.

Der Großteil der Beißattacken geht nämlich nicht auf die einschlägigen Killerköter zurück, sondern auf die vermeintlich harmlosen Familienhunderassen aus der Nachbarschaft und im eigenen Haushalt. „Rein statistisch ist Nachbars Lumpi gefährlicher als der Bullterrier vom dauerbekifften Kneipenjörg“, resümiert Humpen, packt beherzt ein Häufchen in eine Plastiktüte und schleudert abermals das Quietscheschweinchen von sich, ehe der Rehpinscher wieder aggressiv werden kann.

Wie gut also, dass im Südwesten bald Profis ein Auge auf den besten Freund des Menschen werfen, bevor selbiger zum Fressfeind wird! Über den Sachkundenachweis hinaus wird im Ländle künftig auch eine Kennzeichnungs-, Registrierungs- und Versicherungs- sowie Anschnallpflicht als auch die Promillegrenze für Hunde gelten. Daran verdienen nicht zuletzt Hundeschulen. „Eine anderthalbjährige Schulpflicht für Welpen fänd ich rein geschäftlich auch net schlecht“, frohlockt Trainerin Humpen.

Im knickrigen Baden-Württemberg dürften vor allem die Kosten für Unmut sorgen. Laut dem Sender SWR rechnet man mit etwa 200 Euro für die Hundeschule plus Gebühren für die Prüfung, die dann ein Tierarzt abnimmt. Wer nach den fünf Praxisstunden à 90 Minuten und drei Theorieblöcken noch Lust auf ein hündisches Haustier hat, der darf sich dann schließlich „Hundeführer“ nennen.

Während in den Theoriestunden grundlegendes Wissen vermittelt wird („Wo ist beim Hund vorne und hinten? Was tankt mein Hund?“), soll beim auch „Gehorsamkeitsprüfung“ genannten praktischen Test herausgefunden werden, ob der Führer seinen Hund in Alltagssituationen im Griff hat. Neben Basiskommandos wie „Sitz“, „Platz“ und „Bleib“ können auch kniffligere Manöver wie „Gib Pfötchen“, „Jag Briefträger“ und „Mach Steuererklärung“ abgefragt werden.

Betonen will Birgit Humpen, dass durch den Hundeführerschein nicht nur Menschen, sondern auch Tiere geschützt werden: „Während der Pandemie zum Beispiel haben sich viele aus Langeweile einen Hund angeschafft. Wenn die Boulderhallen und Bierzelte wieder öffnen, finden wir bestimmt einige davon angekettet an einer Autobahnraststätte. Also die Hunde, nicht die Besitzer.“

Ende der „Regelungswut“

Kritik an dem geplanten Gesetz gibt es wie immer, wenn das Leben von Mensch und Tier sicherer gemacht werden soll, von der FDP. Deren tierschutzpolitischer Sprecher in Baden-Württemberg fordert einerseits, dass nicht nur Hunde, sondern alle Haustiere auf ähnliche Weise geschützt werden sollen. Andererseits verlangt er nach einem Ende der „Regelungswut“. Stattdessen sollte es ein freiwilliges Fortbildungsangebot geben – der FDP greift der Hundeführerschein also zu weit und nicht weit genug zugleich.

Tatsächlich plant die schwarz-grüne Koalition in Baden-Württemberg auch einen Sachkundenachweis für Schlangen und andere lebensgefährliche Bestien. Halter sollen den richtigen Umgang mit den Tieren lernen und auch deren adäquate Pflege, etwa welches Schuppenshampoo zu welcher Natter oder Otter passt. Zum Schlangenführerschein hat die hemdsärmelige Hundeexpertin Humpen indes keine Meinung: „Mir scheißegal, die Viecher sind doch eh ober-eklig.“

Auf der Wiese bei Sindelfingen hat der Rehpinscher das Quietscheschweinchen mittlerweile in alle Einzelteile zerfetzt. „Feiiiin“, lobt Birgit Humpen erst den Hund und streichelt am Schluss auch uns über den Kopf: „Danke, dass Sie auch mal über uns normale Hundetrainer berichten. Meistens sieht man ja immer nur diesen einen ätzenden Dämlack da auf Vox und RTL. Den Typen würde ich gern mal mit meinem Rodrigo bekannt machen.“

Humpen pfeift mit den Fingern. Vom Waldrand her kommt ein fast zwei Meter großer, blutverschmierter Dobermann angepest. Rodrigo trägt etwas im Maul, das aus der Ferne aussieht wie ein menschliches Bein. Wir verabschieden uns und gehen, ach was, renneeeeen …

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5 Kommentare

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  • ...und wer seinen Hund auf Radwegen kacken lässt, dem sollte man sofort den Lappen wieder abnehmen.

