Impfstoffe gegen Covid-19: Welcher, wann – und dann?
Ist Sputnik V nun doch kein Teufelszeug? Wann werde ich endlich geimpft? Elf Fragen und Antworten zu den Corona-Impfstoffen.
1) Welche Impfstoffe gibt es?
Drei Impfstoffe hat die Europäische Union bislang zugelassen. Neben den beiden Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna ist seit acht Tagen auch der von der Oxford-Universität mitentwickelte Impfstoff von AstraZeneca zugelassen.
2) Wie wirken sie?
Die Impfstoffe von Biontech und Moderna basieren auf der Verwendung von Boten-Ribonukleinsäure (mRNA), einer für die breite Bevölkerung vorher noch nie zugelassenen Technologie. Beide bieten einen über 90-prozentigen Schutz vor einer Erkrankung an Covid-19. AstraZeneca verwendet für seinen Vakzin genetisch veränderte Erkältungsviren von Affen, um Informationen über das Coronavirus in menschliche Zellen zu schleusen. Er ist kostengünstiger als die von Moderna und Biontech, Produktionsstätten sind weltweit schon vorhanden. Der Wirkungsgrad liegt mit rund 70 Prozent allerdings niedriger.
Charité-Chefvirologe Christian Drosten weist aber darauf hin, dass jeder, der Covid-19-bedingt nur Halsschmerzen hat, schon unter die 30 Prozent fällt, bei denen der Impfstoff nicht vor Symptomen schützt. „Was uns doch eigentlich interessiert, wenn wir geimpft werden, ob wir gegen den schweren Verlauf geschützt sind.“ Und davor würde der von AstraZeneca ebenfalls zu nahezu 100 Prozent schützen, so Drosten.
3) Wann gibt es genug Impfstoff?
Die Bundesregierung versichert, dass in Deutschland bis zum Ende des Sommers jeder „ein Impfangebot“ bekommt. Auf Nachfrage wird konkretisiert, was das heißt: Man orientiert sich an der kalendarischen Definition, wonach der Sommer am 21. September endet. Und „Impfangebot“ bedeutet nicht nur, wie bisweilen gemutmaßt, einen Termin, sondern laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mindestens die erste Impfung.
4) Kann dieses Versprechen gehalten werden?
Das schien angesichts der Unsicherheit bei der Impfstofflieferung zunächst unklar zu sein. Inzwischen sieht es aber so aus, als ob es tatsächlich genug Impfstoff für alle geben wird. Allein aus den bestehenden Verträgen mit den drei Herstellern der bereits zugelassenen Impfstoffe – Biontech, Moderna und AstraZeneca – erhält Deutschland bis Ende September genug Vakzine für 70 Millionen Menschen. Wenn wie erwartet weitere Impfstoffe zugelassen und zusätzliche Verträge abgeschlossen werden, gibt es bis Ende September sogar weitaus mehr als nötig – sofern nicht aufgrund der Mutationen eine erneute Impfung mit leicht verändertem Vakzin erforderlich wird.
5) Kann auch wirklich alles rechtzeitig verimpft werden?
Genug Impfstoff sollte es im Sommer also geben. Knapp werden könnten dann allenfalls die Kapazität, diesen zu verabreichen. Derzeit werden rund 100.000 Impfdosen pro Tag gespritzt. Im dritten Quartal müssten es täglich fast achtmal so viele sein, um das Ziel zu erreichen – was eine ganz schöne Herausforderung sein dürfte. Allerdings wird dann voraussichtlich nicht nur in Impfzentren geimpft werden, sondern auch in Arztpraxen – vor allem mit dem Impfstoff von AstraZeneca, der nicht so stark gekühlt werden muss.
6) Wer kann dann wann mit einer Impfung rechnen?
Derzeit werden nur Mitglieder der höchsten Prioritätsgruppe geimpft – das sind alle über 80, alle Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen von Alten- und Pflegeheimen sowie Beschäftigte im Medizinsektor mit sehr hohem Ansteckungsrisiko. Diese knapp 9 Millionen Menschen müssten, wenn die Lieferungen wie geplant kommen, bis Ende März geimpft sein, sagte Gesundheitsminister Spahn am Freitag.
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Für die weiteren Gruppen gibt es keine offizielle Prognose, und vermutlich wird es in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich laufen. Aber anhand der geplanten Lieferungen kann man zumindest ungefähr abschätzen, wann welche Gruppe dran ist, sofern alles nach Plan läuft. Als Nächstes sind dann alle dran, die über 70 sind, außerdem Menschen mit bestimmten Behinderungen und Vorerkrankungen und deren Kontaktpersonen, weiteres medizinisches Personal, Polizei- und Ordnungskräfte sowie Menschen, die in Gemeischaftsunterkünften leben. Diese rund 13 Millionen Menschen sollten im Mai geimpft sein.
Bis wahrscheinlich Ende Juni wäre die dritte Gruppe an der Reihe, zu der alle über 60 gehören sowie Menschen mit weiteren Vorerkrankungen und Personen, die wichtige Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung oder kritischer Infrastruktur haben, zudem Erzieher*innen, Lehrer*innen und Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel. Das sind ungefähr 15 Millionen Menschen.
