piwik no script img

Deutsche Kader für die Handball-WMZeit für Experimente

Der Handball-Bundestrainer Alfred Gislason nominiert den deutschen WM-Kader. Trotz etlicher pandemiebedingter Absagen rechnet er sich etwas aus.

Besonders gefragt: Paul Drux soll in der gelichteten Verteidigung für Stabilität sorgen Foto: Jörg Carstensen/dpa

„Was ist denn jetzt?“ Diese Frage geisterte Alfred Gislason in den vergangenen Wochen durch den Kopf, wenn das Handy klingelte und auf dem Display der Name eines Nationalspielers auftauchte. Die Sorge vor weiteren schlechten Nachrichten erfasste den Isländer. In den zurückliegenden Tagen kamen aber keine weiteren hinzu, sodass der 61-Jährige am Montag bemüht war, Optimismus auszustrahlen. Der erfahrene und hochdekorierte Handballlehrer steht vor seinem ersten großen Turnier als Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft – und muss zeigen, dass er flexible Lösungen finden kann.

Es ist gerade nicht einfach, den Blick in die Zukunft zu lenken. Am Montag gab Bundestrainer Gislason bekannt, mit welchen 20 Spielern er in die Handball-Weltmeisterschaft im Januar in Ägypten starten möchte. Mehr Beachtung fand aber weiterhin, wer nicht dabei sein wird. Vor allem um vier Akteure, die aus persönlichen Gründen in Zeiten einer Pandemie ihren WM-Verzicht erklärt hatten, drehte sich das Interesse. Einiges erinnert in den Wochen vor dem Jahreshöhepunkt der Handballer an die Situation vor fünf Jahren.

„Wir haben mit dem Innenblock den Teil der Mannschaft verloren, der weltweit den größten Respekt genossen hat“, sagte Axel Kromer, der Vorstand Sport des Deutschen Handballbundes (DHB). In den zurückliegenden Jahren war die Formel für deutschen Erfolg recht simpel: Mit einer starken Deckung und guten Torhütern kämpften die Deutschen um den Anschluss an die Weltspitze.

Es ist deshalb nachvollziehbar, dass die Absagen von Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek (beide THW Kiel) und Finn Lemke (MT Melsungen) zunächst erschrecken, denn diese drei bildeten in der Vergangenheit erfolgreich die defensive Zentrale. Die Abwehr-Spezialisten hatten neben Steffen Weinhold (THW Kiel) wegen der Coronapandemie die WM-Teilnahme abgesagt.

Neuling als Fixpunkt

„Wir sind gezwungen zu experimentieren“, sagte Gislason nach der Nominierung der 20 Akteure. In der Liste des Isländers gab es keine Überraschungen. Es war abzusehen, dass Sebastian Firnhaber vom HC Erlangen erstmals dabei sein würde, weil er im Klub sehr gute Leistungen im Innenblock zeigt und Gislason zudem schon aus seiner Zeit beim THW Kiel kennt.

Der Neuling weiß, was der Bundestrainer erwartet und dürfte deshalb zum Fixpunkt in der Deckung werden. Mit Johannes Golla von der SG Flensburg-Handewitt, Marian Michalczik, Paul Drux (beide Füchse Berlin) sowie Christian Dissinger (Vardar Skopje) hat Gislason weitere Spieler, die schon Erfahrungen in der Abwehr-Zentrale gesammelt haben.

Das Niveau der etablierten Kräfte haben sie allesamt nicht, doch Gislason strich bewusst auch die Chance heraus, die sich automatisch ergeben. „Ich hoffe, dass sie Erfahrungen sammeln, die uns als Nationalmannschaft und ihnen persönlich für ihre Karrieren helfen“, sagte der Isländer. Die zuletzt obligatorische Ziel-Vorgabe bei großen Turnieren relativierte Gislason trotzdem: „Eigentlich ist das Halbfinale das Ziel, aber ich glaube nicht, dass das realistisch ist. Erst einmal.“ Der Nachsatz verdeutlicht, dass Gislason an die Möglichkeiten seines Kaders glaubt.

Lemke und Pekeler waren vor fünf Jahren international unbekannte Spieler, ehe sie während der Europameisterschaft in Polen zu Stars aufstiegen. Vor dem unerwarteten EM-Triumph der deutschen Mannschaft hatte es ebenfalls Absagen gegeben. Die Erwartungshaltung war vor dem Turnier gering. Zu einem nicht zu unterschätzenden Vorteil während des kräftezehrenden Turniers in Ägypten könnte die Tatsache werden, dass viele deutsche Spieler mit ihren Klubs nicht im Europapokal vertreten sind.

Der Bundestrainer wird fortan versuchen, die positiven Aspekte in den Vordergrund zu schieben. „Vor uns liegt viel Arbeit“, sagte Alfred Gislason, doch der Isländer wirkte überzeugt von den Chancen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!