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Beziehungen zwischen EU und RusslandKeine neuen Sanktionen

Die EU-Außenminister haben über Moskaus Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine beraten. Sie warnen vor einer weiteren Eskalation.​

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell (M.) vor einem Treffen der Außenminister am Montag in Brüssel Foto: reuters

Brüssel/Moskau taz | Die EU-Außenminister haben Russland zum Rückzug der Truppen an der ukrainischen Grenze aufgefordert, jedoch nicht mit neuen Sanktionen gedroht. Die Verhängung neuer Strafen stehe derzeit nicht zur Debatte, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Brüssel nach einer Videokonferenz mit den Chefdiplomaten der 27 EU-Länder. Der russische Militäraufmarsch sei „sehr besorgniserregend“, erklärte Borrell.

Mit mehr als 100.000 Soldaten, Panzern, Feldlazaretten und anderem kriegsfähigem Material sei dies die größte Mobilisierung an der ukrainischen Grenze „aller Zeiten“. Die Gefahr einer weiteren Eskalation sei offensichtlich.

Die Schuld gab Borrell ausschließlich Russland. Gleichzeitig bekräftigte er das Bekenntnis der EU zu Souveränität und territorialer Integrität der Ukraine. Auf die Forderung aus Kiew nach einem raschen EU-Beitritt ging er nicht ein.

Auch Außenminister Heiko Maas rief Moskau zu Zurückhaltung und Deeskalation auf. „Noch besteht die Chance, dass Russland seine selbst eingegangenen Verpflichtungen zur Truppentransparenz respektiert“, sagte der SPD-Politiker. „Moskau sollte von Provokation auf Kooperation umschalten.“ Mit Frankreich setze sich Deutschland weiter für die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens für eine Friedenslösung in der Ostukraine ein, so Maas. Er sei auch für baldige Gespräche im sogenannten Normandie-Format, bei dem Berlin, Paris, Kiew und Moskau an einem Tisch sitzen.

Wiedereingliederung des Donbass

Kiew ist jedoch von „Minsk“ abgerückt. In einem Dekret, das Präsident Selenski am 24. März erlassen hat, ist sogar von der Wiedereingliederung des Donbass und der Krim die Rede. Maas ging darauf nicht ein.

Stattdessen lobte er die „besonnene“ Reaktion der Regierung in Kiew auf die „Provokationen“ aus Moskau. Zudem setzte er sich für eine Kontrolle des russischen Aufmarschs durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ein. Moskau hat diese bisher verweigert.

Auch das Schicksal des inhaftierten Kremlkritikers Alexei Nawalny stand am Montag in Brüssel auf der Tagesordnung. Russlands föderaler Dienst zur Strafausführung (FSIN) soll zugestimmt haben, Nawalny in ein Häftlingskrankenhaus im Gebiet Wladimir zu verlegen. Dieses befindet sich in der Kolonie IK-3, einige Kilometer von der Kolonie in Pokrow entfernt, wo sich Nawalny bislang aufhält.

Der Oppositionelle befindet sich seit dem 31. März im Hungerstreik. Die Gefängnisverwaltung hatte sich geweigert, Vertrauensärzte des Häftlings zum Patienten trotz Rechtsanspruchs vorzulassen. Am Montag bescheinigte die Kommission, der Gesundheitszustand des 44-Jährigen sei zufriedenstellend. Darüber hinaus werde er täglich von einem Arzt untersucht.

Herzstillstand nicht ausgeschlossen

Mediziner im Umfeld des Inhaftierten sehen Nawalnys gesundheitliche Verfassung jedoch kritischer. Jaroslaw Aschichmin ist Herzspezialist und gehört zum Ärzteteam Nawlnys. Er wies auf die kritischen Kaliumwerte hin, die zu Herzstillstand und Tod während einer Herzrhythmusstörung führen könnten. Ähnliche Komplikationen nannte auch Anastasia Wassiljewa, die Vorsitzende der Gewerkschaft der „Ärzteallianz“. Sie sprach von kritischen Werten, die auf Nierenkomplikationen verwiesen.

Auch Ljubow Sobol, eine Mitstreiterin des Nawalny-Teams, gab zu bedenken: „Wir wissen nicht, was mit ihm über das Wochenende passiert ist, weil ihn die Anwälte nicht besuchen dürfen. Ich denke sein Zustand ist wirklich sehr kritisch.“ Zurzeit wird Nawalny eine Vitamintherapie verabreicht, der er zugestimmt haben soll.

Wladimir Putins Pressechef, Dmitrij Peskow, behauptete, über den Gesundheitszustand Nawalnys nicht im Bilde zu sein. „Ich habe keine Informationen.“ Hinweise auf einen kritischen Zustand könne er nicht bestätigen.

Derweil bereitet sich Putin auf die Rede zur Lage der Nation am Mittwoch vor. „Das ist wichtig für alle unsere Vorhaben, für unser ganzes Land“, so Peskow. Für denselben Tag hat die Opposition landesweit zu Protesten aufgerufen. Russlands Sicherheitsorgane würden sich im Rahmen des Gesetzes unerlaubter Aktionen annehmen, hieß es aus dem Kreml.

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1 Kommentar

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  • Im Grundgesetz wurde an der Einheit Deutschlands explizit festgehalten. Warum sollte die Ukraine nicht auf die Einheit seines Landes pochen dürfen, ohne dass ihm dies gleich als Kriegstreiberei ausgelegt wird?