Lagerkämpfe in der Bremer AfD: Neues aus dem Kindergarten
Erneut muss sich das Landgericht mit internen Querelen der Bremer AfD befassen: Deren Mitglieder bezichtigen sich gegenseitig des Rechtsextremismus.
Konkret ging es um folgenden Sachverhalt: Beck, der 2019 den vor allem wegen der „Kantholz-Affäre“ bundesweit berühmt gewordenen Frank Magnitz als Landeschef ablöste, sollte im vergangenen Oktober seinen Posten wieder loswerden – zumindest verlangten das diverse Mitglieder des AfD-Landesverbandes im Rahmen eines „Abwahlantrages“, unter anderem initiiert von Magnitz und Thomas Jürgewitz, dem ehemaligen Landesvize und Chef der mittlerweile aufgelösten Bürgerschaftsfraktion. Heute ist Jürgewitz fraktionsloses Bürgerschafts-Mitglied und Magnitz Vorsitzender der Gruppe „Magnitz, Runge, Felgenträger“ (MRF).
Eigentlich waren die beiden sich einst spinnefeind: Nach der Bürgerschaftswahl 2019 hatte der Bundestagsabgeordnete Magnitz, der bei der Wahl auf Listenplatz eins gesetzt war, zwei Mandate inne. Der AfD-Bundesvorstand stellte ihm das Ultimatum, einen der Sitze bis zum 1. September 2019 abzugeben – und auch Jürgewitz hatte ihn damals zum Rücktritt aufgefordert. Er machte Magnitz für das schlappe Wahlergebnis von 6,1 Prozent verantwortlich und warf ihm vor, Parteigelder veruntreut zu haben.
Aber Pack schlägt sich, Pack verträgt sich – zumal, wenn ein gemeinsamer Feind auf der Bildfläche auftaucht. Der hieß Peter Beck. Anlass für die überraschende Einigkeit zwischen Magnitz und Jürgewitz war dessen Schatzmeister Mertcan Karakaya. Gemeinsam mit Uwe Felgenträger und Mark Runge forderten die beiden im November 2019 dessen Ausschluss aus dem Landesverband. Grund war ein Foto, das in den sozialen Medien die Runde gemacht hatte. Darauf war Karakaya mit Mitgliedern des rechtsextremistischen Vereins „Phalanx 18“ bei einer AfD-Wahlkampfaktion zu sehen.
Beck aber hielt an seinem Schatzmeister fest: Er erklärte, dass Karakaya nicht gewusst habe, wer die Personen sind. Als er und auch ein weiteres Mitglied der AfD festgestellt hätten, um wen es sich da gehandelt hatte, hätten sie das Wahlkampfplakatieren abgebrochen. „Das war eine einmalige Sache“, so Beck damals über den Kontakt. „Wir distanzieren uns als AfD grundsätzlich von Neonazis.“
Magnitz, Jürgewitz und deren AnhängerInnen reichte das nicht. Sie wollten Beck und Karakaya weghaben. Der erste Grund, den sie in ihrem „Abwahlantrag“ nannten: Die beiden hätten sich finanzieller Unregelmäßigkeiten zum Nachteil der AfD, der Vorteilsnahme im Amt und der Bestechlichkeit schuldig gemacht – was fast genauso klingt wie das, was Jürgewitz einst Frank Magnitz vorgeworfen hatte. Der zweite Grund: Der Landesvorsitzende und der Schatzmeister förderten und unterhielten Kontakte ins rechtsextreme Milieu. Das allerdings ist in der Bremer AfD nicht ungewöhnlich.
Ungewöhnlich ist eher, dass ausgerechnet Magnitz solche Vorwürfe erhebt. Denn der hatte innerhalb der AfD stets besonders enge Verbindungen zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB) unterhalten. Er steht dem völkisch-nationalistischen „Flügel“ um Björn Höcke nahe und war auf einem Jahrestreffen des „Flügels“ 2018 als Redner angekündigt.
Auch Jürgewitz taucht beim Verfassungsschutz mehrfach in Verbindung mit der IB auf. So äußerte er auf Facebook unter anderem: „Die IB macht mit intelligenten, witzigen, gewaltfreien Aktionen auf Missstände in Deutschland aufmerksam, die allerdings den Gutmenschen missfallen. Denn die IB will die deutsche Identität bewahren.“Und in einer Bürgerschaftsrede bezeichnete er den Kommunismus als „Spitze aller Verbrechen der Menschheit“.
Der „Abwahlantrag“ gegen Beck und Karakaya blieb erfolglos. Aber anstatt es dabei zu belassen, zogen der Landesvorsitzende und der Schatzmeister vor Gericht – das ist seit Jahren ein beliebter Sport der Bremer AfD – um dem Magnitz-Jürgewitz-Lager, in diesem Falle bestehend aus zwanzig Personen, per einstweiliger Verfügung ihre Unterstellungen verbieten zu lassen.
Und dabei blieben sie auch, obwohl Claudia Göhrs, Vorsitzende Richterin am Landgericht, für einen Vergleich plädierte. Denn, so argumentierte sie, nur die Vorwürfe „Vorteilsannahme“ und „Bestechlichkeit“ dürften als Straftatbestände nicht ohne Not unterstellt werden. „Finanzielle Unregelmäßigkeiten“ und „Kontakt in die rechtsextreme Szene“ hingegen seien keine Straftatbestände – zumal Beck umgekehrt ja auch behaupte, dass drei seiner Parteimitglieder zum rechtsextremen „Flügel“ gehörten. „Dieser Vorwurf scheint also auf Gegenseitigkeit zu beruhen“, so Göhrs. Durch einen Vergleich mit gegenseitiger Anerkennung, die justiziablen Äußerungen nicht mehr zu tätigen, könne ein kostspieliges Hauptsacheverfahren vermieden werden.
Wird’s aber nicht. „Mit unseren innerparteilichen Gegnern gibt es keine Vergleichsmöglichkeit“, sagte Peter Beck. Also geht’s am 3. Dezember weiter im Kindergarten der Bremer AfD – beziehungsweise vor dem Landgericht.
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