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Waffenaffäre in Mecklenburg-VorpommernDie Methode Caffier

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Caffier sagt, er habe „arglos“ eine Waffe bei einem Nordkreuz-Mann gekauft. Das weckt Zweifel.

Innenminister Lorenz Caffier (CDU) und seine Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin taz | Lange wollte Lorenz Caffier, der CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, eine einfache Frage nicht beantworten: Hat er bei einem ehemaligen Mitglied der rechten Preppergruppe Nordkreuz eine Waffe gekauft? Monatelang beantwortete seine Pressestelle der taz die Frage mal gar nicht, mal teilweise, offenbar gegenüber der New York Times sogar falsch. Am Donnerstag dann hat Caffier persönlich diese Frage der taz auf einer Pressekonferenz zur Privatangelegenheit erklärt. Das rief bundesweit heftige Kritik hervor. Also entschloss sich Caffier zu einem Interview und sagte dem Spiegel auf die Frage, ob er diese Waffe gekauft habe: „Ja, habe ich.“

Caffiers Antwort wirft nun noch mehr Fragen auf. Darüber, ob er, der Chef der Landespolizei und des Verfassungsschutzes, versucht hat, die Verstrickungen Rechtsextremer in die Sicherheitsbehörden des Landes, aufzuklären. Wie erpressbar es ihn machte, jahrelang diesen Kauf geheimhalten zu wollen.

Am Ende zeigt eine private Pistole, wie fehlende Aufklärung, Halb- und Unwahrheiten dazu führen, dass der Nordkreuz-Komplex bis heute nicht aufgeklärt ist. Sie zeigt auch: Die Politik Caffiers in dieser Sache ist ein einziges Ausweichmanöver. Drei Methoden:

1. Halbwahrheiten verbreiten

Caffier sagt im Spiegel-Interview, er habe „Anfang 2018“ eine Kurzwaffe bei Frank T. gekauft, einem Waffenhändler und Betreiber eines Schießplatzes in Güstrow, auf dem jahrelang Spezialeinheiten der Polizei trainierten. Er habe das „arglos“ getan, denn: „Meinen Behörden und mir lagen Anfang 2018 keine Verdachtsmomente zu der Firma vor.“ Erst 2019 habe das Bundeskriminalamt (BKA) erste Unterlagen zum Nordkreuz-Komplex übermittelt.

An dieser Darstellung gibt es erhebliche Zweifel. Laut Bundesregierung wurde das LKA Mecklenburg-Vorpommern bereits 2017 über die Nordkreuz-Chats informiert, BKA-Unterlagen wurden dann im März 2018 an den Landesverfassungsschutz übermittelt, eine Abteilung im Innenministerium. So steht es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken.

Das BKA hatte unter anderem ein Nordkreuz-Mitglied befragt, das von einem ehemaligen Gruppenmitglied namens „baltic shooter“ sprach. Das ist der Name der Firma von Frank T. Auch die taz hatte im November 2018 mit Verweis auf diese Zeugenaussage über Frank T.s Nordkreuz-Mitgliedschaft berichtet.

Auch eine andere Aussage Caffiers im Spiegel-Interview verwundert: Er sagt, er habe 2019 andere Sorgen gehabt, als die Herkunft seiner Waffe. Schließlich sei ein federführendes Nordkreuz-Mitglied jahrelang beim SEK gewesen, Marko G.. Gerade diese Personalie aber führt ganz unmittelbar zu Waffenhändler T. nach Güstrow: Er betreibt einen Schießstand und beschäftigte Marko G. dort zeitweise als Trainer. Bei G. wiederum fanden Ermittler neben einer gestohlenen Bundeswehr-Maschinenpistole tausende Schuss Munition, die aus Polizei und Bundeswehrbeständen entwendet wurden.

Allein im August 2017 waren das mehr als 2.000 Schuss Polizeimunition aus Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Mutmaßlich sind diese Patronen bei Schießtrainings in Güstrow abgezweigt worden. Die Ermittlungen dazu führte das Landeskriminalamt. Spätestens diese Nachforschungen wären ein Anlass gewesen, von der Privatpistole zu erzählen.

Die Bereitschaft Caffiers, die Waffenaffäre aufzuklären, dauerte nur kurz an: Nach seinem Interview am Freitag wollte die taz von ihm wissen, wann genau er die Glock gekauft hat; und auch, ob er auf dem Schießplatz in Güstrow Trainings absolvierte – noch eine Frage, die seit Monaten unbeantwortet bleibt. Wir fragen am Freitag nach und noch einmal am Sonntag, per Mail, Telefon und Twitter. Eine Antwort kam erst nach Fristablauf und Redaktionsschluss um 17.40 Uhr: Lorenz Caffier soll demnach die Waffe am 04. Januar 2018 gekauft und am selben Tag auf T.s Schießplatz eingeschossen haben.

