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Haftstrafe für Nicolas SarkozyEntzaubert

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der französische Staatspräsident hat Befugnisse wie ein Diktator. Das Urteil gegen Sarkozy zeigt zumindest die Umrisse einer politischen Neuordnung.

Nicolas Sarkozy während des Prozesses Foto: Sadack Souici/Pictorium/imago

D as Amt des Präsidenten Frankreichs ist im Europa des 21. Jahrhunderts ein Anachronismus. Er – es ist bislang immer ein Mann gewesen – ist vom Volk gewählt, aber wenn er will, regiert er als Diktator. Für viele wichtige Entscheidungen braucht er weder Regierung noch Parlament. Er kann im Alleingang das Militär in den Krieg schicken und über die von ihm ernannten Präfekten, denen die Polizei untersteht, eine Maschinerie der autoritären Herrschaft unter Umgehung der gewählten Institutionen befehligen.

Sein Amt ist der personifizierte Ausnahmezustand, von General Charles de Gaulle 1958 zur Stabilisierung des Landes während der Entkolonisierung Algeriens ausgearbeitet und seitdem nur am Rande reformiert. Sein Etat ist höher als der der britischen Königsfamilie und weitgehend der öffentlichen Kontrolle entzogen. Auch nach Ende seiner Amtszeit bekommt er immense Bezüge, behält über den französischen Staatsrat ein Amt mit den Befugnissen eines Verfassungsrichters und genießt volle straf- und zivilrechtlche Immunität für alles, was er als Präsident gemacht hat.

Erst seit 2007 kann der Präsident für Dinge, die nicht mit dem Amt zusammenhängen, zur Verantwortung gezogen werden. Das trägt nun zur Entzauberung eines Amtes bei, das sich überlebt hat. Die Verurteilung von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy zu einer Gefängnisstrafe wegen Korruption ist ein historisches Ereignis, weil sie die Grenzen der Macht aufzeigt. Vor ihm war bereits Jacques Chirac verurteilt worden, aber anders als der greise Chirac bei seiner Verurteilung vor zehn Jahren steht Sarkozy heute noch mitten im politischen Leben – das denkt er jedenfalls.

In einem modernen Frankreich würde der Staatschef nicht länger über dem Recht stehen; Rechtsbeugung wäre keine normale Begleiterscheinung einer erfolgreichen politischen Karriere mehr. Emmanuel Macron hat Frankreich nicht modernisiert: er hat das zentralistische, autoritäre Herrschaftsmodell der Fünften Republik gestärkt, statt es zu reformieren. Es sind Urteile wie das gegen Sarkozy, die die Umrisse einer politischen Neuordnung zumindest ansatzweise in Erscheinung treten lassen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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2 Kommentare

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  • Entgegen anderslautenden Ansichten ist die französische Justiz (und damit die Demokratie) stark genug, um mächtige Männer wie Sarkozy zur Rechenschaft zu ziehen. Schlimm wäre es, wenn dies nicht mehr möglich wäre.



    Damit ihm nicht gleiches passieren kann wie Sarkozy, hat Kreml-Chef PUTIN vor einiger Zeit per Gesetz russischen Präsidenten (und damit vor allem wohl sich selbst) nach Ende der Amtszeit LEBENSLANGE IMMUNITÄT gesichert! Das bedeutet nicht nur Straffreiheit, sondern auch, dass Befragungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft, sowie Festnahmen tabu sind! taz.de/Immunitaet-...in+immunit%C3%A4t/



    Somit könnte Putin ohne Bedenken alle politischen Morde und Mordversuche, an denen er womöglich beteiligt war, einräumen, sich sogar dafür rühmen!



    Leider erhielt das in den Medien (dank Corona und Weihnachten) nicht die gebührende Aufmerksamkeit!

  • Vieles von dem, was ein französischer Präsident so alles an Machtfülle hat, war - sicher nicht nur mir - nicht so ganz klar. Danke!



    Jetzt verstehe ich auch besser, warum in letzter Zeit gerade in Deutschland bei jeder möglich und unmöglichen Gelegenheit so massiv Stimmung gegen den Föderalismus gemacht wird.