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Rechte Terrorserie in NeuköllnAufklärung gefordert

Vor einem Jahr forderten die Opfer im Neukölln-Komplex mit 25.000 Unterschriften einen Untersuchungsausschuss. Ihr Anliegen ist aktueller denn je.

Auch die mutmaßlich rassistische Ermordung von Burak Bektaş 2012 ist bis heute nicht aufgeklärt Foto: PM Cheung/Ruby Images

Berlin taz | Genau vor einem Jahr haben die Betroffenen der neonazistischen Anschlagsserie in Neukölln eine Petition mit 25.000 Unterschriften für einen Untersuchungsausschuss übergeben, in dem sie Aufklärung forderten. Ein Jahr später gibt es diesen noch immer nicht. Und das, obwohl sich in diesem Zeitraum Skandale und Ungereimtheiten im Neukölln-Komplex häuften, wie einer der Betroffenen, der linke Kommunalpolitiker Ferat Kocak, am Mittwochvormittag verdeutlichte: „Eine komplette Aufzählung würde den Rahmen sprengen“, sagt er und nennt dann zumindest die fragwürdigsten Umstände im Neukölln-Komplex allein aus dem vergangenen Jahr.

Da wären: Ein in Britz wohnender Polizist, der in einer AfD-Telegramgruppe Informationen über den Amri-Anschlag an einen der mutmaßlichen Haupttäter durchsteckte. Ein Polizist, der bis 2016 Vertrauensperson für die Opfer von Rechtsextremismus in Neukölln war und nun wegen eines mutmaßlich rassistisch motivierten Angriffs auf einen Afghanen angeklagt ist. Und nicht zuletzt die Abberufung zweier Staatsanwälte wegen Befangenheitsverdacht durch die Generalsstaatsanwaltschaft. Die Opfer der Anschlagsserie haben auf einer Pressekonferenz am Mittwoch einmal mehr die Brisanz der anhaltenden rechtsextremistischen Bedrohungslage unterstrichen.

Und sie erneuerten die Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nun auch mit einem in den sozialen Medien verbreiteten Video. Nach jahrelangen erfolglosen Ermittlungen trotz des mutmaßlich bekannten Täterkreises der örtlichen Neonazis setzen die Betroffenen in die jüngst vom Innensenator Andreas Geisel (SPD) berufenen Sonderermittler Uta Leichsenring und Herbert Diemer keine allzu großen Hoffnungen, wie sie am Mittwoch sagten.

Parallel zu den Ermittlungen müsse man die strukturellen Bedingungen für dieses Staatsversagen aufklären: Warum gelingt in Neukölln nicht, über 70 Anschläge seit 2016, aber auch ältere unaufgeklärte Fälle möglicher rechter Gewalt wie etwa die Ermordung von Burak Bektas im Jahr 2012 oder Brandanschläge 2011 auf das Anton-Schmauch-Haus der Neuköllner Falken aufzuklären? Und warum kommt es trotz angeblich gestiegener Wachsamkeit weiter zu Anschlägen, Morddrohungen und Hakenkreuz-Schmierereien im gesamten Bezirk?

Fehlendes Sicherheitsgefühl der Opfer

Ein Untersuchungsausschuss mit derartigen Fragestellungen scheiterte bisher vor allem an der SPD. Die Linke will ihn, die Grünen können ihn sich mittlerweile als Option in der nächsten Legislatur nach der Arbeit der Sonderbeauftragten vorstellen.

Es geht auch um mögliche rechte Netzwerke innerhalb der Polizei

Kocak sagte: „Uns geht es schon längst nicht mehr nur um diejenigen, die diese Taten ausführen.“ Die Betroffenen möchten wissen, „welche Verflechtungen dazu beigetragen haben, dass wir trotz bekanntem Täterkreis seit elf Jahren mit einer Ermittlungsquote von null Prozent abgefertigt werden.“ Nach zuletzt auch in Berlin aufgeflogenen Chatgruppen bei der Polizei geht es also auch um mögliche rechtsextreme Netzwerke in Sicherheitsbehörden.

Claudia von Gélieu, ebenfalls betroffen, empörte sich darüber, dass die Ermittler:innen der BAO Fokus, abgesehen von Gefährdetenansprachen, nicht einmal innerhalb von anderthalb Jahren mit den Betroffenen gesprochen hätten. Sie sagte: „Die demokratiegefährdende Rechtsentwicklung, Hetze und Morddrohungen, die gewalttätige Naziszene ebenso wie Einzeltäter müssen aufgehalten werden.“

Auch Mirjam Blumenthal von den Neuköllner Falken berichtete, dass LKA-Beamt:innen nicht hinreichend auf Hinweise eingegangen seien und etwa Schriftzüge auf Mauern und angezündete Autos nicht ernst genommen oder gesichert hätten. Bekannt wurde zuletzt hingegen, dass LKA-Beamte Anzeige gegen die Opfer im Neukölln-Komplex erstattet hatten, weil diese ihre wöchentliche Demo vor dem LKA einmal nicht regulär angemeldet hatten.

Die Betroffenen eint, dass sie sich nicht mehr vom Staat geschützt fühlen. Heinz Ostermann zum Beispiel, dessen Buchladen und Auto mehrfach zum Anschlagsziel wurden, fürchtet nach Lübcke und Hanau, dass die Täter:innen künftig noch weitergehen könnten. Er sagt: „Und auf einmal steht einer bei mir in der Buchhandlung und es wird nicht nur ein Feuer gelegt.“

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