Von der Demo in die Zelle: Gewahrsam war nicht rechtens
Demonstranten gegen einen AfD-Parteitag in Braunschweig wurden zu Unrecht festgesetzt. Das Gericht hat jetzt seine eigene Entscheidung korrigiert.
Vier Nazigegner aus Braunschweig, Goslar und Wanzleben waren bereits am frühen Morgen auf den Beinen. Gegen acht Uhr versuchten sie, in der Nähe einer Kleingartenkolonie zu einem Kundgebungsplatz zu gelangen. Die dort postierten Polizisten besprühten die Demonstranten mit Reizgas, rangen sie zu Boden und verbrachten sie anschließend in Gewahrsam.
Nach Vorführung bei einem Braunschweiger Amtsrichter wurde in allen Fällen ohne Einzelfallprüfung Gewahrsam bis 18 Uhr angeordnet. Doch diese freiheitsentziehenden Maßnahmen waren von Anfang an rechtswidrig, wie aus in dieser Woche veröffentlichten Beschlüssen des Amtsgerichts Braunschweig hervorgeht.
Nach Auffassung der mit der Beschwerde betrauten Kammer war dem Polizeibericht kein individuelles Verhalten der Betroffenen zu entnehmen, das eine Freiheitsentziehung hätte begründen können. Die von der Polizei behaupteten Straftaten, nämlich Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und schwerer Landfriedensbruch, würden konkret nicht benannt. Der Versuch, auf eine bestimmte Straße zu gelangen, sei mit Blick auf den hohen Rang der Freiheit der Person nicht ausreichend, um mehrstündigen Freiheitsentzug zu begründen.
Anwalt pocht auf Schmerzensgeld
Das Amtsgericht Braunschweig habe am fraglichen Tag selbst als Kontrollinstanz für polizeiliche Freiheitsentziehungen versagt, ärgert sich der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der die vier Nazigegner vertritt. Diese seien verletzt, zu Unrecht festgesetzt und rechtswidrig eingesperrt worden.
Immerhin sei es erfreulich, dass dieser Fehler durch das Gericht selbst nachträglich korrigiert worden sei. Gegenüber der Polizei will Adam für die vier Betroffenen nun jeweils Schmerzensgeld erstreiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“