Unruhen in Uganda: Blut fließt in Kampala
In Uganda steigt die Zahl der Toten nach dem blutigen Vorgehen der Polizei gegen Anhänger des Oppositionellen Bobi Wine. Der Wahlkampf steht still.
Erst waren es 16 Tote, dann 28, dann 37. Bis Sonntag früh stieg die Zahl der Opfer des Vorgehens von Polizei und paramilitärischen Kräften gegen oppositionelle Demonstranten und Jugendliche ab Mittwoch in Uganda sogar auf 58; 49 davon liegen in der städtischen und der universitären Leichenhallen von Kampala, die anderen starben außerhalb der Hauptstadt. Hunderte von Verletzten liegen in Krankenhäusern.
Die blutigsten Unruhen in Uganda seit vielen Jahren stellen nun die Wahlen im Januar 2021 in Frage, bei denen der 76-jährige Präsident Yoweri Museveni nach dann 35 Jahren an der Macht erstmals einem ernstzunehmenden Gegenkandidaten aus der unter seiner Herrschaft aufgewachsenen Generation gegenübersteht.
Der 38 Jahre alte Musikstar Bobi Wine, mit bürgerlichem Namen Robert Kyaluganyi, Führer der NUP (National Unity Party), war am Mittwoch zum wiederholten Male von der Polizei bei einer Kundgebung festgenommen worden, ebenso an einem anderen Ort der Kandidat der größten Oppostionspartei FDC (Forum for Democratic Chage), Patrick Amuriat. Das löste landesweite Proteste aus – vor allem, als Gerüchte die Runde machten, Bobi Wine sei tot.
Mit massiver Gewalt ging die Polizei vor allem in der Hauptstadt gegen randalierende Jugendliche vor, die Straßensperren aus brennenden Reifen errichteten. Auf Videos sind bewaffnete Uniformierte sowie in deren Begleitung Bewaffnete in ziviler Kleidung zu sehen, die mal wahllos, mal gezielt auf Menschen feuern, auch auf Unbeteiligte. Tränengaswolken füllten die Shopping Malls.
Der Wahlkampf ist faktisch ausgesetzt
Am Freitag erklärte die Armee, sie werde ab jetzt mit „präventiven und entschiedenen“ Operationen weitere Unruhen verhindern. Die Polizei sprach in einer Stellungahme von einer „Kampagne“ durch „eine Gruppe von 300 Rädelsführern, die unter Einsatz von Autos und Motorrädern die Verteilung von Autoreifen an Brennpunkte aktiv koordinierten“. 577 Menschen seien festgenommen worden, einige „Rädelsführer“ – darunter gewählte Gemeindevertreter – würden noch gesucht.
Bobi Wine wurde des Bruchs der Seuchenschutzmaßnahmen angeklagt. Seine Wahlkampfkundgebung sei geeignet gewesen, Covid-19 zu verbreiten, hieß es. Ein Richter ließ ihn aber bereits am Donnerstag ohne Kaution frei. Der Wahlkampf ist nun faktisch ausgesetzt, und es mehren sich die Stimmen, auch die Wahlen ganz abzusagen, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Die Regierung lehnt dies ab, verlangt aber einen „wissenschaftlichen“ Wahlkampf – also einen ohne Kundgebungen.
Der Präsident macht Homosexuelle verantwortlich
„Wir haben Aids und Ebola besiegt, wir können auch Corona besiegen, wenn die Leute sich an die Schutzmaßnahmen halten“, schrieb Präsident Museveni auf Twitter. Für die Proteste hatte er zuvor Anstiftung aus dem Ausland, beispielsweise durch Homosexuelle, verantwortlich gemacht und die Opposition gewarnt: „Wer unsere Unterstützer angreift, wird den Geschmack dafür verlieren. Ihr begebt euch auf ein Terrain, auf dem wir die Experten sind. Lasst die Finger davon!“
In einer gemeinsamen Erklärung verkündeten sämtliche Oppositionskandidaten, sich im Wahlkampf zusammenzuschließen. „Wir werden davon absehen, uns gegenseitig anzugreifen“, erklärten sie. „Wenn einer von uns festgenommenen, belästigt oder misshandelt wird, werden wir alle in Solidarität zusammenstehen. Wir kämpfen an unterschiedlichen Fronten, aber unsere Sache ist die gleiche.“ Am Samstag und Sonntag wurde in Kampalas Kirchen für die Toten gebetet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!