  • Rodrigo is gut! Was sag ich-Supi!



    Auch das über den Kopf streichen.



    Birgit Humpen pfeift aufe Finger.



    Das ist auch gut.



    Jetzt verschlägt es mich wieder zu einem Missionszweck, einem Traktat.



    ....Es ist nunmehr die Stelle des Aufsatzes gekommen, wo der Hundebesitzer seinem Flohtier über die Nase streicht, mit der jener die kleinen Hundewürstchen und den Urin der Verwandten aufriecht, und spricht: „Was schreiben sie denn da alles von dir! Jaa! Nicht wahr, du bellst nicht? – nein!“ Und zu mir, fortfahrend: „Sie sind aber nerfeehs!“...



    de.wikisource.org/..._und_Ger%C3%A4usch

  • Ein tatsächliches Problem gut in einen satirischen Rahmen gestellt. Es ist ja ein Problem, ob wirklich alle so einfach glauben können, mal ebenso ein Haustier halten zu können. Was das für Fragen aufwirft, in welche bürokratisch-regulatorische Untiefen die dann hinein geraten können, alles wird – satirisch eben - angesprochen. Gern gelesen, mit einem lachenden und einem nachdenklichen Auge.

  • Des Pudels Kern?



    Minutiös nimmt die Wahrheit ein Geschehen um das Tierwohl unter die Lupe. Worum geht es wirklich, muss man hier fragen. Welche vielleicht schreckliche Wahrheit steckt hinter der vielleicht nur vordergründig aufrichtigen Initiative, den Menschen wieder zum besten Freund des Hundes zu machen? Dem Menschen wieder zu Bewusstsein zu bringen, was er, der Hund, als sein Begleiter braucht, um sich ihm, dem Hund, nachweißlich als geeignet zu erweisen? Anstatt den Hund seinen egoistischen Freizeitbedürfnissen zu unterwerfen? Um nicht weniger als eine „Beweisumkehr“ geht es, um die Frage, an welchem Ende der Leine sich das Problem wirklich befindet. (1) Denn war es nicht der Wolf, der für den Menschen auf den Hund gekommen ist? (2) Als sein Begleiter über die Jahrtausende hinweg? Wird jetzt Undank sein schnöder Menschenlohn sein?



    Was ist hier Pudels Kern? Wird hier eine endlich anstehende Initiative bürokratisch-regulatorisch zerrieben? Soll die Rentnerin Oma Krause etwa ihren Dackel Alfred abgeben, weil sie nicht „sachkundig“ ist? Was ist mit dem Obdachlosen und seinem einzigen vierbeinigen Freund? Oder sind gar wirtschaftsliberale Interessengruppen im Spiel, welche versuchen, der Initiative propagandistisch den Anschein einer bloßen Posse zu geben? Welche Influenzer melden sich als „Experten“ zu Wort, um das Label des Tierwohls an sich zu reißen? Nur um als Trainer und Tierfutterverkäufer Geld zu scheffeln? Hat etwa Claus Dieter Unfug, C. D. U., seine Pfote im Koalitionären Spiel? (3) Für wen arbeitet dieser geniale Hund, hinein gepresst in parteipolitische Ränke, wirklich?



    (1) www.swr.de/swraktu...rerschein-100.html



    (2) Eckhard Fuhr: Auf den Hund gekommen. Essay. www.welt.de/print/...Hund-gekommen.html



    (3) Die Wahrheit: taz.de/Die-Wahrheit/!5763288/

  • May be. But. Schein hin Schein her!

    Was die Spätzle nie verwinden werden: - 🧹 - 🛑 -



    Gekehrwocht - Wird mit grün-gelb Plaschtiktüte! - 🙀 -

    kurz - Gellewelle - Dess schmerzt scho sehr - 🤓 -