: Partei lockt von der Straße weg
Bei Attac herrscht Dissens über das Verhältnis zur neuen Linkspartei. Die einen beäugen sie kritisch, während andere schon auf Parteilisten kandidieren
AUS ERFURT FELIX LEE
Das Gespenst der neuen Linkspartei geht nicht nur bei der SPD und den Grünen um. Nein, es treibt sein Unwesen auch bei Attac. Derzeit vergeht kaum ein Treffen der Bewegungsorganisation, bei dem nicht über das Für und Wider des Zusammengehens von PDS und WASG debattiert wird. Die Meinungen bei den sozial Bewegten gehen weit auseinander: Während einige befürchten, von der Linkspartei vereinnahmt zu werden und andere ihr das gleiche Schicksal wie den Grünen voraussagen, sehen viele Attac-Mitglieder im Höhenflug des Bündnisses um Gysi und Lafontaine hingegen die historische Chance für eine neue Linke in Deutschland.
Für Attac bedeutet die Linkspartei eine Zerreißprobe, die über eine bloße Positionierung hinausgeht. So gibt es bei Attac auch Mitglieder der etablierten Parteien, die es bisher gut mit sich vereinbaren konnten, einerseits den Sozialabbau ihrer Parteien mitzutragen, andererseits auf den Kongressen der GlobalisierungskritikerInnen gegen Sozialraub und Neoliberalismus zu wettern. Andrea Nahles vom SPD-Vorstand oder die Grüne Jugend, die Attac Deutschland mitgegründet haben, sehen es nun gar nicht gern, dass viele Attac-Mitstreiter offen ihre Sympathie mit der neuen Partei bekunden. Inzwischen sitzen langjährige AktivistInnen sogar im Bundesvorstand der WASG, wie die Göttingerin Sabine Lösing, oder kandidieren auf sicheren Listenplätzen, wie Heike Hänsel vom Attac-Rat.
Dass sie bereits mit Austritt gedroht habe, bestreitet Andrea Nahles jedoch auf taz-Anfrage: „Solange von der Attac-Führungsriege niemand den großen Anheizer der WASG plus PDS macht, ist meine Mitgliedschaft nicht gefährdet“, versicherte Nahles. Sie würde ja auch nicht aus der IG Metall austreten, nur weil es einzelne Gewerkschafter gibt, die bei der Linkspartei aktiv sind. Dennoch macht sie keinen Hehl daraus, dass sie sich über so manche vor allem innenpolitische Stellungnahme von Attac in den vergangenen Monaten sehr geärgert hat. „Attac würde gut daran tun, sich auf seine Kernthemen wie WTO und Globalisierung zu konzentrieren“, rät Nahles.
Auf der anderen Seite finden sich Basisdemokraten, die mit Parlamentarismus prinzipiell nichts am Hut haben wollen – teils aus Erfahrung heraus, dass bei Parteien im Zweifelsfall Macht mehr zählt als Inhalte, teils aus grundsätzlicher Skepsis: Sich in die Parteipolitik hineinziehen zu lassen, würde die „emanzipatorische Schlagkraft“ der Organisation mindern, warnt etwa die Attac-Gruppe Nordharz im Internetforum.
Trotz oder gerade wegen der inhaltlichen Nähe empfinden manche Aktivisten das Linksbündnis zudem als Konkurrenz. Egal ob bei der Steuerpolitik, den sozialen Sicherungssystemen oder dem Nein zum Irakkrieg – Parteiprogramm und Attac-Forderungen scheinen wie aus einem Guss. Dass die Linkspartei Attac das Wasser abgräbt, scheint deshalb durchaus möglich: Waren die Globalisierungskritiker seit den großen Protesten gegen den G-8-Gipfel 2001 in Genua fast ein halbes Jahrzehnt lang in der Öffentlichkeit ein zentraler Ansprechpartner, wenn es um ein kritisches Wort zu WTO-Verhandlungen, Gats oder auch EU-Verfassung ging, könnte das Interesse an den medienverwöhnten Attac-Sprechern schnell nachlassen, wenn Globalisierungskritiker demnächst direkt im Bundestag sitzen.
Am meisten könnte Attac jedoch der personelle Verlust treffen. War es vor allem für die Führungsriege zunächst eine gute Nachricht, dass trotzkistische Sektierergruppen wie Linksruck oder die SAV ihr Interesse an Attac verloren und sich stattdessen auf den Parteitagen der WASG tummelten, drohen nun auch andere Attac-AktivistInnen von der Linkspartei absorbiert zu werden. Wenn sich nun nach eigenen Schätzungen von Attac mehrere hundert Mitglieder offensiv im Wahlkampf der WASG einbringen, geht das auf Kosten von Aktionsvorbereitungen gegen Steuerflucht oder G-8-Gipfel.
Attac-Geschäftsführerin Sabine Leidig wiegelt ab. Auch in der Vergangenheit habe es Einzelne gegeben, die sich im Wahlkampf engagiert haben. Der Großteil würde aber bei Attac bleiben. „Eben weil sie mit den Strukturen von Parteien nichts anfangen können, sind viele erst zu uns gekommen“, sagt Leidig. Auch Protestforscher Dieter Rucht sieht in der Linkspartei keine wirkliche Gefahr für Attac. „Die Mehrheit der Aktivisten hat ihren Platz in der Bewegung.“ Das dürfte auch künftig so bleiben, glaubt Rucht. Zugleich rät er Attac, um jeden Preis die überparteiliche Eigenständigkeit zu bewahren.
Das wird von offizieller Warte auch eifrig getan. „Attac ist und bleibt ein außerparlamentarisches Bündnis“, haben Koordinierungskreis und Rat in einer Erklärung betont. Weder werde Attac eine Wahlempfehlung abgeben noch die Kandidatur von Einzelpersonen unterstützen. Denn: „Im Wahlkampf geht es uns darum, bohrende Fragen nach sozialen Rechten, Demokratie, Ökologie und globaler Gerechtigkeit zu stellen – und zwar gegenüber allen Parteien.“ Angesichts der programmatischen und personellen Überschneidungen wird die Linkspartei da wohl am wenigsten zu befürchten haben.
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