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Quote für Menschen in der VerwaltungDie rechtliche Basis fehlt

Eine Quote für Menschen mit Migrationsgeschichte für den öffentlichen Dienst? Dafür ist wohl eine Änderung der Landesverfassung nötig.

Der Öffentliche Dienst in Berlin soll diverser werden, demnach auch die Polizei Foto: Simone Kuhlmey/imago

Freiburg taz | Eine MigrantInnenquote für den Berliner öffentlichen Dienst kann rechtlich zulässig sein – aber nur nach einer Änderung der Berliner Landesverfassung. Die ist der Maßstab für die Rechtmäßigkeit einer solchen Quote, weil es um Ämter in der Berliner Staatsverwaltung geht.

So heißt es in Artikel 19: „Der Zugang zu allen öffentlichen Ämtern steht jedem ohne Unterschied der Herkunft, des Geschlechts, der Partei und des religiösen Bekenntnisses offen, wenn er die nötige Eignung besitzt.“

Eine MigrantInnenquote, die (bei gleicher Eignung) auf die Herkunft der BewerberInnen oder ihrer Eltern abzielt, widerspricht dieser Verfassungsnorm. Wer Personen mit Migrationshintergrund bevorzugt einstellt, um eine Quote zu erreichen, entscheidet nicht „ohne Unterschied der Herkunft“.

Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) hält ihren Gesetzentwurf dennoch für zulässig. Eine Bevorzugung wegen der Herkunft sei nur unzulässig, wenn es um die Zugehörigkeit zur „Mehrheitsgesellschaft“ gehe. Ein Bevorzugung zur Förderung von Minderheiten sei dagegen erlaubt.

Ein vergleichbares Dilemma gab es vor Jahrzehnten bei der Forderung nach Gleichstellung von Frauen im öffentlichen Dienst. Es wurde dadurch gelöst, dass in die jeweiligen Verfassungen ein ausdrücklicher Gleichstellungsauftrag aufgenommen wurde.

In der Berliner Landesverfassung heißt es entsprechend in Artikel 10: „Das Land ist verpflichtet, die Gleichstellung und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens herzustellen und zu sichern. Zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten sind Maßnahmen zur Förderung zulässig.“

Dagegen gibt es bisher keine derartige Verfassungsklausel zur Sicherung der Teilhabe von MigrantInnen im öffentlichen Dienst. Hierzu müsste die Berliner Verfassung geändert werden. Erforderlich wäre eine Zweidrittelmehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus.

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6 Kommentare

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  • Einstellungen sollen unter ABSEHUNG der ethnischen Herkunft oder der Hautfarbe geschehen - nicht auf der Grundlage (letztlich fiktiver) identitätspolitischer Gruppenkonstruktionen.

    In us-amerikanischen Symphonieorchestern gibt es seit Jahrzehnten die Praxis, daß neu einzustellende Musiker hinter einem Vorhang vorspielen, so daß allein ihr musikalisches Können zählt, und die Jury in ihrem Urteil nicht beeinflußt wird von der Hautfarbe der Musikerin, oder ihrem Geschlecht.

    Das ist der gerechteste Weg für alle Beteiligten: für die vorspielenden Musikerinnen, aber auch für das musikliebende Publikum, das die BESTEN Musikerinnen hören will - doch auch diese Praxis wird mittlerweile von identitätspolitischen Akteuren kritisiert, weil 'zu wenig' Schwarze in den Orchestern spielen.

    Die identitätspolitischen Ideologie krankt nicht nur an ihrer Kategorisierung der Bevölkerung in Identiätsgruppen, die sie damit auch konstruiert und perpetuiert, sie krankt auch an einer grundlegenden ideologischen Verengung: Daß alle Disproportionen auf Diskriminierung zurückzuführen seien, ja, Beweis für Diskriminierung seien.

    Das ist falsch.

    Diskriminierung KANN eine Rolle spielen, muß es aber nicht, und wo sie eine Rolle spielt - und dann abzubauen ist! - ist sie meist nur ein Faktor unter vielen.

    Und indem Menschen per Gesetz bzw. per Quote auf eine Stelle gehievt werden, bleiben gerade diese anderen Faktoren unbearbeitet.

    Die Quote fängt am falschen Ende an: die STARTchancen der Menschen sind zu verbessern - das ist 'Equality' (Chancengleichheit) im Unterschied zur identitätspolitischen 'Equity' ('Equality of Outcome').

    Identitätspolitik ist immer regressiv - auch wenn sie links ist.

    Die Bevölkerung (nach Hautfarbe, Ethnie) zu kategorisieren ist letztlich rassistisch und dehumanisiert die Menschen, die nicht mehr als einzigartige Individuen betrachtet werden, sondern als 'Angehörige eines Stammes'.

  • Das weiß Frau Breitenbach natürlich, sie ist ja nicht blöd.

    Es ist halt bequemer, die Populismusschiene zu fahren, als Mehrheiten zu besorgen.

  • Der Vergleich mit der Frauenförderung ist schwierig, schon allein weil die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht viel leichter zu definieren ist als die zum eher diffusen Merkmal "Migrationshintergrund". Darf man sich da selbst einordnen? Oder wer befindet darüber, wer zur Gruppe der Migranten zählt und wer nicht? Nach welchen Kriterien? Gilt es auch für die zweite oder gar dritte Generation von Einwanderern?

  • Der Ansatz von Herrn Rath ist löblich jedoch etwas zu kurz gedacht.

    Die Regelungen einer Landesverfassung dürfen nicht gegen das Grundgesetz verstoßen. Das geplante neue Gesetz verstößt gegen zwei Regelungen des GG.

    Daher sind vor der Einführung des Gesetzes erst das Grundgesetz und dann die Landesverfassung zu ändern.

    • Christian Rath , Autor des Artikels, Rechtspolitischer Korrespondent
      @DiMa:

      Die Landesverfassungen müssen nicht "eins zu eins" dem Grundgesetz entsprechen, sonst bräuchte man ja auch keine Landesverfassungen.

      Maßstab für die Landesverfassungen ist vielmehr Artikel 28 Abs 1 Grundgesetz: "Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen." Dies lässt Raum für viele abweichende Normen in der Landesverfassung.

      • @Christian Rath:

        Vielen Dank für die Rückantwort.

        Das Homogenitätsgebot findet meines Erachtens seine Grenzen in den Grundrechten, welche in den Artikeln 1 bis 20 zu Grunde gelegt sind.

        Daher könnte ein geänderter Artikel 19 Abs. 2 der Landesverfassung Berlins zwar in Abweichung des Artikel 33 Abs. 2 des GG geregelt werden, dürfte jedoch nicht gegen Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstoßen.

        Aus diesem Grund wäre in Berlin eine Vergemeinschaftung von Wohnraum nach Art. 15 GG wohl möglich, obwohl eine entsprechende parallele Regelung in der Berliner Landesverfassung ausdrücklich fehlt.

        Andernfalls bestünde die Gefahr, dass durch das Grundgesetz abgesicherte Grundrechte durch Landesverfassungen partiell eingeschränkt werden würden. Hierfür wäre mir kein Beispiel aus der Praxis bekannt.