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Klimastreik in NigeriaDer Kampf gegen die Wüste

Ibrahim Inusa warnt vor den schwerwiegenden Folgen des Klimawandels. Um dem etwas entgegenzusetzen, fordert er zum Pflanzen von Bäumen auf.

Die Wüste rund um die Grenze von Niger und Nigeria breitet sich immer mehr aus Foto: Luis Tato/FAO/afp

Cotonou taz | Es ist nicht leicht, Ibrahim Inusa zu erreichen. Der 34-Jährige stammt aus Machina im äußersten Norden Nigerias kurz vor der Grenze zum Nachbarland Niger. Heute lebt er in Damaturu, der Provinzhauptstadt des Bundesstaates Yobe. An der Universität von Maiduguri im Nachbarbundesstaat Borno absolviert er gerade ein Studium zu Katastrophenmanagement und Entwicklungsstudien. Einen Abschluss in Chemie hat er bereits.

Egal, ob er an seinem Studienort oder zu Hause ist: „Das Internet ist ein großes Problem. Häufig ist gar keine Verbindung möglich.“ Auch ist es teuer, Datenvolumen zu kaufen. Offenes WLAN gibt es indes fast nirgendwo. „Es ist eine der Herausforderungen, die wir Ak­ti­vis­t*in­nen in ländlichen Regionen haben“, sagt er.

Für den globalen Klima­streik am 19. März hat Inusa trotzdem geplant, sich live auf Face­book und Instagram mit anderen Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen aus­zutauschen. Denn, so sagt er, gegen die fortschreitende Desertifikation, also Wüstenbildung, müsse dringend etwas getan werden.

Allen voran in seinem Heimatlandkreis Machina. „Dort ist der Klimawandel besonders sichtbar und spürbar.“ Die Temperaturen seien in den vergangenen Jahren immer mehr gestiegen und manchmal sei es unerträglich heiß. Sorge macht er sich außerdem um die schlechten Ernten. „Wenn ich mit Farmern spreche, höre ich immer das Gleiche: In den vergangenen 10 bis 15 Jahren haben sich die Erträge halbiert. Mancher bringt in Acre nur noch zwei Säcke Hirse ein.“

Die Menschen sind mit dem Überleben beschäftigt

Die Folgen sind gravierend: Komplette Dörfer müssen umsiedeln, weil nirgendwo mehr Getreide angebaut werden kann. Kinder sind unterernährt und leiden an Hunger. Das ist fatal in einem Land, dessen Bevölkerung jährlich um 2,5 Prozent wächst, das längst mehr als 200 Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen zählt und in dem viele landwirtschaftliche Flächen zudem noch aufgrund von Gewalt durch Banditen und Terroristen brach liegen.

Die Menschen sind mit dem Überleben beschäftigt. Deshalb fehle es ihnen an Zeit, um sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen, sagt Ibrahim Inusa. „Die Veränderungen beschreiben sie zwar genau. Dennoch ist es der schwierigste Teil meiner Arbeit, sie zum Zuhören zu bewegen.“

Helfen sollen Netzwerke, in denen sich viele junge Ak­ti­vis­t*in­nen genau über solche Herausforderungen unterhalten können. Ibrahim Inusa hat die Klima- und Naturschutzinitia­tive NCACI gegründet und ist Vorsitzender der Jugendkoalition für Umweltherausforderungen in Yobe, YYCEC. Zu ihren Aufgaben gehört es beispielsweise, gemeinsam Bäume zu pflanzen. Auch im Landesparlament in Damaturu waren die Bündnisse bereits, um über ihre Arbeit zu sprechen und Maßnahmen gegen den Klimawandel einzufordern.

