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Vaterschaftsanerkennung im LockdownHoffnung auf Mr Holmes

Termine beim Jugendamt können unangenehm sein. Nicht aber während des Lockdowns – da finden nämlich keine Termine statt.

Sperma-Inquisition durch Beamte in Sherlock-Holmes-Manier Foto: agefotostock/imago

Und sind Sie auch ganz sicher, dass Sie der Vater sind?“, fragt der hagere Mann hinter dem Schreibtisch ein zweites Mal. Seine Brille hängt nur noch auf der Nasenspitze und er klingt wie Sherlock Holmes. Es riecht nach Linoleumboden und Verwaltung. Sein Blick sagt: „Sprechen Sie jetzt oder schweigen Sie für immer.“ Also nicht zu mir, sondern zu dem Mann neben mir, der gerade versucht sich Rechte und Pflichten für das 3-Kilo-Kind in meinem Bauch zu sichern. Wir sind beim Jugendamt zur Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung, weil wir nicht verheiratet sind.

Zum einen muss das sein, damit das Kind den Nachnamen des Vaters bekommen kann, wie ich das möchte – aber vor allem ist es nötig, damit der Vater (medizinische) Entscheidungen treffen kann, sollte ich nach der Geburt nicht in der Lage sein. Man weiß ja nie.

Nun, deshalb sitzen wir bei dieser Sperma-­Inquisition und ich frage mich, wieso der Ton so harsch ist, bevor ich kurz abwäge, ob es nur für meine Belustigung okay wäre, ein „Ach, wer kann sich da schon sicher sein …“ in den Raum zu seufzen.

Stattdessen wäge ich innerlich ab, ob es nicht die bessere Option gewesen wäre, sich schnell im Standesamt das „Ja“ zu geben. „Ja“ sagt der Vater. Also nicht zu mir, aber zu Mr Holmes. „Routine. Ich muss das fragen, das ist immerhin eine sehr ernste Angelegenheit“, stellt der dann in meine Richtung fest, er vermeidet Blickkontakt. Er muss gespürt haben, wie sich mein Blick in seine Schläfe bohrt.

Niemand weiß was

Das war im Sommer 2017 und ist in meinem Ordner für unangenehmste Begegnungen mit Beamten direkt abgelegt hinter einem ganzen Packen von anlasslosen Ausweiskon­trollen durch die Wiener Polizei. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mir den hageren Mr Holmes eines Tages zurückwünschen würde. Aber: here we are. Im Moment kommen wir nämlich für das zweite Kind nicht in diesen Genuss.

Das Jugendamt beurkundet seit Dezember nicht und hat das wohl auch nicht vor, solange der Lockdown besteht. Wir werden seither vertröstet. Nun ist es aber allerhöchste Eisenbahn. Ich hab in meiner Verzweiflung sogar schon beim Bürgertelefon angerufen. Die Computerstimme eröffnete mir die Warteschleifenposition 33. Es ging dann aber recht schnell und die sehr freundliche Dame am Telefon war sehr ahnungslos. „Die sagen uns hier nichts, tut mir leid“, sagt sie, und ich bedanke mich artig für nichts.

Auch die Sachbearbeiterin im Jugendamt antwortete sehr freundlich auf meine drölfzig Mails. Ich könne mir ja einen kostenpflichtigen Termin bei einem Notar machen. Oder die Vaterschaft nach der Geburt anerkennen lassen. Das stimmt. Nur als ich das letzte Mal nachgesehen hab, hab ich Steuern bezahlt und ein Termin beim Notar ist auch ein Kontakt. Und nach der Geburt möchte ich andere Dinge machen, als das Neugeborene in Ämter schleifen, in denen es sich anstecken könnte. Aber gut, wir hoffen weiter auf Mr Holmes.

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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5 Kommentare

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  • Huh?



    Kann ich null bestätigen…



    Super schneller, corona-konformer Termin, freundliche und kompetente Mitarbeiterin, die uns beglückwünscht hat und keine dämlichen Fragen a la „Sind sie sicher…“



    Sowohl Vaterschaftsanerkennung als auch gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben.



    10 Minuten Termin - alles easy (und ja - auch im Februar 2021)

  • 0G
    01022 (Profil gelöscht)

    Dig. 2.4.5

    Paulus 4 ad ed.

    Quia semper certa est, etiam si volgo conceperit: pater vero is est, quem nuptiae demonstrant.



    („Weil die Mutter immer gewiss ist, auch wenn sie unehelich empfangen hat, ist der Vater tatsächlich der, den die Ehe als solchen aufweist.“ )

  • Sind Sie sicher, das Sie der Vater sind?



    Diesen Spruch kenne ich auch, seit ich vor Jahren mit meiner Ex_Freundin vor der Geburt beim Standesamt war!



    .



    Wir haben uns dann angeguckt, den Typen angebrüllt & sind gegangen!



    .



    3 Tage NACH der Geburt kam dann einer vom Jugendamt & fragte nach dem Vater.



    "Unbekannt!" antworteten wir gleichzeitig & dann kam der "Sermon von Amtsvormund usw. BIS wir dem erklärten wir wären BEIDE Mitte 30, lebten in sozial gesicherten Verhältnissen, usw, den danach auch rauswarfen und Ihm die Karte unseres Anwalts als Kontaktperson in die Hand drückten!



    ,



    Da es damals noch kein gemeinsames Sorgerecht für Unverheirate gab, haben wir dann "mit Ehevertrag" als "GmBH&Co,KG zwecks Aufzucht unserer Tochter" der ALLES ausschloss, was "Zivilrechtlich EHE ausmacht", geheiratet!



    .



    Als ich dann Wochen später die Vaterschaft anerkannte, waren die alle sehr nett beim Standesamt, (lag wohl am Schreiben des Anwalts zu dem Thema) denn mit der EHE & der Vaterschaft "glaubten die bis HEUTE" sie hätten richtig Geld gespart!



    Die einzige Behörde die etwas Einbringt ist das Standesamt. Mit jeder Ehe & Kindschaftaanerkennung wimmlet die Unterhaltsansprüche usw auf Privatpersonen ab!



    .



    DE Behörden müssen noch VIEL lernen, vor allen was z.B. "Dienstleitung" & "Kundenkontakt" heißt!



    .



    Na ja, in > 30 Jahren scheint sich DA nicht viel geändert zu haben!



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    Gr Sikasuu

  • "Zum einen muss das sein, damit das Kind den Nachnamen des Vaters bekommen kann, wie ich das möchte – aber vor allem ist es nötig, damit der Vater (medizinische) Entscheidungen treffen kann ..."



    Ich saß da vor über 20 Jahren auch mal .... Mein Eindruck war eher: Es geht darum, wer bezahlt, wenn es mal Spitz auf Kopf kommt.

    • @Britzer:

      Im Alltag der Jugendämter sind das zwei verschiedene Dinge.

      Das der Vater zahlen muss ist klar - für Vaterschaftsanerkennung gibts immer einen Termin - für gemeinsames Sorgerecht hingegen nicht.



      Orginalton Jugendamt - hat eine Bekannte mit ihrem Partner selbst erfahren müssen. Besonders bitter - sie ist selber JA-Mitarbeiterin, aber in einem anderen Amt - was dann am Ende der Ausweg war ...

      und das ist nicht mal 5 Jahre her ...