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Labor für die EnergiewendeDer Norden gibt Gas

Hamburg und seine Nachbarn wollen zeigen, wie sich durch eine kluge Koppelung von Wirtschaftssektoren Klimaschutz betreiben lässt.

Aurubis-Abwärme für die Hafencity: Hier werden die Rohre abgeladen Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | In Hamburg ist am Mittwoch der Startschuss zum Norddeutschen Reallabor für die Energiewende gefallen. In den kommenden fünf Jahren soll im industriellen Maßstab ausprobiert werden, wie sich die Erzeugung und der Verbrauch erneuerbarer Energie ausgleichen lassen. Dabei sollen die Energieerzeuger und die verschiedenen Verbrauchssektoren wie die Industrie, die Verkehrsunternehmen und die Privathaushalte miteinander verkoppelt werden. Im Zentrum steht dabei der CO2-frei erzeugte Wasserstoff.

„Mit der Sektorkopplung mit Hilfe von grünem Wasserstoff betreten wir Neuland“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei der Auftaktveranstaltung. Der Minister brachte deshalb auch einen Förderbescheid über 52 Millionen Euro mit. Rund 200 Millionen investiert die Industrie, den Rest die Länder Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg Vorpommern.

Hamburg spielt dabei eine zentrale Rolle. Seine großen Industriebetriebe können den Strom aufnehmen, der an den Küsten im Überfluss produziert wird. Sie können Wärme aufnehmen und abgeben. Sie haben die nötige Ertragskraft, um neue Wege der Energieversorgung zu beschreiten. Dazu kommen die Forschungskapazitäten der Hansestadt.

Die Vorarbeiten liefen in dem siebenjährigen Projekt New 4.0 unter Federführung Werner Bebas von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Die Hochschule will das Reallabor auch sozialwissenschaftlich begleiten, um mögliche Widerstände erkennen zu können.

Ziel: Schritt halten mit China und Japan

Bürgermeister Peter ­Tschentscher (SPD) versteht das Reallabor als Teil des Klimaplans des rot-grünen Senats. „Wenn dieser Schritt gelingt, haben wir eine große Sorge weniger“, sagte er in seiner Eröffnungsrede. Tschentscher verwies darauf, dass Länder wie China und Japan die Wasserstofftechnologie massiv vorantrieben. Das Reallabor solle auch dazu beitragen, die Indus­trie hierzulande wettbewerbsfähig zu halten – sowohl um den Wohlstand zu erhalten, als auch im Sinne des Klimaschutzes.

Das Reallabor

Das Norddeutsche Reallabor ist eines von 20 in ganz Deutschland, bei denen technische und regulatorische Neuerungen im echten Leben ausprobiert werden sollen.

25 Projekte umfasst das Reallabor in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Es soll 500.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen und das Modell für größere Projekte liefern. Das Kohlekraftwerk Moorburg blies bis zu 8,5 Millionen Tonnen CO2 in die Luft.

Die Schweriner Wemag plant ebenfalls einen Elektrolyseur, der mit fünf Megawatt aber deutlich kleiner ist als der in Hamburg. Der Wasserstoff soll Fahrzeuge des Schweriner Nahverkehrs sowie der Müllabfuhr antreiben und an Haushalte zum Heizen geliefert werden. Für überschüssigen Wasserstoff will die Wemag Gaskavernen als Speicher entwickeln.

Die Kupferhütte Aurubis etwa stößt nur halb soviel CO2 aus wie Kupferhütten im weltweiten Durchschnitt. Doch so viel Windstrom, wie an den Küsten Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns an guten Tagen erzeugt wird, kann die gesamte Hamburger Industrie nicht aufnehmen. Und weil es an Leitungskapazitäten mangelt, kann der Strom auch nicht nach Süddeutschland abtransportiert werden. Was also tun, um die Kraftwerke nicht abriegeln zu müssen?

Hier kommt der Wasserstoff ins Spiel. Bei seiner Herstellung geht zwar viel Energie verloren, doch das ist immer noch besser als die Energie verpuffen zu lassen. Zudem lässt sich Wasserstoff speichern und vielseitig verwenden. So prüft etwa das Hamburger Stahlwerk, ob es in Zukunft Wasserstoff statt Kohle zum Feuern verwenden könnte.

Ein Kernstück des Reallabors in Hamburg ist daher ein großer Elektrolyseur im Hafen, in dem mit Hilfe von Überschussstrom Wasserstoff erzeugt wird. Die Anlage mit 25 Megawatt Leistung müsse fast das ganze Jahr über zuverlässig laufen, um den kontinuierlichen Bedarf der Industrie zu decken, sagte Marleen Marks von der Betreiberfirma Hansewerk. Geplant ist auch die Versorgung von Verkehrsunternehmen wie der Hochbahn sowie die Nutzung der Abwärme.

Das spielt der verstaatlichten Wärme Hamburg in die Hände, die ihr Angebot ebenfalls C02-neutral umgestalten will. Hamburgs Industrie biete hierfür mit 350 Megawatt reichlich Abwärme, die es wie beim Beispiel Aurubis nur anzuzapfen gelte, sagte Christian Heine, Geschäftsführer von Wärme Hamburg. Weil die Haushalte im Sommer viel weniger Wärme benötigen als im Winter, will er überschüssige Wärme in einer salzwasserhaltigen Schicht in 1.000 Metern Tiefe speichern.

Um das alles leisten zu können und die Energie zwischen den verschiedenen Sektoren hin- und herschieben zu können, werden auch die Energienetze aus- und umgebaut werden müssen. Darum, dass das koordiniert geschieht, will sich Gasnetz Hamburg kümmern.

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