Zustimmung zum Brexit-Deal: Britisches Unterhaus sagt yes!

Die Abgeordneten haben am Mittwoch mit klarer Mehrheit für den Handelsvertrag mit der EU gestimmt. Auch Brexit-Hardliner stimmten zu.

Premierminister Boris Johnson

Premierminister Boris Johnson sprach sich im Parlament für das Handelsabkommen aus Foto: Jessica Taylor/UK Parliament/ap

LONDON taz | Nach neuneinhalb Monaten der Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen mit der EU blieben Großbritanniens Parlament am Mittwoch nur fünf Stunden.

Fünf Stunden für eine Sondersitzung zum neuen Handelsvertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU, in denen sich die Gemüter noch einmal zum Thema Brexit erhitzten. Das Abkommen wurde schließlich mit 521 zu 73 Stimmen verabschiedet. 36 Labour-Abgeordnete enthielten sich ihrer Stimme, drei von ihnen traten deswegen von ihren Frontposten zurück. Die grüne Caroline Lucas stimmte gegen das Abkommen. Das Oberhaus sollte im Laufe des Tages ebenfalls votieren – auch hier wurde Zustimmung erwartet.

Viele Abgeordnete schalteten sich aufgrund der Pandemie digital zu. Zum Auftakt der Debatte empfahl Premierminister Boris Johnson das Handelsabkommen dem Parlament. Mit dem Deal übernehme Großbritannien wieder die „Kontrolle über unsere Gesetze, Grenzen, Gelder und Gewässer“. Die Brit*innen würden nun „freundliche Nachbarn werden, ja der beste Freund und Verbündete, den die EU haben könnte“, sagte er weiter.

Der Premier beschrieb die neue Beziehung als eine zwischen souveränen Gleichberechtigten, die in Freundschaft, Handel, Geschichte, Interessen und Werten miteinander verbunden seien, während beide Seiten zugleich ihre Handelsfreiheit respektierten.

Auch Brexit-Hardliner stimmt zu

Bereits am Vortag war klar, dass die Mehrheit der konservativen Abgeordneten dem Vertrag zustimmen würde, nachdem die Gruppe der konservativen Brexit-Hardliner, der European Research Group (ERG), dem Vertrag ihre Zustimmung gegeben hatte. Unter ihnen ist auch einer der damaligen Hauptrebellen gegen den Vertrag von Maastricht im Jahr 1992, der 80 Jahre alte konservative Abgeordnete und Anwalt Sir Bill Cash.

Dieser sprach sich nicht nur für das Abkommen aus, er verglich Johnson im Unterhaus mit niemand Geringeren als Alexander dem Großen und Winston Churchill. Die Gruppe urteilte zwar, dass mit den eingefügten Wettbewerbsklauseln zu verhindern versucht werde, dass sich das Vereinigte Königreichs zu weit von EU-Linie entferne. Aber eine robuste britische Regierung könne sich dem stellen.

Als schließlich die ehemalige Premierministerin Theresa May zu Wort kam, betonte sie, dass sie zwar das Abkommen befürworte – Souveränität jedoch bedeute nicht das gleiche wie Exzeptionalismus und Isolation. „Großbritannien muss eine Rolle in der internationalen Ordnung spielen“, forderte sie.

Premier Johnson weigerte sich wiederholt, Fragen zum Schicksal des Finanzsektors zu beantworten. Dieser macht 80 Prozent der britischen Wirtschaft aus. Viele Kritiker*innen sagen, das Abkommen beinhalte nicht genügend Rechte und Schutz für den Sektor. Nicht nur von der oppositionellen Labourpartei und der Schottischen Nationalpartei (SNP) kamen entsprechende Fragen, sondern auch von konservativen Abgeordneten wie May.

„Dieser Deal oder keiner“

Oppositionsführer Keir Starmer gab an, dass die Wahl der Parlamentarier*innen eine ganz einfache sei, egal wie proeuropäisch jemand sei: entweder für diesen Deal oder für einen No-Deal. Die Aussichten auf ein anderes Abkommen innerhalb der nächsten 24 Stunden bestünden nicht. Dass es zeitlich so knapp wurde, bezeichnete er als Versagen. Trotz Kritik an dem Abkommen im Bereich Handel und Sicherheit werde Labour sich hinter das Abkommen stellen.

Der SNP-Fraktionssprecher im Unterhaus, Ian Blackford, betonte, dass der Brexit entgegen dem Willen der Mehrheit in Schottland geschehe und das Ziel seiner Partei, die schottische Unabhängigkeit und der Wiederbeitritt zur EU, nun gestärkt werde. „Am Tisch der EU ist ein Sitz frei. Er wird nicht lange frei sein“, beendete er seine Ansprache. Auch die nordirische protestantische DUP stellte sich in Westminster gegen den Vertrag.

SNP-Fraktionssprecher Ian Blackford

„Am Tisch der EU ist ein Sitz frei. Er wird nicht lange frei sein“

Ein Jet der Royal Air Force sollte den von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel am Mittwochmorgen unterschriebenen Vertrag am Abend nach Großbritannien fliegen. Bis Donnerstagabend wird der Vertrag von Johnson und der Beschluss des Parlaments von der Queen im Eilverfahren unterzeichnet, damit das Abkommen vor Ablaufen der Übergangszeit am 31. Dezember um Mitternacht in Kraft getreten ist.

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