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Tübingens Crash-Kurs fürs Klima

Sonderlich populär sind viele der Klimaschutz-Maßnahmen in der Stadt nicht

Tübingen mit seinen 90.000 EinwohnerInnen plant eine radikale Kohlenstoff-Diät: So detailliert und ehrgeizig wie keine andere große Kommune in Deutschland sollen die CO2-Emissionen von heute etwa 600.000 Tonnen in zehn Jahren auf 100.000 Tonnen sinken. Dieser Rest soll durch Erneuerbare Energien und die CO2-Aufnahme von Wäldern ausgeglichen werden. Das sieht das „Klimaschutzprogramm 2020–2030“ vor. Alle Maßnahmen sollen daraufhin geprüft werden, ob sie sozial abgefedert werden können und wie die knappen Freiflächen trotz einer wachsenden Stadt erhalten werden können.

Das Konzept sieht Maßnahmen vor allem bei Wärme, Strom und Mobilität vor. Grundsätzlich gilt: Erst einmal soll gespart werden. Energie und Kilometer, den Rest sollen die Erneuerbaren erbringen: Gebäude werden gedämmt und bekommen effiziente Anlagen, Ölheizungen sollen verboten, der Anschluss ans Fernwärmenetz obligatorisch werden und die bisherigen Gasnetze der Stadtwerke auf Öko-Energien umstellen.

Der Stromverbrauch wird sich durch die zusätzliche Nutzung wohl verdoppeln – und soll trotzdem bis 2030 zu hundert Prozent aus Ökostromanlagen kommen. Die Stadtwerke investieren in Windparks außerhalb der Stadtgrenzen. Dazu soll die Ernte beim Solarstrom von Dächern, Fassaden und anderen Flächen mehr als verzehnfacht werden.

Auch beim Verkehr will Tübingen klotzen: Eine „Regionalstadtbahn“ soll von außen in die Innenstadt fahren, Busse und Bahnen sollen kostenlos werden, die dafür nötigen etwa 15 Millionen Euro soll eine drastische Ausweitung und Erhöhung der Parkgebühren einbringen. Die Busflotte soll ausgebaut und auf Batterie- oder Wasserstoffantriebe umschwenken, die Innenstadt Vorrangzone für Rad und Fußgänger werden. 1.000 elektrische Car-Sharing-Autos sollen in der City die jetzigen 15.000 Privat-Pkws ersetzen.

Den Planern ist aber auch klar: Populär sind viele dieser Maßnahmen nicht. „Akzeptanz gering bis mittel“ steht an manchen Vorschlägen, sie warnen vor „erheblichem Aufwand und Konfliktpotenzial“, wenn es darum geht, Haushalte zur Fernwärme zu zwingen oder die Stellplätze für Autos vier- bis zehnmal so teuer zu machen.

Allerdings braucht Tübingen für alle diese Pläne Hilfe vom Land und vom Bund: Die Uni-Stadt wäre gern „Klimaschutz-Modellkommune“ mit viel Geld und juristischem Spielraum. Pro Jahr braucht der Kurs zur Klimaneutralität Investitionen von etwa 100 Millionen Euro (bei einem kommunalen Haushalt von 285 Millionen). Außerdem benötigt Tübingen juristische Schützenhilfe, etwa beim Verbot von Ölheizungen oder bei der Solarpflicht, das sind bislang juristische Grauzonen.

Bernhard Pötter

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