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Gefängnis für russischen OppositionellenAugenbrauen und Anarchisten

Er habe kein Fenster eingeschlagen und keine Rauchbombe geworfen: Der 27-jährige Doktorand muss trotzdem sechs Jahre in Haft. Ein politisches Urteil?

Er beteuert seine Unschuld: Azat Miftakhov bei einer Anhörung vor Gericht Foto: picture alliance

Moskau taz | Immer wieder lächelt er seine Mutter an. Schaut nie auf den Richter, der mit zittrigen Händen sein Urteil verliest. Asat Miftachow, 27-jähriger Mathematiker, sitzt mit Handschellen im Aquarium, so nennt sich in russischen Gerichten der gläserne Kasten für Angeklagte. „Sechs Jahre Strafkolonie“, sagt der Richter des Golowino-Bezirksgerichts im Moskauer Norden. Für eine zerbrochene Fensterscheibe. Ein politisches Urteil, beklagen Men­schen­recht­le­r*in­nen im Land.

Asat Miftachow ist Anarchist, das hat er nie bestritten. Bestritten hat er allerdings den Vorwurf, am Silvesterabend 2018 mit seinen Freunden das Bürofenster der Regierungspartei „Einiges Russland“ im Norden Moskaus eingeschlagen und eine Rauchbombe hineingeworfen zu haben. Die Justiz aber befand ihn nun, nach zweijähriger Untersuchungshaft, wegen Rowdytums für schuldig. Miftachow soll als Kopf einer Gruppe „durch Verwendung von Waffen“ gegen die öffentliche Ordnung verstoßen und seine „Missachtung der Gesellschaft“ gezeigt haben.

Das Fenster hätten sie tatsächlich zerbrochen, eine Rauchbombe hineingeworfen und ihre Tat gefilmt, sagen Jelena Gorban und Andrei Eikin, Miftachows Mitangeklagte und ebenfalls Anarchist*innen. Der Mathematiker sei allerdings nicht dabei gewesen, sie hätten ihn ohnehin nur flüchtig gekannt, betonte Gorban immer wieder vor Gericht. Sie bekam vier Jahre auf Bewährung, Eikin zwei. Die beiden hatten die Tat bereits nach ihrer Festnahme im August 2018 gestanden und den Schaden von umgerechnet 540 Euro zum Teil übernommen.

Miftachow wurde erst im Februar 2019 beschuldigt. Ein Zeuge namens „Petrow“ wollte ihn nach einem Jahr erkannt haben und soll gesagt haben: „Diese ausdrucksstarken Augenbrauen vergisst man nicht.“ Während der Verhandlung ist „Petrow“ nie aufgetaucht. Das Gericht erklärte, er sei gestorben.

Als terroristische Gefahr eingestuft

Wis­sen­schaft­le­r*in­nen setzten sich für den jungen Mathematiker der Moskauer Staatsuniversität ein und forderten seine Freilassung, Stu­dierende solidarisierten sich mit ihm und manche nahmen in Kauf, exmatrikuliert zu werden.

Die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ sieht in Miftachow einen politischen Gefangenen. Laut seiner Anwältin und Be­ob­ach­te­r*in­nen der russischen Haftaufsichtskommission wurde er bei Befragungen unter Druck gesetzt und gefoltert. Bis zuletzt hatte der Doktorand die Vorwürfe bestritten.

Miftachow war bereits vorbestraft. Im Mai 2017 hatte er mit Freun­d*in­nen in Moskau zwei Videokameras eingeschlagen und einen Polizisten mit Pfefferspray verletzt. Dafür gab es zwei Monate Hausarrest und eine Geldstrafe von 500 Euro. Für die Justiz gilt Miftachow seitdem als terroristische Gefahr. Neben anderen Gruppierungen, die sich abseits der russischen Machtstrukturen organisieren, geraten An­ar­chis­t*in­nen oft in den Blick des Geheimdienstes FSB. Men­schen­recht­le­r*in­nen sagen: An Miftachow will der Staat ein Exempel statuieren. Seine Anwältin will in Berufung gehen.

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