: Einer zündelt, viele gucken
Die Innendeputation hat sich mit Mobbing und rechten Chats bei der Feuerwehr beschäftigt. Der Frage nach der Verantwortung weicht die Führung weiter aus
Von Lotta Drügemöller
Schockiert sind sie alle, bei der Sondersitzung der Innendeputation: „Abstoßend“ seien die Geschichten über rechtsextreme Posts in den Whatsapp-Chats mehrerer Feuerwehrwachen, „ekelhaft“ die bekannt gewordenen Vorwürfe über Mobbing und Gewaltfantasien gegenüber einer Kollegin mit Migrationshintergrund.
Unklar ist jedoch weiter, für wie viele Feuerwehrleute die Vorgänge Konsequenzen haben werden: Bei der Bremer Berufsfeuerwehr ist man verbeamtet. „Wenn man strafrechtlich nicht weiterkommt, gibt es auch größte Schwierigkeiten für disziplinarrechtliche Ermittlungen“, dämpft Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die Erwartungen. Bisher läuft nur ein Ermittlungsverfahren gegen den hauptbeschuldigten Chat-Teilnehmer.
Strafrechtlich relevant sind viele der Vorfälle nicht: Die Beleidigungen könnten zwar verfolgt werden, seien aber verjährt, sagte Mäurer. Und die Tonaufnahmen, in denen Feuerwehrleute planten, die lesbische Kollegin mit Migrationshintergrund gemeinsam zu verprügeln, wurden illegal mitgeschnitten – als Beweismaterial vor Gericht sind sie somit ungeeignet.
Die Ermittlungen konzentrieren sich deshalb auf die rechtsradikalen Whatsapp-Posts; Denkbar sind grundsätzlich Anklagen wegen Volksverhetzung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Doch da die Chats bisher nur bis 2015 vorliegen, droht auch hier Verjährung. Die Hoffnung liegt auf den PCs und Mobiltelefonen, die bei der Hausdurchsuchung eines Feuerwehrmanns am Dienstag eingezogen wurden. Zumindest Versetzungen scheinen eine Möglichkeit: „Diese Mannschaft, so wie sich präsentiert hat, kann so nicht zusammenbleiben“, sagte Mäurer.
Das Schlimme sei nicht nur, dass Einzelne sich an den Hass-Posts beteiligt hätten; schockierend sei vor allem, dass in den Whatsapp-Gruppen ein Dutzend anderer Mitglieder nichts gesagt habe. „Wer so was anspricht, kann davon ausgehen, dass man am nächsten Tag den schlechtesten Platz bekommt in der Wache“, spekuliert Mäurer.
Ändern müsse sich deshalb die ganze Kultur in der Bremer Feuerwehr, so weit ist man sich einig. Der wichtigste Vorschlag dazu: Eine Beschwerdestelle müsse her, und zwar, so Sophia Leonidakis (Die Linke), „eine unabhängige“, ähnlich der, die jetzt mit dem Polizeibeauftragten im Polizeigesetz geschaffen wird. Selbst die FDP fragt den Innensenator nach dieser Möglichkeit. Der betont, dass man schon bei der Einstellung in Zukunft mehr auf rechte Einstellungen achten müsse.
Dass bei der Einstellungspraxis auch sonst noch einiges verändert werden könnte, findet Leonidakis. Nur zwei Prozent der Bremer Feuerwehrleute seien Frauen, betont sie. Die Frage, ob es ein Diversity-Management gebe, bleibt unbeantwortet. Eher betont der Innensenator, wie glücklich doch viele Frauen bei der Bremer Feuerwehr seien.
Ulrich Mäurer, Innensenator
Ein großes Problem scheint die Kommunikationskultur in der Feuerwehr zu sein. Seit Donnerstag gibt es für Feuerwehrleute eine Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse, unter der sie ihre Erfahrungen mit Mobbing und rechten Strukturen mitteilen können. „Es wurde uns jetzt durchaus gemeldet, dass es schwer war, solche Vorgänge offen nach oben zu kommunizieren“, sagt Ulrich Mäurer. „Dass da Vorgesetzte einen Deckel drauf gemacht haben, dafür spricht einiges.“
Ein Vorgesetzter, eine Ebene unter Innensenator Mäurer, ist in der Sondersitzung der Innendeputation bereits vor Ort. Doch der bisherige Feuerwehrchef Karl-Heinz Knorr lässt die Fragen an ihn ins Leere laufen: Von einer sogenannten „Strafwache“, auf die man bei Fehlverhalten versetzt werde, habe er noch nichts gehört; sicher seien das Gerüchte unter Feuerwehrleuten, „ähnlich wie in der Schule über bestimmte Lehrer“.
Auf die Frage, inwiefern er Verantwortung trage und wie er die Dienstaufsicht geführt habe, erzählt er, dass er jedes Jahr mit jeder Fachabteilung zweistündige Gespräche geführt habe. „Auch Vier-Augen-Gespräche kamen vor“, so Knorr. Allzu viel gesagt wurde ihm dabei scheinbar nicht, mehrfach betont Knorr sein Unwissen. „Herr Knorr trägt keine Schuld“, zitiert auch die Sonderermittlerin Karen Buse aus Gesprächen mit Feuerwehrleuten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen