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Verpackungsmüll im KabinettGroko kämpft mit Müllberg

Mit einer Quote für Recycling-Material und einer erweiterten Pfandpflicht will die Bundesregierung den steigenden Verpackungsmülls bändigen.

Kunden sollen sowohl Einweg- als auch Mehrwegbecher angeboten werden Foto: Arnulf Hettrich/imago

Berlin taz | Restaurants, Bistros und Cafés sollen ab 2023 dazu verpflichtet werden, ihren Kun­d:in­nen auch Mehrwegbehälter anzubieten. Das sieht die Änderung des Verpackungsgesetzes vor, die das Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht hat. „Händler, die Kaffee zum Mitnehmen verkaufen, sollen ihren Kunden sowohl einen Einweg- als auch einen Mehrwegbecher anbieten müssen“, sagte Umweltministerin Svenja Schulze.

Das Gleiche gelte für das Essen zum Mitnehmen im Restaurant und für Lieferdienste. Die Regel soll ab 2023 greifen, enthält aber eine Ausnahme für Betriebe, die kleiner als 80 Quadratmeter sind und nicht mehr als fünf Beschäftigte haben. Wie viele Betriebe unter die Ausnahmeregel fallen, kann das Umweltministerium derzeit nicht beziffern.

Schon zum 1. Januar 2022 soll zudem eine erweiterte Pfandpflicht in Kraft treten. Dann soll etwa auch auf Fruchtsäfte oder Getränkedosen ein Pfand erhoben werden. Für Milch und Milcherzeugnisse greift die Pfandpflicht erst zwei Jahre später. Für Einweg-Plastikflaschen ist ab 2025 eine sogenannte Mindestrezyklatquote von 25 Prozent vorgesehen, die ab 2030 auf 30 Prozent steigt, um einen Markt für Recycling-Kunststoff zu schaffen.

Die Maßnahmen, die der Bundestag noch verabschieden muss, stießen unter Verbänden auf ein geteiltes Echo. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Verband der Kunststofferzeuger PlasticsEurope Deutschland etwa befürworten die Neuerungen. Kritik kam dagegen von Umweltverbänden und der Verbraucherzentrale. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland beklagen vor allem die Ausnahmen für kleinere Betriebe.

„Nach dem aktuellen Entwurf der Novelle würde es vielen Unternehmen weiterhin freigestellt sein, ob sie Mehrwegalternativen anbieten“, kritisierte der BUND. Der Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Klaus Müller, befürchtet, dass Anbieter auf andere Materialien wie Verpackungen aus Pappe oder Aluminium ausweichen, „die nicht umweltfreundlicher“ seien. Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht die Neuerungen insgesamt positiv, fordert aber, den Unternehmen genug Zeit einzuräumen, um Mehrwegsysteme zu schaffen.

Nach Zahlen des Umweltbundesamts lag das Verpackungsmüllaufkommen 2018 in Deutschland bei 18,9 Millionen Tonnen. Die Mengen sind seit Jahren steigend.

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5 Kommentare

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  • Weniger Müll produzieren ist halt kein Vorschlag, der in einer Wachstumswirtschaft und einer Wegwerfgesellschaft mehrheitsfähig ist. Seit Jahrzehnten wachsen die Müllberge und -exporte, wurden Müllverbrennungsanlagen gebaut, eine komplett neue Industrie zur Mülltrennung aufgebaut, aber nicht zur Müllvermeidung.



    Eben solange wird über Mehrweg- oder Einwegverpackungen, Dosenpfand, Plastiktüten, (freiwillige) Rücknahmeverpflichtungen für E-Geräte und Kostenbeteiligungen der Online-Versandhändler für ihren Verpackungsmüll gestritten, Kreislaufwirtschaft in Sonntagsreden begrüßt, Recycling nur großgeschrieben aber kaum realisiert. Der Müllexport boomt immer noch, sowohl für Plastik, Altkleider... und auch für Elektroschrott. Letzterer wird in kommenden Jahren ein exponentielles Wachstum erfahren, u.a. weil das Recycling zu teuer, zu Energie intensiv und zu kompliziert ist, kaum Recyclinganlagen vorhanden sind und die Kontrollen nur sporadisch durchgeführt werden, denn niemand will die Produktion gefährden.



    Aber freuen wir uns darüber, dass in Zukunft mehr Menschen lernen müssen, ohne einen Strohhalm aus einem Glas zu trinken. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für das Weiter-so!



    Ohne die Herstellung von Müll zu verringern, bleiben Pfandsysteme nur umweltpolitische Globulis fürs gute Gewissen.

  • Das ist doch alles Kleinviehmist.

    Was wir brauchen, ist ein obligatorisches, standardisiertes Pfandsystem für Lebensmittel, genauso wie wir es für Bierflaschen haben. Wenige Typen von haltbaren und hygienischen Verpackungen, von der Milch bis zum Joghurt, die man in jedem Lebensmittelladen auch zurück geben kann.

    Übrigens ist es kein Zufall, dass die Flut von Plastikverpackungen gerade in den letzten Jahren weltweit immer mehr angestiegen ist. Die Erdölindustrie versucht nämlich, die für uns alle überlebensnotwendigen Einsparungen bei fossilen Treibstoffen zu umgehen, indem sie ihre Produkte auf fossile Verpackungen umwidmet. Ein klarer Kandidat für die Medaille "Enemy of Mankind".

    Wird Zeit, dass man nicht nur, aber auch da, eine merkbare, sozial kompensierte CO2 Steuer drauf haut, die es ökonomisch macht sein Hirn zu benutzen und Verpackungen wieder zu verwenden statt zu recyceln.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Erweiterten Pfandpflicht ?



    Wer viel Verpackungsmüll produziert, sollte entsprechend hohe Umweltabgaben zahlen, verbunden mit einer Recyclingpflicht. Das sollte nicht nur auf den Verbraucher abgewälzt werden.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Es wird immer auf die Verbraucher abgewälzt, denn die Mehrkosten werden mit Sicherheit auf die Preise umgelegt.

      • @Grummelpummel:

        Zumal den Müll erst der Kunde produziert.