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Händler gegen LebensmittelvernichtungGrüne Zitronen, krumme Gurken

Obst und Gemüse ohne Standardaussehen wird massenweise vernichtet. Nur wenige Händler versuchen, dagegen vorzugehen.

Krumme Gurken gelangen wegen „optischer Mängel“ meist nicht in den Handel Foto: Sascha Steinach/imago

BERLIN taz | Die Kundin im Bioladen nimmt einen Blumenkohl in die Hand, sieht ein paar braune Stellen und legt ihn wieder zurück. Marie Pigors wundert dieses Verhalten nicht. „Bei Obst und Gemüse spielt das Aussehen meist die entscheidende Rolle, auch bei Käufern von Bioware“, sagt Pigors, die zur Betriebsleitung des Naturkost Kontors Bremen gehört, und fügt hinzu: „Wir beliefern 600 Läden mit Biolebensmitteln aus unserer Region. Davon kaufen nur zwei bei uns krumme Gurken ein.“

Petra Dittmar ist Besitzerin von Bioeck Naturkost, ein 90 Quadratmeter großer Biofachladen in Offenbach. Sie bestätigt Pigors Aussagen: „Unsere Kunden wissen, warum Möhren krumm sind, die werden gekauft wie gerade Möhren. Aber nicht nur der Geschmack zählt, sondern auch das Aussehen. Die Kunden sind sehr anspruchsvoll.“ Anfangs hat Dittmar Rosenkohl so angeboten, wie er vom Großhändler kam – inzwischen putzt sie ihn, damit er nicht mehr schmutzig aussieht. „Seitdem wird er besser gekauft“, sagt sie.

15 Prozent der Speisekartoffeln gelangen wegen optischer Mängel nicht in den Handel. 25 Prozent der Erdbeeren werden wegen unschöner Stellen vernichtet. Jeder dritte Salat wird untergepflügt, weil die Köpfe zu klein oder zu groß sind. Das berichten Erzeugerbetriebe in der Studie Umwelt- und klimarelevante Qualitätsstandards im Lebensmitteleinzelhandel, die das Umweltbundesamt im September veröffentlicht hat.

Sprich: Obst und Gemüse mit einwandfreiem Geschmack wird massenhaft entsorgt, vor allem wegen der von den Lebensmittelketten festgelegten Standards. Laut Bundesernährungsministerium werden jährlich nach der Ernte 1,4 Millionen Tonnen Lebensmittel zu Abfällen. Während der Verarbeitung kommen weitere 2,2 Millionen Tonnen dazu.

„Nachfrage steigt stetig“

Es gibt einzelne Händler, die dagegen angehen. Aber auch Initiativen bei den großen Konzernen. Aldi Süd vermarktet seit 2017 „Krumme Dinger“ zu einem reduzierten Preis. „Der Test ist sehr erfolgreich verlaufen“, sagt Aldi-Sprecherin Carolin Sunderhaus. Allerdings räumt sie ein, dass „krumme Möhren“ wieder aus dem Angebot genommen wurden und nur noch Äpfel mit Schönheitsfehlern angeboten werden.

Bei Penny werden unter der Marke „Naturgut Bio-Helden“ je nach Saison bis zu 24 unterschiedliche Obst- und Gemüseartikel in Bioqualität geführt, für die der Kunde auch bei „kleinen Form- oder Schalenfehlern“ den normalen Preis zahlt. „Das Angebot wird von unseren Kunden gut angenommen, die Nachfrage steigt stetig“, sagt Rewe-Sprecherin Kristina Schütz.

Kaufland verkauft lose Äpfel, Karotten und Kartoffeln mit optischen Mängeln als „Die etwas Anderen“ und spricht von „extrem positiver“ Resonanz. Genaue Absatzzahlen nennt kein Konzern. „Reichweite und Relevanz dieser Ansätze sind bislang noch als marginal zu bewerten“, lautet das Urteil des Umweltbundesamtes. Es empfiehlt dem Handel, seine Standards zu entschärfen – bislang schaffen es kleine Blumenkohlköpfe nicht ins Ladenregal, weil sie nicht nach Gewicht, sondern pro Stück verkauft werden.

Pigors verkauft ihre Ware auch auf einem Wochenmarkt und erklärt dort, warum Zitronen oft grün aussehen oder Kohlrabis unterschiedlich groß sind. „Im Gespräch lassen sich Kunden überzeugen“, sagt Pigors. Das reiche jedoch nicht aus: „Ernährung muss in der Bildung eine größere Rolle spielen. Und es muss mehr dafür getan werden, dass regionale Lebensmittel nicht von billigerem Obst und Gemüse von weit weg verdrängt werden, deren Anbau und Transport die Umwelt belastet.“

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15 Kommentare

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  • Für Ein-Personen-Haushalte wie mich sind kleine Salatköpfe, Sellerieknollen, Blumenkohlköpfe und generell stückweise erhältliche Sorten wünschenswert. Insbesondere bei schnell verderblichen Dingen.Da ich autofrei bin und auf meinen täglichen Wegen leider keinen Gemüsehändler habe, der eine entsprechende Auswahl hat, muss ich entweder große Stücke oder Verpackungseinheiten kaufen und davon dann einen guten Teil wegwerfen oder ganz darauf verzichten.

    • @Grummelpummel:

      Also ich muss auch in der Regel "größere Einheiten" kaufen, aber auch als 1Personenhaushalt: weg wefen muss ich selten was: da ist gescheite Planung alles!

