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Boxverband und Ramie Al-Masri„Der Ausschluss droht“

Ramie Al-Masri erklärt, wie er als künftiger Präsident den korrupten Welt­verband der Amateurboxer in die Sportfamilie zurückbringen würde.

Zweifelhafter Geltungsdrang allerorten: Das Image des Weltverbands der Amateurboxer ist ruiniert Foto: ITAR-TASS/imago
Interview von Susanne Rohlfing

taz: Herr Al-Masri, Sie wollen Präsident der Aiba werden, des Weltverbands der Amateurboxer. Warum? Einen undankbareren Sportfunk­tio­närsjob gibt es aktuell nicht.

Ramie Al-Masri: Das ist wohl wahr. Aber abgesehen davon, dass mein Sport nun mal der Boxsport ist, glaube ich, dass ich in der Lage wäre, die gröbsten Probleme der Aiba so weit zu richten, dass man den Verband auf einer soliden Basis wieder nach vorn bringen könnte.

Das klingt sehr optimistisch. Immerhin wurde der Verband im vergangenen Jahr vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) suspendiert. Missmanagement im Finanzbereich wurde festgestellt, Korruption, Ethikverstöße, intransparente Verbandsführung und Mängel im Antidopingkampf.

Nebst einem mangelhaften Kampfrichterwesen.

Da spielt die Korruption rein. Kämpfe wurden teils sehr deutlich nicht nach Leistung entschieden.

Richtig. All diese Mängel, die im Bericht des IOC aufgeführt werden, müsste man akribisch analysieren und dann Lösungsansätze liefern, die das IOC akzeptieren kann. Das ist bisher nur mangelhaft geschehen. Ich glaube, dass die aktuell Verantwortlichen sich der Tragweite ihrer Entscheidungen nicht ganz bewusst sind.

Wieso nicht? Die Zuschüsse des IOC sind seit 2016 eingefroren, und weder die Qualifikation für die Spiele in Tokio noch das Olympiaturnier darf die Aiba ausrichten. Deutlicher kann ein Verband nicht abgestraft werden.

Das IOC hat eine grundlegende personelle Erneuerung gefordert. Das Problem daran: Wenn Sie bei der Aiba an der Macht wären und feststellen würden, dass „grundlegende personelle Erneuerung“ bedeutet, dass Sie den Ast absägen müssen, auf dem sie sitzen, würde das Ihre Bereitschaft, selbiges zu tun, auch entscheidend verringern.

privat
Im Interview: Ramie Al-Masri

49, ist Schiedsrichter-Obmann im Deutschen Boxsport-Verband (DBV) und Präsident des Südwestdeutschen Box-Verbandes, Informatiker und IT-Unternehmer. Er absolvierte als Amateur-Boxer 53 Kämpfe im Mittelgewicht.

Es nutzt aber auch nichts, auf diesem Ast zu sitzen und in der großen Welt des Sports nicht mehr mitspielen zu dürfen.

Genau das ist das Problem. An dieser Stelle komme ich ins Spiel. Ich will versuchen, die strukturelle und personelle Erneuerung der Aiba anzugehen. Nur so hat der Verband eine Chance, wieder vom IOC anerkannt zu werden. Als Informatiker bin ich gewöhnt, Sachverhalte zu analysieren und so zu zerlegen, dass daraus bequeme Einzelschritte werden, die leicht realisierbar sind. Eine solche analytische Vorgehensweise ist meiner Meinung nach in der Aiba jetzt nötig, um die Forderungen des IOC zu erfüllen.

Am 12. Dezember wählen die 202 Delegierten der nationalen Verbände den neuen Aiba-Präsidenten …

… wobei etwa 30 Prozent der Mitgliedsländer gar nicht stimmberechtigt sein sollen, weil sie finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind und so ihr Wahlrecht verloren haben.

Weshalb der Kandidat Domingo Bien­venido Solano aus der Dominikanischen Republik die Abgaben für etliche Karibikländer übernommen hat – damit diese ja für ihn stimmen.

Ja. So ist es wohl gewesen.

Was ihn als Kämpfer gegen die Korruption disqualifiziert.