Wenn Caffiers Innenministerium und seine Sicherheitsbehörden von den Verquickungen von Frank T. ein halbes Jahr nach den Durchsuchungen nichts mitbekommen haben sollten, haben sie ihren Job nicht gemacht. Schon eine externe Kommission, die von Caffier eingesetzt worden war, stellte fest, dass der Landesverfassungsschutz „offensichtlich über wenig eigene Erkenntnisse verfügt“.

2. Gefahr kleinreden

Im August 2017 wird bekannt, dass ein Kriminalpolizist und ein Anwalt persönliche Daten von Personen gesammelt haben mit dem Ziel, sie an einem Tag X zu töten. Inzwischen ist bekannt, dass sie dafür auch die Abfragesysteme der Polizei nutzten. Sie haben Adressen recherchiert, Geburtsdaten, sogar ein Wohnungsgrundriss wurde gefunden. Es ist eine Auflistung vermeintlicher Feinde, eine „Feindesliste“ also. Manche nennen das sogar „Todesliste“.

Lorenz Caffier spricht lieber von „einer losen Blattsammlung“. Die Betroffenen informiert er erst, als das BKA 29 von ihnen einlädt und ihnen die Ordner vorlegt. Dafür wiederholt Caffier öffentlich, dass keine Gefahr bestehe.

Sein Staatssekretär geht im Innenausschuss des Landtags sogar noch weiter. Im Januar 2019 wiederholte er, das Ministerium wisse wenig, weil die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen führe. Aber auch diese habe in einer Ausschusssitzung des Bundestags nicht von einer Namensliste gesprochen, sagt er laut Protokoll und legt sich fest: Entsprechende Medienberichte müssten „schlicht falsch“ sein. Aber das stimmt nicht. Der taz liegt das Protokoll der zitierten nichtöffentlichen Sitzung vor. Darin ist mehrfach sogar explizit der Begriff „Todesliste“ zu finden.

3. Gesamtproblem leugnen

Eigentlich wollte Caffier am Donnerstag nicht über seine Waffe sprechen, sondern den Verfassungsschutzbericht 2019 vorstellen. Nordkreuz ist darin erstmals erwähnt. Darin heißt es: „Die in diesem Zusammenhang von Innenminister Caffier eingesetzte unabhängige Expertenkommission zur Untersuchung der Spezialeinheiten der Landespolizei hat festgestellt, dass ein Generalverdacht gegen die Polizei des Landes im Hinblick auf rechtsextremistische Umtriebe unbegründet ist.“ Dann ist von „Einzelfällen“ die Rede.

Nur hat die SEK-Kommission nicht die gesamte Polizei in Mecklenburg-Vorpommern untersucht. Ein Mitglied der dreiköpfigen Kommission sagte am Sonntag der taz: „Wir haben weder einen Generalverdacht behauptet noch hätten wir ihn ausgeräumt. Das war schlicht und einfach nicht unser Untersuchungsgegenstand.“ Der Bericht verschweigt, dass die bekannt gewordenen Fälle von rechtsextremen Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern oft miteinander zusammenhängen.

Da sind zum Beispiel die drei SEK-Polizisten, die Munition geklaut und an Marko G. weitergegeben haben sollen, den Ex-SEK-Beamten und Nordkreuz-Administrator. Oder allein 13 Verfahren gegen Polizist*innen, die mit Marko G. gechattet haben – wegen mutmaßlich rechtsextremer Inhalte.

Auch der Wasserschutzpolizist Sven J., gegen den wegen rechtsextremer Umtriebe und illegalen Waffenbesitzes ermittelt wird, stand im Austausch mit Marko G. Seine Kontakte reichen sogar noch in andere Kreise: Er und ein weiterer Polizist aus Mecklenburg-Vorpommern sind mit dem sächsischen KSK-Soldaten bekannt, bei dem Er­mitt­le­r*in­nen im Mai ein Waffenlager aushoben, eine AK-47, Tausende Patronen von der Bundeswehr, kiloweise Plastiksprengstoff und auch NS-Devotionalien. Diese Informationen stammen aber nicht aus Mecklenburg-Vorpommern, sondern stehen in einem internen Bericht des Bundesverteidigungsministeriums an den Bundestag.

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2 Kommentare

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  • Sehr gut Recherchiert ! Irgendwie fühle ich mich leider in meinen Vorurteilen gegenüber Schnauzbartträgern bestätigt.

  • Der Mann ist doch für einen Innenminister entweder entschieden zu „arglos“, oder mit anderen Worten hoffnungslos naiv.