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Vegan und/oder öko?

Mehr Hülsenfrüchte und eine größere Vielfalt unter den Getreidesorten auf hiesigen Äckern: Wie vegane Ernährung sich auf die Landwirtschaft auswirkt

Die schlechte Nachricht zuerst: Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) bleibt der Fleischkonsum im Inland seit zwei Jahrzehnten stabil. Insofern habe sich, so die Einschätzung von Agrarökonom Frank Lenz von der BLE, in der hiesigen ackerbaulichen Struktur noch nicht arg viel geändert.

Die gute Botschaft: Wüchse die vegane Bewegung auf rund 10 Millionen Menschen an, wäre die veränderte Ernährungsweise auf den heimischen Feldern deutlich sichtbarer. Die Landwirte würden, um den ge­stiegenen pflanzlichen Eiweißbedarf überhaupt decken zu können, mehr Hülsenfrüchte wie Erbsen, Sojabohnen oder Lupinen anbauen, außerdem würde die Vielfalt unter den Getreidesorten wahrscheinlich wieder zunehmen; Hafer, Dinkel & Co könnten Kar­riere machen, auch Quinoa oder Amaranth hätte Chancen auf mehr Flächen.

Das ist ein durchaus denkbares Szenario: Dem ökologischen Landbau ist es gelungen, Ende 2019 das erste Mal überhaupt die Marke von 10 Prozent Anteil an der deutschen Landwirtschaft zu erreichen. Bei ihrer Arbeit setzen ÖkolandwirtInnen auf weite Fruchtfolgen, verzichten auf Chemie, achten auf naturnahe, handwerkliche Lebensmittelproduktion und versuchen klimafreundlich zu wirtschaften. Alle diese Dinge werden die meisten Veganer prinzipiell wohl befürworten. Der Ökolandbau verzichtet jedoch nicht auf die Tierhaltung, sondern hält diese, immer begrenzt und gekoppelt an die ­Fläche, letztlich für unverzichtbar, um am Ende nachhaltige Nährstoffkreisläufe überhaupt aufrechterhalten zu können. Damit stehen sie in einem Widerspruch zur veganen Welt.

„Jeder soll für sich selbst seinen Weg finden, wie er sich ernähren will, gar keine Frage“, sagt die Sprecherin vom Anbauverband Naturland, Pascale Sarah Naumann, „doch ich weiß nicht immer, ob es allen Veganern wirklich bewusst ist, dass viele vegane Produkte auf Böden herangewachsen sind, die mit Dung aus der tierischen Erzeugung gedüngt worden sind.“ Naumann spitzt noch weiter zu: „Wir als Öko-Anbauverband sind ja diejenigen, die explizit auf Qualität statt Quantität setzen. Trotzdem müssen wir aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte feststellen, dass im Interesse der Bodenfruchtbarkeit sogar mehr Tiere als bisher im Ökolandbau eigentlich wünschenswert wären. Darüber hinaus ist auch über eine verstärkte Nährstoffzufuhr durch Klee, der in Biogasanlagen vergoren wird, nachzudenken.“

Gerald Wehde vom Anbauverband Bioland steht dem Veganismus grundsätzlich offen gegenüber: „Ich halte den Veganismus in keiner Weise für eine Bedrohung, ganz im Gegenteil, er nimmt Druck aus dem Klimakessel.“ Aber auch er sagt, dass es Quatsch sei, nun auf jeder Dauerweide in Zukunft Gemüse anbauen zu wollen. Seiner Ansicht nach müsse der bisherige Fleischverzehr auf die Hälfte des bisherigen Verbrauchs reduziert werden, um wirklich klimafreundlicher und langfristig auch nachhaltiger Landwirtschaft im großen Stil betreiben zu können. Das sei das eigentliche dicke Brett, das es zu bohren gelte, so Wehde weiter. Daher sei für ihn die vegane Ernährungsweise letztlich eine weitere Verbündete. Er hofft, dass die Veganer langfristig doch beim ökologischen Landbau landen.

Doch viele Produkte der urban-trendigen veganen Produktwelt kommen mitnichten aus nachhaltiger Produktion, genauer gesagt: aus ökologischer Provenienz. Große Teile der veganen Kichererbsen, Sojabohnen oder Mandeln stammen bisher noch aus konventionellem Anbau. Oftmals, wie sollte es anders sein, werden sie aus Übersee transportiert und von großen Lebensmittelkonzernen verarbeitet. So schlägt der vegane Hype sich noch gering auf die heimischen Agrarlandschaften und bäuerliche, kleinteiligere Landwirtschaft positiv nieder; mal ganz abgesehen davon, dass der Anteil von rund 1 Prozent veganem Konsum noch klein ist.

Langfristig kann eine hohe Nachfrage, etwa nach Hafermilch, vieles ändern. Viele Molkereien überlegen, neben der Kuhmilch auch die Produktion von Milch aus Hafer zu starten. Und diese Betriebe sind nicht nur im ökologischen Kontext unterwegs. Deswegen ist die spannende und noch intensiv zu diskutierende Frage, ob der ökologische Landbau, der ja auf einer engen kreislauf­orientierten Verbindung von Tier/Pflanze/Boden basiert, am Ende wirklich zum Veganismus passt oder eben dann doch nicht. Dazu Christian Vagedes, Gründer und Vorsitzender der Veganen Gesellschaft Deutschland: „Bio kann die Welt ernähren, theoretisch, aber wenn, dann nur ­vegan.“ Dierk Jensen