Ab ungefähr Juli könnten dann alle dran sein, die zu keiner der Prioritätsgruppen gehören – allerdings nur jene, die volljährig sind. Für Kinder und Jugendliche sind die Corona-Impfstoffe in Deutschland bisher nicht zugelassen, weil es nicht genug Daten gibt. Innerhalb des nächsten halben Jahres werden aber Daten erwartet, die für eine Entscheidung nötig sind, sagte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, am Freitag.
7) Welche Impfstoffe kommen noch?
Die größte Hoffnung ruht derzeit auf dem Wirkstoff des US-Konzerns Johnson & Johnson. Am Freitag hat das Unternehmen in den USA eine Notfallzulassung beantragt. Für dieses Produkt hat die EU schon konkrete Bestellungen abgegeben. Sobald das Vakzin auch in Europa eine Zulassung erhält, soll Deutschland bis Juni zehn Millionen Einheiten erhalten. Der große Vorteil: Es wird nur eine Dosis benötigt. Im restlichen Jahresverlauf sollen dann noch einmal 27 Millionen Dosen hinzukommen.
Das Präparat von Johnson & Johnson hat zudem den Vorteil, dass es, anders als das von Biontech und Moderna, auch bei Raumtemperatur eine Weile stabil bleibt. Das Präparat ließe sich also über Apotheken und Arztpraxen verteilen. Johnson & Johnson wirbt mit einer Wirksamkeit von 72 Prozent in den USA. Noch wirksamer scheint da ein weiterer Konkurrent aus den USA zu sein. Der Impfstoff von Novavax verhindert die Erkrankung zu 90 Prozent, also ähnlich effektiv wie die Premiumprodukte von Biontech und Moderna. Dumm nur: Die EU hat bislang keinen Liefervertrag mit Novavax abgeschlossen.
8) War da nicht ein weiterer deutscher Kandidat?
Ja, der Impfstoff der Tübinger Firma Curevac. Und an den könnte die EU sehr viel schneller herankommen. Wie Biontech und Moderna setzt auch Curevac auf die mRNA-Technologie. Die letzte Testreihe wird aber erst Ende März oder Anfang April abgeschlossen sein. Bis Juni soll Curevac nach bisheriger Prognose der Regierung 3,5 Millionen Dosen bereitstellen.
9) Und was ist mit Sputnik V?
Am vergangenen Dienstag hat eine Studie in der renommierten britische Fachzeitschrift The Lancet dem russischen Impfstoff eine tatsächlich hohe Wirksamkeit bescheinigt. Demnach schütze das Vakzin in der dritten und letzten Phase der klinischen Studien 91,6 Prozent der Probanden vor einer symptomatischen Covid-19-Erkrankung. Das ist ein erstaunlich hoher Wert. Denn bislang trauten die EU-Behörden dem vom Gamaleja-Forschungszentrum in Moskau entwickeltem Vakzin nicht.
Russland hatte das Vakzin schon im August angewandt, als die finalen Studien noch gar nicht beendet waren. Und das hat Misstrauen gesät. Nun hält Spahn eine Zulassung des russischen Impfstoffs in der EU durchaus für denkbar. Liefertermin für Deutschland? Unbekannt. Inzwischen erwägt das Dessauer Unternehmen IDT Biologika, das selbst einen Corona-Impfstoff entwickelt, bei der Herstellung eine Zusammenarbeit mit den russischen Kolleg*innen.
10) Kann man nach einer Impfung noch andere infizieren?
Auch diese Frage ist noch offen. Der bisherige Wissensstand ist, dass die Impfungen nicht gegen eine Infektion schützen, sondern nur gegen die dadurch ausgelöste Erkrankung. Insofern ist davon auszugehen, dass auch Geimpfte noch andere infizieren können.
Allerdings dürfte die Wahrscheinlichkeit hierfür geringer sein, denn Menschen ohne Symptome stoßen deutlich weniger Viren aus. Abschließend geklärt ist die Frage aber noch nicht: „Die bisher vorliegenden Daten erlauben nicht, die Wirksamkeit der mRNA- und Vektor-basierten COVID-19-Impfstoffe hinsichtlich einer Verhinderung oder Reduktion der Transmission abschließend zu bewerten“, schreibt die deutsche Impfkommission.
11) Was heißt das für die Coronaregeln?
Unter anderem, weil die Frage der Ansteckung durch Geimpfte noch unklar ist, sollen die bestehenden Coronaregeln zumindest zunächst auch für die Geimpften unverändert weitergelten – das hat am Donnerstag auch der Deutsche Ethikrat gefordert. Lediglich in Alten- und Pflegeheimen regte er eine Lockerung an: Hier könnten die strengen Besuchs- und Ausgangsverbote für Geimpfte aufgehoben werden, weil diese ja vor allem dem Schutz der Betroffenen selbst dienen – und der zumindest ist nach einer Impfung ja gegeben.
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