: Toxische Mischung am rechten Rand
Baden-Württemberg lässt die Querdenker als erstes Land vom Verfassungsschutz beobachten
Von Benno Stieber, Stuttgart
Es mag ein wenig dem heraufziehenden Landtagswahlkampf geschuldet sein, dass Thomas Strobl der Erste sein wollte, der die Querdenker ins Visier nimmt. Jedenfalls verkündete der baden-württembergische Innenminister am Dienstag der Presse: „Die fortgeschrittene Radikalisierung der Querdenker-Bewegung macht eine Beobachtung ihrer Organisationsebene durch das Landesamt für Verfassungsschutz unabdingbar.“
Damit trifft Baden-Württemberg schon vor der Innenministerkonferenz der Länder am Donnerstag eine Entscheidung, die dort erst beraten werden soll. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft nach Meldungen des Spiegel, die Querdenken-Bewegung zu beobachten. Es sei wegen einer angekündigten Demonstration zu Silvester in Berlin alarmiert, für die unter Rechtsextremisten und Reichsbürgern massiv geworben werde.
Dass die Baden-Württemberger nun vorangehen, liegt vor allem daran, dass der Ursprung der Bewegung im Südwesten liegt. „Querdenken 711“, benannt nach der Stuttgarter Vorwahl, wurde von dem Unternehmer Michael Ballweg gegründet. Die Gruppierung organisierte schon im Frühjahr große Proteste gegen die Coronamaßnahmen. Ballweg war vor zwei Wochen bei der Wahl zum Stuttgarter Oberbürgermeister angetreten, hatte allerdings im zweiten Wahlgang gerade einmal 1,2 Prozent der Stimmen erreicht.
Vor Kurzem hatte Strobl den Innenausschuss des Landtags über die Querdenken-Bewegung informiert. Damals sprach er von einer toxischen Mischung „aus Reichsbürgern, Selbstverwaltern, Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern, die die Demonstranten unterwandern und instrumentalisieren“.
Nun kommt also die offizielle Beobachtung. Mehrere maßgebliche Akteure der Quer-denken-Bewegung ordnet das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg dem Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zu. Insgesamt lägen bei der Querdenken-Gruppierung aus dem Stuttgarter Raum „hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung vor“, erklärten Strobl und die baden-württembergische Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube zur Begründung des Schritts. „Zusehends weicht der legitime Protest gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie einer grundsätzlichen Staats- und Politikfeindlichkeit in bedenklichem Ausmaß.“ Hinzu komme die überregionale Zusammenarbeit mit anderen extremistischen Akteuren. Der Minister wies dabei auch auf verstärkte Anleihen bei dem antisemitischen und rechtsextremen US-Verschwörungsmythos QAnon hin.
Die Maßnahmen der Behörde richteten sich ausschließlich gegen die Führungsebene der Querdenker, betont Strobl, nicht gegen die Teilnehmer der Proteste. Diese seien „in ihrer Mehrheit keine Extremisten“.
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