      • @danny schneider:

        Prinzipiell richtig, aber es gibt einfach Obst und Gemüse, das sich nur ein paar Tage gut hält. Bei Zitronen beispielsweise ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass mindestens eine aus dem Netz nach wenigen Tagen schimmelt. Bei Kopfsalat ist es reine Glücksache, wie schnell der im Gemüsefach des Kühlschrankes gammelt. Selbstverständlich schaue ich darauf, dass ich verbrauchsnah einkaufe, aber manche Sachen verwende ich halt nicht jeden Tag.

  • Wo der Artikel drum herum redet, ist der Preis.

    Natürlich will ich nicht für einen winzigen Blumenkohl,, Salatkopf oder Kohlrabi denselben Preis bezahlen wie für einen doppelt so großen.

    • @rero:

      Der Preis ist ein anderes Problem: Niedriglöhne, sinkende Realeinkommen bis zur obersten Mittelschicht, immer schneller wachsender Reichtum ganz oben.

      Bitte, das muss man trennen! Produkte müssen kosten, damit die Erzeuger davon leben können, vor den globalen Märkten und großen Konzernen geschützt sind und die Natur pfleglich und nachhaltig behandelt wird.

      Und das niemand auf sein Steak auf dem Grill verzichten muss, müssen die erwirtschafteten Gewinne anders verteilt werden.

      Niedrige Löhne & Renten sind keine Rechtfertigung für billige Lebensmittel. Das ist das Programm von CDU, FDP, AFD,...

      • @danny schneider:

        Wenn in einer Kiste mit Kohlrabis kleine und große liegen, nehmen Sie die kleinen, damit die Erzeuger von leben können?

        Glaube ich nicht.

        Ich spreche hier nicht von Billiglebensmitteln.

        • @rero:

          wenn ich einen kleinen benötige (was meist der Fall ist), dann nehme ich den kleinen. Kohlrabi sind auch unproblematisch...

          Was ich aber schon oft hatte waren Biotomaten die rasant schimmelten und gerade letzten Herbst: Kürbise.



          Da habe ich extra Bio gekauft und das Ding war nach 3 Tagen Müll. Kann mir auch keiner erzählen das im Inneren da nicht schon beim Kauf eine Menge Schimmel war - ggf. nicht mit dem Auge zu erkennen, außen schon gar nicht. Aber diese Art "Qualität" ist ein NoGo. Ich erwarte von Bio eigentlich beim Kauf einwandfreie Ware. Gerade weil es teurer ist!

          • @danny schneider:

            Ihr Bio-Problem kenne ich auch.

            Ich kann nicht sagen, ob es wirklich daran liegt, dass das Obst/Gemüse weniger gespritzt ist, oder ob es nur einfach länger im Laden liegt.

            Sollte es so sein, ist es ja eigentlich das, was man wollte. Ärgerlich ist es trotzdem.

            • @rero:

              Ich versuche auch darauf zu achten möglichst nur aus Deutschland oder eher nahes europäisches Umland zu kaufen.



              Naher Osten, Südamerika muss nicht sein und auch z.B. Knoblauch auch China geht mir oft schneller ein als der heimische. Da nützen mir die paar Cent Ersparnis auch nix wenn ich dann 20-30% wegwerfen muss

  • Bei Obst und Gemüse spielt das Aussehen meist die entscheidende Rolle, auch bei Käufern von Bioware“

    Das ist richtig und Falsch - eine krumme Gurke ist mir wurscht, aber nach meiner Erfahrung verdirbt Bio um Welten schneller als konventionell - Tomaten z.B. teils nach 2 Tagen.

    Ich gehe nur 1 mal die Woche einkaufen. Ich wohne nicht in der Stadt, ich habe keinen Markt von der Nase, ich brauche Qualität wo ich Donnerstags einkaufen kann und dann Sonntags keinen Klumpen Schimmel in der Schale liegen habe...

    • @danny schneider:

      Also ich kaufe nur Bio ein, lebe zumindest unter der Woche auch alleine und habe nie Probleme mit damit, dass mir das Obst oder Gemüse vergammelt....kleine Tip: die richtige Lagerung ist sehr wichtig, nicht alles sollte man in den Kühlschrank oder in die Obstsschale legen, einfach mal für jedes Lebensmittel googlen, das macht schon viel aus

  • Danke für diesen Beitrag und bitte mehr davon damit der Irrsinn der Lebensmittelvernichtung auch angesichts der Hungersnöte in dritte Welt Staaten aufhört.



    Mir ist die krumme Gurke lieber weil sie natürlich ist aber solange, wie in einer Umfrage festgestellt die Farbe und das Aussehen von Erdbeeren an erster Stelle der Qualitätsbeurteilung steht.... arme Menschheit

  • Das Wegwerfen von guten Lebensmitteln ist ein Armutszeugnis einer reichen Gesellschaft.

    • 0G
      05344 (Profil gelöscht)
      @Argonaut:

      Da haben Sie recht.

      P.S. Sehr schönes Profilbild. Ist das eine Zucchiniblüte? ... die kann man - soweit ich weiß - panieren oder und frittieren ... auf jeden Fall sehr lecker :-)

      P.P.S. Lieber (Hardcore)VeganerInnen und LebensmittelschützerInnen, ihr müsst mal wieder stark sein...

      www.youtube.com/watch?v=yHQ-FkiP5Ws

      Russian Honey Cake – Food Wishes

      Chef John ist der Beste! :-)

      • @05344 (Profil gelöscht):

        Ja, das ist eine - essbare- Zucchiniblüte!