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Eher Schwarz-Grün oder Linksbündnis?

Im Frankfurter Stadtparlament sind die Grünen seit der jüngsten Kommunalwahl stärkste Kraft. Sie müssen entscheiden, wo es langgeht. Davon könnte ein bundesweites Signal ausgehen

Kommentar zu den Grünen in Frankfurt: Klimastreik am 19. März auf dem Römer Foto: Ralph Peters/imago

Aus Frankfurt am Main Christoph Schmidt-Lunau

Für die Frankfurter Grünen ist nach der Wahl vor der Wahl: Schließen sie ein Bündnis mit der CDU, wenn nötig erweitert um die FDP? Oder streben sie als neue stärkste Kraft die Führungsrolle in einem Reformbündnis an, ohne CDU? Im Herbst stellt sich im Bund möglicherweise genau diese Frage.

In Frankfurt am Main müssen die Grünen jetzt schon entscheiden, wie sie mit ihrem langjährigen Partner, der CDU, und neuen Koalitionsmöglichkeiten umgehen. Bei der Kommunalwahl vor gut einer Woche, am 14. März, erhielten sie 24,6 Prozent der Stimmen und stellen seitdem mit insgesamt 23 Sitzen die größte Fraktion der Stadtverordnetenversammlung im Frankfurter Römer.

Nach einer kontroversen Debatte innerhalb der Partei gab es am Montag eine erste Weichenstellung: Die Anwesenden bestätigten die vom Grünen-Vorstand nominierte achtköpfige Verhandlungsdelegation – obwohl ihr in den Diskussionen unterstellt worden war, eine grün-schwarze Koalition zu bevorzugen. Im nächsten Schritt werden die Frankfurter Grünen jetzt mit CDU, SPD, FDP, Linken und der neuen paneuropäischen Partei Volt sprechen.

Doch von vorn, mit einem kleinen Einblick in die digitale Sitzung der Frankfurter Grünen von vor zwei Tagen. „So viele waren wir noch nie“, sagt die Versammlungsleiterin Miriam Dahlke, 32, am Montag. Sie spricht aus einem Raum der Grünen Jugend, den der Parteinachwuchs „Politiklabor“ nennt – und es könnte keine bessere Bezeichnung für den hessischen Landesverband geben, in dem seit jeher mit allen möglichen Konstellationen experimentiert wird.

In Hessen tolerierten die Grünen als bundesweit erste eine SPD-geführte Landesregierung. Hier gab es die erste rot-grüne Koalition und den ersten grünen Minister. Daneben entstand zudem eine Tradition schwarz-grüner Bündnisse wie in Frankfurt und Darmstadt. Und schlussendlich wurde in Hessen 2013 die erste schwarz-grüne Landesregierung in einem Flächenland gebildet.

Kommt jetzt etwa das nächste grüne Experiment? Im Frankfurter Stadtparlament hätte die bisherige schwarz-rot-grüne Regierungskoalition eine klare Mehrheit. Es gibt aber auch Optionen für Mitte-links-Koalitionen – und selbst ein Linksbündnis mit der SPD und der Linken unter der Führung der Grünen ist rechnerisch möglich. Dafür plädiert zum Beispiel der Frankfurter DGB-Chef Philipp Jacks und bezeichnet dies als Chance für die soziale Wohnungspolitik.

Führende Grüne sehen das jedoch eher skeptisch. Der grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour nutzt seine Redezeit für eine Attacke auf den bisherigen Koalitionspartner SPD. Er fordert ein Ende von „Dauerstreit“ und „Kneipenschlägerei“ und spielt damit auf die ein oder andere öffentliche Auseinandersetzung an, die sich Oberbürgermeister Peter Feldmann, SPD, und die Dezernenten von CDU und Grünen zuletzt lieferten.

Der frühere grüne Fraktionsvorsitzende im Römer und heutige Büroleiter der grünen Wissenschaftsministerin, Manuel Stock, erinnert in seinem Redebeitrag an den Flirt von SPD und FDP vor fünf Jahren. Die jüngsten Appelle der SPD-Spitze, mit einem neuen Bündnis für eine Wende in der Stadtpolitik zu sorgen, tut er ab: „Es geht denen nicht um uns Grüne, sondern um Machterhalt“, sagte er.

Weniger deutlich argumentieren die Grünen-PolitikerInnen, die im Römer selbst Verantwortung tragen. „Völlig ergebnisoffen“ gehe sie in die Sondierungen, versichert Spitzenkandidatin Martina Feldmayer während der Versammlung mehrfach. „Ich bitte um Vertrauen, nicht um Misstrauen“, sagt sie.

Auch sie habe gehört, sagt Feldmayer, was über die Verhandlungsgruppe kolportiert werde. Doch mit Aussagen wie „Das sind Leute, die schon immer Schwarz-Grün gewollt haben“ werde von außen versucht, einen Keil in die Partei zu treiben. Als Landtagsabgeordnete gehört Feldmayer zudem der grünen Regierungsfraktion an.

Innerparteiliche Opposition von Ergebnisoffenheit nicht überzeugt. Sie fordert Politikwende

Doch die innerparteiliche Opposition ist von der Ergebnisoffenheit nicht überzeugt. Sie fordert eine Politikwende – und damit eine mögliche Abkehr von der Zusammenarbeit mit der CDU. Der Seckbacher Kommunalpolitiker Ingo Stürmer ist einer von ihnen. „Frankfurt neu denken“, hätten die Grünen plakatiert. „Wir müssen Frankfurt wirklich neu denken, mit neuen Köpfen“, wirbt er für den Antrag, mit dem er den eigenen Parteivorstand unter Druck gesetzt hat.

Viele Mitglieder der neuen Fraktion sind Neulinge im Stadtparlament. Stürmers Antrag sieht vor, dass die Neuen in der Verhandlungsdelegation stärker vertreten sind. Er berichtet von seinen Erfahrungen an den Infoständen: „Wir kennen euch und wählen euch, aber was ihr in Land und Stadt macht, ist zu lasch!“, zitiert er angeblich unzufriedene WählerInnen mit dem schwarz-grünen Kurs. Er fordert einen klare Positionierung in Sachen Klimaschutz, bei der Verkehrswende und der Wohnungspolitik. Die CDU ist da nicht eingeplant.

Von der Entscheidung in Frankfurt hängt einiges ab. Enttäuscht sie die Fridays-for-Future-Bewegung oder hält sie Kurs mit den grünen Idealen? Bricht sie mit der CDU, hätte das sicher auch Auswirkungen auf die schwarz-grüne Regierungskoalition in Wiesbaden. Und für den Bundestagswahlkampf wäre das natürlich auch ein starkes Signal.

Am Montag gab es eine klare Mehrheit für den Vorstand und seine Verhandlungsdelegation. Als Zugeständnis an die unruhige Basis hatte der Vorstand einen Vertreter der Grünen Jugend und mit Tina Zapf eine neue Stadtverordnete in seinen Personalvorschlag mit aufgenommen. Zapf gehört in Mainz zur Führungsmannschaft einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP, die nach einem fulminanten Wahlerfolg vor einer Neuauflage steht.

„Wir verhandeln ergebnisoffen“, verspricht Vorstandssprecherin Beatrix Baumann.

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