Rechte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: Schwere Vorwürfe gegen Polizei

Die Polizei habe es erneut versäumt, ihn über akute rechte Drohungen zu informieren, sagt der Linkspartei-Abgeordnete Ferat Kocak.

Ein Mensch hält ein Protestschild hoch

Auf einer Demo in Neukölln Foto: dpa

BERLIN taz | Der Neuköllner Linksparteiabgeordnete Ferat Kocak erhebt schwere Vorwürfe gegen die Berliner Polizei: Zum wiederholten Male habe es das Landeskriminialamt (LKA) versäumt, ihn über eine akute Bedrohungslage zu informieren. „Ein dem LKA bekanntes Droh- und Bekennerschreiben eines offensichtlichen Nazis wurde mir gegenüber verschwiegen“, erklärte er am Freitag laut einer Pressemitteilung der Berliner Linkspartei.

Auf Kocak und seine Familie wurde 2018 ein Brandanschlag verübt, mutmaßlich von Neonazis. Das Foto seines brennenden Autos ist längst ikonisch für die Bedrohung linker Menschen in Neukölln. Keiner der Anschläge in den vergangenen Jahren konnte bisher von der Berliner Polizei aufgeklärt werden. Auch vor dem Brandanschlag auf Kocak und seine Familie war der Berliner Polizei bekannt, dass er unter Beobachtung zweier Neonazis stand; informiert wurde er darüber nicht, so die Mitteilung der Linkspartei.

Erfahren hat Kocak von dem erneuten Versäumnis der Polizei durch seine Ladung als Zeuge im sogenannten NSU-2.0-Prozess vor dem Landgericht in Frankfurt am Main. Am Donnerstag hat er dort ausgesagt. Laut der Pressemitteilung handelt es sich um ein Schreiben aus dem Jahr 2019 an das Berliner LKA. Es enthalte Kocaks vollständige Adresse, rassistische Schmähungen sowie Drohungen. Zudem gebe sich der Verfasser des Schreibens als „Urheber des Anschlags gegen Kocak“ aus.

Zu jener Zeit befand sich Kocak nach eigener Aussage in engen Kontakt mit dem LKA. Warum er dennoch von dem erneuten Drohbrief nichts erfuhr, kann er sich nicht erklären. „Mein bereits erschüttertes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist weiter geschwächt. Müssen mir Nazis erst die Waffe an die Schläfe halten, bevor das LKA tätig wird?“

Nach mehreren nicht erfolgreichen Anläufen in der vergangenen Legislaturperiode, den so genannten Neukölln-Komplex aufzuklären, hat sich die rot-grün-rote Koalition in den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, einen Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses einzusetzen. Er soll sich in Kürze konstituieren. „Das darf keine nette Gesprächsrunde sein, sondern muss einen echten Aufklärungswillen zeigen, wenn es um die Verstrickungen von rechtem Terror und Sicherheitsbehörden geht“, fordert Kocak.

Das LKA rechnet der Anschlagsserie mehr als 70 Taten zwischen Juni 2016 und März 2019 zu, darunter mindestens 14 Brandstiftungen und 35 Sachbeschädigungen. Gegenüber dem rbb, der zuerst über die erneut ausgebliebene Information Kocaks berichtet hatte, verwies die Berliner Polizei darauf, dass sich eine „tatsächliche Gefährdung“ im Fall Kocak „unter Berücksichtigung aller dort zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Drohmails im Sachzusammenhang“ nicht ergeben habe. Allerdings habe das LKA Hessen, das die Ermittlungen zum NSU 2.0-Komplex leite, dennoch zugesichert, Kocak über die damaligen Mails zu informieren.

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