Richtig. Ich kenne die Hintergründe dieser Aktion nicht. Sollten die Zahlungen mit seinem Wissen erfolgt sein, würde ihn das natürlich disqualifizieren. Er beteuert aber, nichts damit zu tun gehabt zu haben. Bei mir gibt es auch eine finanzielle Verbindung zur Aiba – die ich allerdings von Anfang an offen gelegt habe: Mit meiner Firma haben wir eine Software für den Verband entwickelt, aber wegen ihrer Zahlungsschwierigkeiten hat die Aiba die Rechnung bis heute nicht beglichen.

Sie hätten also auch einen privaten Grund, diesen Verband zu retten.

Wahl des Aiba-Präsidenten

Der Kongress: Beim virtuellen Delegiertenkongress des Internationalen Box-Verbands Aiba stehen am 12. Dezember sieben Kandidaten zur Wahl für das Präsidentenamt.

Die Kandidaten: Neben dem Deutschen Al-Masri sind das: Anas Al Otaiba aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Umar Kremljow aus Russland, Suleyman Mikayilov aus Aserbaidschan, Mohamed Mous­tahsane aus Marokko, Domingo Bien­venido Solano aus der Domini­kanischen Republik und Boris van der Vorst aus den Niederlanden.

Die Ethikprüfung: Nur Al-Masri und Van der Vorst gelten als Männer ohne Kontakte in die bisherige Führungsriege. Doch Wahl- und Ethikkommission der Aiba kamen bei einer angeblich „sorgfältigen und akkuraten“ Prüfung dennoch zu dem Schluss, dass alle Kandidaten für das Amt des Präsidenten infrage kämen.

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Früher oder später wird der Verband entweder pleite sein, dann muss ich das Geld abschreiben, oder – wenn nicht ich – jemand anderes rettet die Aiba. Dann kann ich die Forderungen geltend machen. Würde ich dem Verband vorstehen, wäre das für meine finanziellen Forderungen eher kontraproduktiv. Um jeglichem Verdacht des Machtmissbrauchs vorzubeugen, wäre ich sicherlich der Letzte, dem ich Geld anweisen lassen würde.

Der russische Kandidat Umar Kreml­jow ist in der Vergangenheit damit aufgefallen, dass er die Ausrichtung von Europameisterschaften in Polen oder Montenegro finanzieren wollte und dass er verspricht, die rund 20 Millionen Euro Schulden der Aiba in nur sechs Monaten zu begleichen.

Kremljow hat schon im letzten Jahr angeboten, aus seiner privaten Schatulle … – inwieweit die wirklich privat ist, da kann man nur spekulieren...

er gilt als Mann des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

So heißt es, ja. Auf jeden Fall wollte er die Schulden begleichen, um den olympischen Boxsport zu retten.

Und welche Verbindlichkeiten damit verbunden wären, hat er wahrscheinlich nicht erwähnt.

Ganz genau. Das Problem: In Zeiten knapper Kassen wird man möglicherweise einem solchen Strohhalm, der ja schon eher einem Baumstamm gleicht, Glauben schenken und sich dem Geld zuwenden. Man darf aber nicht vergessen, dass auch der letzte Präsident, Gafur Rachimow aus Usbekistan, seinerzeit ähnliche Versprechungen machte und sie nicht einhielt.

Das ist jener Präsident, dessen Kontakte in die organisierte Kriminalität die Entscheidung des IOC zur Suspendierung mit befeuert haben.

Richtig. Und Kremljow hat zuletzt die Sitzungen des Exekutivkomitees der Aiba finanziert. Es darf bezweifelt werden, dass dies ohne Hintergedanken und vollkommen uneigennützig geschehen ist. Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Wenn es bei russischen Boxern zu knappen Kämpfen kommt, kann eine solche Vorarbeit entscheidend dafür sein, wem der Sieg zugesprochen wird.

Und Kandidaten wie Kremljow haben dennoch Chancen, Präsident zu werden?

Ja, leider ist dem so. Das erklärt die Sorge, dass das Boxen aus der olympischen Familie ausgeschlossen werden könnte.

Warum verdient es das Amateurboxen dennoch, gerettet zu werden?

Boxen ist ein toller Sport. Neben der körperlichen Fitness ist gerade im Boxen eine enorme Disziplin erforderlich, um erfolgreich zu sein. Es ist eine der ältesten Sportarten der Welt und hat meiner Ansicht nach eine gute Zukunft verdient. Deshalb will ich die Mammutaufgabe angehen, den Weltverband zu reformieren.

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