Immerhin, man hat sie empfangen. Ernüchternd war für Inu­sa jedoch die Erkenntnis, dass es den Ent­schei­dungs­trä­ge­r*in­nen oft an Wissen fehle. Dabei sei das für nachhaltige Maßnahmen dringend notwendig. Umso wichtiger sei die Aufklärungsarbeit, zeitgleich mit Ak­ti­vis­t*in­nen auf der ganzen Welt, aber auch an jedem einzelnen Tag. „Uns muss klar werden, dass wir alle in der Verantwortung sind und unser Verhalten auch ändern können“, sagt Ibrahim Inusa.

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4 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Der Kampf gegen Desertifikation besteht nicht erst sein gestern. Die Probleme sind alle bekannt. Ebenso die Teil-Lösungen. Nur umgesetzt wird das halt nicht. Da wird gelabert und gelabert.

    Ein wesentliches Problem ist die Ziegenwirtschaft - in vielen Ländern.



    Vielleicht ist die "Solarwirtschaft" ein Ausweg. Versuchen sollte man es.

  • Desertifikation ist ein riesiges Problem. Wenn ich daran denke, wie deutsche Bauern in den letzten paar Jahren wegen scheinbar «läppischen» ca. 1-2°C höheren Durchschnittstempertaturen sich in Weltuntergangsstimmung wälzten, sollte eigentlich klar werden, wieviel stärker z.B. indische, oder eben Bauern und Viehhirten im Sahel betroffen sind.

    Die Industriestaaten verursach(t)en den Klimawandel, äussern auf der Heuchelbühne professionell «Betroffenheit», geben paar winzige Brotkrumen für Entwicklungsprojekte aus, und machen weiter wie bisher.



    Nun erklärt Desertifikation nur einen Teil der Lage im Sahel.

    Ein anderer Aspekt ist die Fertilität (6 – 7 Kinder pro Frau). Keine Massnahme gegen Desertifikation kann effektiv sein, wenn das Geburtenwachstum nicht adressiert wird. Klar, wird natürlich kontrovers diskutiert.



    Dieser Kontroverse kann noch ein Aspekt zugefügt werden: Es läuft in Nigeria eine generalstabsmässig geplanter, grossangelegter Jihad. Eigentlich ist die Islamisierung nur die Maske für die dahinter verborgene Ethnisierung (Fulanisierung). Influx aller Fulani aus dem Sahel in Nigeria hinein! Der tiefe Staat in Nigeria ist nicht einfach nur korrupt oder unfähig, nein, die die Fulani-Herrscher an der Macht vollziehen Schritt um Schritt ihre Mission.

    [...]

    Es ist nicht unbedingt nötig, dass die linken Medien das ebenfalls ignorieren.

    Nun sind erwähnte Themen wie Islamistenkritik, Geburtenwachstum in der linken Medien Tabuthemen. Schade! Die TAZ verpasst vielleicht gerade die Auflösung von Nigeria in vielleicht 4 Nachfolgestaaten.

    Dieser Kommentar wurde gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation

    • @Bernhard Wanner:

      ... ich habe gerade gesehen, dass und was Netiquetten-bedingt gekürzt wurde.

      Selbstverständlich akzeptiere ich das Verdikt. Als ich allerdings nachgeschaut hatte WAS gekürzt wurde, hat es mir fast die Brille von der Nase gesprengt (logischerweise kann ich hier nicht reposten was das WAS gewesen ist).

      Nach kurzer Reflektion kann ich aber dennoch aussagen (obwohl ich die ubiquitären Anglizismen wenig wertschätze): "You made my day!"

  • Eine Hammeraufgabe und ich wünsche Ibrahim viel Kraft und Ausdauer!

    Wenn ich auf diesem Bild die Ziegenherden sehe, die vermutlich mit der Bevölkerung wachsen und dem, auch im Artikel erwähnten, Bäume pflanzen diametral entgegen stehen, dann ahne ich wie schwer er es haben wird.

    Und dann neulich der Artikel hier, dass irgendwelche pfiffigen Geschäftsmenschen Buschholz aus Namibia nach Hamburg verschiffen wollten, damit Hamburg die Klimabilanz frisiert.....