Umweltschutz in der Sprache: Worte, die blühen
Die Zukunftsdebatte braucht eine andere Sprache. Die Zeit des Start-up-Geschwurbels und Technokraten-Sprechs ist vorbei.
D er Faktor Sprache rückt stärker ins Zentrum der Zukunftsdiskurse. Das zeigen etwa Leitfäden für eine klimagenaue Sprache, die Medien aus den USA und Großbritannien sowie zuletzt die taz verfasst haben. Es ging in dem Papier um ein vielfältigeres Klimavokabular. Doch für eine schöne, genaue und klare Zukunftssprache reicht das nicht. Denn folgenschwerer als ein unpassendes Klimawandel-Synonym ist unsere alltägliche Wortwahl. Auch wenn wir über Umwelt und Natur sprechen und schreiben, klingt es oft ungenau, aufgebläht, sperrig und kalt – so, wie eben die Melange aus Wissenschafts- und Behördendeutsch, Techno-Jargon, Start-up-Geschwurbel und Unternehmens-Sprech ist, die wir uns angewöhnt haben. In der Zeit hat der Kulturwissenschaftler Andreas Bernard unlängst gefragt, warum wir uns alle so ausdrücken, als wenn wir in Bewerbungsgesprächen wären – wir optimieren uns, stellen uns breit auf, wollen im Wettbewerb bestehen.
Sprache macht Welt, das ist nicht neu. Deswegen ist der Anteil der fortwährenden Investment- und Managementkommandos in der Alltagssprache an Phänomenen wie Ich-Gesellschaft, Wettbewerbsfetischismus und Hyper-Eile nicht zu unterschätzen. Die viel zitierte Ökonomisierung aller Lebensbereiche, geschieht auch über und in der Sprache – nur haben wir darüber kaum gesprochen.
Die progressiven Protestbewegungen und die düsteren Klimaprognosen der letzten Jahre unterstreichen, was viele schon lange wussten: Das allseitige Wettbewerbsparadigma, der Fetisch des permanenten Wirtschaftswachstums, ist menschen- sowie erdfeindlich.
Es geht um ein Gesamtsystem, das sich verändern muss. Deshalb ist eine klimagenaue Sprache zwar wichtig, greift aber alleine zu kurz. Die Debatte um Klimasprache muss sich auch um die Gerechtigkeit für Erde und Gesellschaft kümmern – und sich nicht nur darauf beziehen, wie Medien über eine Klimakonferenz verständlicher berichten können. „System change – not climate change“, heißt stattdessen die weltweite Devise in diesem Herbst. Wer Klimagerechtigkeit einfordert, nimmt auch eine kapitalismuskritische Haltung ein. Daher ist es in den öffentlichen Diskursen so wichtig, dem ökonomischen Effizienzgeschwurbel den Stecker zu ziehen. Stattdessen brauchen Mensch und Erde eine Sprache, die blüht, lebt, genau und treffend ist wie auch erhellend und mitreißend.
Wie wichtig eine sprachliche Erneuerung unserer sozialen Beziehungen, unserer Einstellungen gegenüber Natur und Mitmenschen ist, hat Eva von Redecker jüngst in „Revolution für das Leben“ ausgeführt. Eine lebensbejahende Transformation braucht und erzeugt eine Sprache, die auf Teilen, Teilhabe und Pflege ausgerichtet ist – und die uns befreit von technokratischen Sprachspielen, Kriegsmetaphern und kapitalistischer Verwertungslogik. Wie viel schon entglitten ist, hat der Förster Peter Wohlleben verstanden, der im Sachbuch eine andere Sprache wagte – und damit viele neu für den Wald begeisterte.
Ebenso unerwartet war der Erfolg der Naturbücher in den vergangenen Jahren. Die Werke, die unter dem Genre „nature writing“ zusammengefasst werden, verbinden oft wissenschaftliche Fakten mit einer poetischen Sprache und der subjektiven Emotionalität der AutorInnen, die Übersetzer einer leidenden Landschaft und ihrer Menschen sind. Der Erfolg dieser Werke ist ein Erfolg ihrer anderen Sprache. Und ein Zeichen dafür, dass der technokratische Kalt- und Spaltjargon an sein Ende kommt.
Gösta Gantner ist Sozialphilosoph. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitet er an der Universität Heidelberg zu gesellschaftlichen Fragen der Bioethik.
Torsten Schäfer ist Kommunikations- und Politikwissenschaftler. Er arbeitet als Autor, Journalist und Professor für Journalismus und Textproduktion an der Hochschule Darmstadt.
Das Übel der Wirtschaftssprache wird gesteigert durch die vernebelnde Maschinen- und Knopfdrucksprache des digitalen Kapitalismus. Diese Sprache, für die das Wörtchen „smart“ nur ein Beispiel ist, ist die Sprache des „Solutionismus“, wie ihn der Soziologe Oliver Nachtwey beschreibt: Eine Sillicon-Valley-Denke als dominante Allmachtsfantasie, nach der jedes Weltproblem mit einer Technologie gelöst werden kann – eine grobe Vereinfachung der komplexen Beziehungs- und Lebensverhältnisse auf der Welt. Und eine Absage an Demokratie und Kompromiss. Der Solutionismus verdrängt den Staat zugunsten eines Unternehmer-Messias, der allein auf seinen (männlichen) Genius und die kreative Zerstörung (sie nennen es „Disruption“) setzt, die ständig alles ins Wanken bringt.
Dabei heraus kommt die „Selbstoptimierung“, die suggeriert, dass nach einer gezielten Strategie samt Knopfdruck alles besser ist. Da ist kein Platz für Widersprüche, Misserfolge, Kurven, Umwege oder Pausen. Es entstehen Eile, Verdrängung und Wettbewerb mit solchen Worten – ein „agiles“ Denken, um noch eines dieser Schwurbelwörter zu bemühen, das alles vermeintlich Überkommene, Träge, Randständige und Ineffiziente löscht.
Wer Klarheit nicht kann, zaubert Chimären herbei. Ein Scheunentor-Wort wie „smart“ heißt vieles – und nichts: klug, clever, effizient, funktional, fair gar, irgendwie gut und allseits passend, am Ende noch gerecht oder schön. „Smart City“ ist eine Wortschöpfung, die eine neue, ökologisch passende und obendrein menschenfreundliche, bequeme sowie kluge Stadt suggeriert. Aber eben keine kollektive solidarische Stadtgesellschaft, die im Rahmen der Erdgrenzen lebt. Soziale Belange, unmittelbare Erdbezüge oder auch ethische Fragen spielen in diesen Techno-Visionen meist keine große Rolle. Stattdessen sind es die Marketing-Sprachbilder einer problemfrei funktionierenden Zukunftsmechanik, in der Gesellschaft ein Rädchen von vielen ist.
Mit der blühenden Sprache der neueren Naturbücher, der neuen Protestbewegungen und einer revolutionären Philosophie hat dieses Fabulieren wenig gemein. Zum Glück, denn die Zukunftsdebatte braucht eine Sprache, die ohne Lösungsfimmel ästhetische und gestalterisch-nützliche Facetten zusammenführt und gleichsam erfreut wie erklärt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trump erneut gewählt
Why though?
Harris-Niederlage bei den US-Wahlen
Die Lady muss warten
Pro und Contra zum Ampel-Streit
Sollen wir jetzt auch wählen?
Pistorius stellt neuen Wehrdienst vor
Der Bellizismus kommt auf leisen Sohlen
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
Abtreibungsrecht in den USA
7 von 10 stimmen „Pro-Choice“