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Mitsprache in Bremer SchulkonferenzenMehr Macht für Schü­le­r*in­nen

Bislang sind Schü­le­r*in­nen und Eltern in Schulkonferenzen nur zu je einem Viertel vertreten. Das will die rot-grün-rote Koalition jetzt ändern.

In Schulkonferenzen sollen Schü­le­r*in­nen in Zukunft mehr Mitspracherecht haben Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Bremen taz | Es bringe nichts, sich zu engagieren – wichtige Dinge könne man doch nicht ändern: Die Sorge vor zu wenig Mitbestimmungsmöglichkeiten hört Zora Machura immer wieder, wenn sie neue Mit­strei­te­r*in­nen für die Schü­le­r*in­nen­ver­tre­tung am Alten Gymnasium sucht. Das Gesetz zur Änderung des Bremischen Schulverwaltungsgesetzes, mit dem sich die Bildungsdeputation in ihrer gestrigen Sitzung erstmals befasst hat, könnte dieses Argument nun entkräften.

Denn in der Gesetzesnovelle, die das Bildungsressort vorgelegt hat, wird unter anderem die sogenannte Drittelparität in der Schulkonferenz – dem größten Gremium an der Schule – festgelegt. Bisher sieht das Gesetz vor, dass die Schulkonferenz in den weiterführenden Schulen zur einen Hälfte aus Ver­tre­te­r*in­nen der Gesamtkonferenz, also aus Lehrkräften besteht. Die andere Hälfte setzt sich aus Ver­tre­te­r*in­nen des Schüler*innen- und Elternbeirats zusammen.

Laut neuem Gesetzentwurf würden Schü­le­r*in­nen und Eltern statt zu je einem Viertel zu einem Drittel Mitspracherecht haben – und damit das gleiche Stimmgewicht wie die Lehrkräfte.

Dabei gehe es nicht um die Durchsetzung konkreter Themen, sondern um den Ansatz, Schule grundsätzlich demokratischer zu organisieren, sagt Miriam Strunge, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Die Stärkung von Demokratie in der Schule ist bereits im rot-grün-roten Koalitionsvertrag vereinbart.

Es ist gefühlt völlig egal, was du erzählst

Zora Machura, Schulsprecherin

Es sei wichtig, schon in der Schule zu lernen, wie Demokratie funktioniert, sagt Strunge. „Was ist das für ein Signal an die Schüler*innen, wenn sie qua Amt weniger Stimmrecht haben als die Lehrkräfte?“ Auch die im Entwurf verankerte Einführung einer Vollversammlung sei ein Schritt hin zu mehr Demokratie, bei dem nicht nur gewählte Vertreter*innen, sondern alle Beteiligten gehört würden.

Diffundiert die Verantwortung?

Die FDP fürchtet eine „Verantwortungsdiffusion“ durch die neue Regel. Die Sprecherin für Bildung, Birgit Bergmann, verweist in der Deputationssitzung auf die höhere Fachkompetenz des Lehrpersonals im Gegensatz zu Schü­le­r*in­nen und Eltern. Diese würde durch die Zweidrittelmehrheit, die Letztere laut des Beschlusses gemeinsam erreichen könnten, nicht mehr zum Tragen kommen.

Laut Yvonne Averwerser, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, stelle sich auch die Frage, wie lange die jeweiligen Ent­schei­de­r*in­nen von den Ergebnissen der Entscheidung betroffen seien. „Es ist ein Unterschied, ob ich als Schülerin noch zwei Jahre zur Schule gehe oder als Lehrkraft noch lange mit der getroffenen Entscheidung leben muss.“

Auch Averwerser befürwortet die Stärkung von demokratischen Prozessen in Schulen, „aber man muss sehr genau gucken, was man damit bewirkt“. Und aus der Drittelparität folge laut Averwerser nicht automatisch eine höhere Beteiligung von Schü­le­r*in­nen in den Gremien.

Das sieht Zora Machura anders. Die 17-Jährige ist sich nicht nur Schulsprecherin, sondern auch in der Gesamtschüler*innen­­­­­­vertretung in Bremen engagiert. Sie berichtet von großer Unzufriedenheit bis hin zu emotionalen Zusammenbrüchen nach Schulkonferenzen, „weil es gefühlt völlig egal ist, was du erzählst“. Einige Schü­le­r*in­nen würden aus diesen Gründen aufhören, sich zu beteiligen.

Mitsprache fällt unter den Tisch

Ein weiteres Problem sei, dass ihre Anliegen oft die letzten Tagesordnungspunkte einer Konferenz seien und so aus Zeitgründen unter den Tisch fielen. Machura betont, dass dies nicht an allen Schulen der Fall sei – ­einige hätten die Drittelparität bereits auf freiwilliger Basis eingeführt. Dies sei allerdings die Ausnahme. „Durch die Drittelparität sind die Lehrkräfte gezwungen, mit uns auf Augenhöhe zu kommunizieren.“

In den nächsten Wochen soll der Gesetzentwurf mit den Interessenvertretungen wie etwa dem Personalrat oder den Schulleitervereinigungen debattiert werden. Die Senatorin für Kinder und Bildung, Claudia Bogedan (SPD), sagt, dass es bei dem Gesetzesentwurf vor allem darum gehe, dass die Entscheidungen in den Schulen nicht im stillen Kämmerlein getroffen werden.

Es gebe bei den Ak­teu­r*in­nen im Schulalltag gegensätzliche Interessen und diese Widersprüche werde man auch im Gesetzentwurf nicht gänzlich verhindern können. „Aber es ist ein Startschuss, damit wir eine offizielle und öffentliche Beteiligung haben.“

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