Spitzenduell der Frauenfußballerinnen: Von wegen Wachablösung
Der FC Bayern spielt gegen Wolfsburg um die Meisterschaft. Es geht dabei auch um den leichteren Zugang zu den Geldquellen der Champions League.
Kaum einer kann Entwicklungen im Frauenfußball so gut lesen wie Ralf Kellermann. Der frühere Profitorwart des MSV Duisburg hat sich als langjähriger Trainer und seit vier Jahren als sportlicher Leiter beim VfL Wolfsburg eine besondere Expertise angeeignet, die bei der Deutung von Langzeitentwicklungen hilft. So hat er sich daran gestört, dass vor einem Monat fast überall von der Wachablösung im deutschen Frauenfußball die Rede war.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der FC Bayern wettbewerbsübergreifend 26 Spiele gewonnen, der VfL Wolfsburg war gerade in der Champions League am FC Chelsea gescheitert – und das DFB-Pokal-Halbfinale der beiden deutschen Topteams stand an. „Da haben nicht viele auf uns gesetzt“, erinnert sich Kellermann, „wir wussten immer, dass die Wochen der Wahrheit erst noch kommen“.
Seitdem hat sich der Wind gedreht: Nachdem die Münchnerinnen am Ostersonntag erst im Pokal in Wolfsburg verloren (0:2), dann in der Bundesliga gegen die TSG Hoffenheim (2:3) patzten und international ebenfalls an der Effizienz von Chelsea scheiterten, ist die Ausgangslage vor dem Spitzenspiel VfL Wolfsburg gegen FC Bayern (Sonntag 13 Uhr/NDR und BR) eine andere. Wolfsburg, vier Mal in Folge mit dem Double dekoriert, liegt in der Bundesliga drei Spieltage vor dem Ende zwar zwei Zähler hinter den Bayern, doch das Momentum ist bei den Norddeutschen.
Für die Münchnerinnen wäre eine Saison ohne jede Trophäe nach einem solchen Verlauf nur schwer verkraftbar. „Wenn man Gefahr läuft, alle drei Titel zu verspielen, ist das keine ganz so einfach Drucksituation“, sagt Kellermann.
Rückendeckung von Rummenigge
Dass die VfL-Frauen in entscheidenden Momenten immer wieder die Nase vorn haben, das hat schon lange keine rein wirtschaftlichen Gründe mehr. Wenn die zwei Topvereine mal um dieselben Spielerinnen buhlen, so Kellermann, stelle man eine „deutliche Erhöhung des Spieleretats beim FC Bayern fest“. Die Frauen erfahren beim FC Bayern von höchster Stelle Rückendeckung. „Es ist unser Anspruch, auch mit unseren Fußballerinnen internationale Spitze und in Deutschland die Nummer eins zu sein“, verkündete Präsident Herbert Hainer kürzlich. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge schob nach: Wir sind überzeugt, dass diese Mannschaft sich als eine feste Größe im internationalen Spitzenfußball etablieren wird.“
Doch erst einmal dürfte es national schwierig genug werden, den Meisterschaften von 1976, 2015 und 2016 eine vierte folgen zu lassen. „Jetzt hat Bayern noch mehr Druck. Sie stehen mehr in der Pflicht als wir. Eigentlich können wir nur gewinnen“, sagte Wolfsburgs Führungsspielerin Alexandra Popp dem Kicker. Die Nationalmannschaftskapitänin personifiziert die Lust auf Titel. In diesem Jahr Meister zu werden, macht sich nicht nur gut auf dem Briefkopf gut. Denn ab Sommer kommt auch bei den Frauen in der Champions League das, was bei den Männern seit Jahrzehnten üblich ist: eine Gruppenphase, zentral vermarktet von der Uefa. Mehr Spiele, mehr Geld.
24 Millionen Euro sind anfangs im Topf, und als Startgeld gibt es für die 16 Teilnehmer 400.000 Euro. Für Kellermann wird der Wettbewerb „sportlich aufgewertet, wirtschaftlich deutlich attraktiver“. So weit, so gut. Problem: Nur der deutsche Meister ist direkt dabei. Der Bundesliga-Zweite und –Dritte müssen sich über ein enges Nadelöhr quälen, es drohen bereits in der Qualifikation Topmannschaften aus England oder Frankreich. „Es wird in Zukunft extrem wichtig, in die Champions-League-Gruppenphase zu kommen“, betont Wolfsburgs Ralf Kellermann. „Sonst werden dauerhaft die deutschen Toptalente nicht in Wolfsburg spielen.“
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