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Corona und die „Unterhaltungsbranche“Kultur mit Atemnot

Der Teil-Lockdown stigmatisiert eine lobbyarme Branche. Die Coronabeschränkungen erscheinen einerseits sehr hart, andererseits nicht ganz konsequent.

Drastisch – aber für Kulturbetriebe ist die Lage mehr als verzweifelt Foto: ZB

Sind das die richtigen Maßnahmen gegen die Pandemie? Dass von Montag an alles, was „der Unterhaltung“ dient, verboten ist, trifft die Kulturbranche, die darunter gezählt wird, brutal. Schon das Wort „Unterhaltung“ signalisiert, dass deren Angebot bloß dem Zeitvertreib dient. Dabei steckt sogar in „Unterhaltung“ auch Unterhalt, also die finanzielle Existenzgrundlage, die So­lo­­selbst­ständigen und freien Unternehmern weiter wegbricht.

Ganz zu schweigen davon, dass eine Unterhaltung ebenso ein Dialog sein kann und nicht allein Vergnügen. Und auch das ist wichtig für gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Dass Kinos, Theater, Konzertsäle, die investiert haben, um für nötige Hygiene zu sorgen, erneut schließen müssen, hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters zu Recht eine „echte Katastrophe“ genannt. Die Kultur sei „systemrelevant“: „Es geht um die Existenz für mehr als 1,5 Millionen Menschen, die in unserem Land mehr als 100 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt an Wertschöpfung beitragen“, wobei die Relevanz über den Beitrag zur Volkswirtschaft klar hinausgeht.

Wenn verhindert werden soll, dass das Gesundheitssystem kollabiert, wäre es nicht konsequenter, im Privaten strenger zu beschränken? Und warum darf man nicht mehr im Kino mit Sicherheitsabstand und Klimaanlage sitzen, dafür aber im Flieger direkt neben anderen Passagieren?

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7 Kommentare

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  • Wenn ich das alles richtig verstanden habe, bekommen diese Unternehmen 75 % des Umsatzes, den sie im November 2019 gemacht haben.

    Also wahrscheinlich mehr, als sie bei Öffnung eingenommen hätten.

    Warum also die Aufregung?

    • 1G
      15797 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      ja, einmal 75% für 7 Monate und wer rein zufällig im November 2019 nicht verdient hatte, der bekommt da 75% davon.



      Ich kenne einige Musiker und allen ist das Einkommen, trotz hunderter Stunden Aufwand geringer, als die Transportkosten zum Anlass und nicht selten ist die Erlaubnis sich auch mit am Buffet zu bedienen, die ganze Bezahlung.

    • @Jim Hawkins:

      Weil das in der Praxis leider alles ganz anders aussieht.

  • 1G
    15833 (Profil gelöscht)

    1,5 Millionen Menschen arbeiten im Kultur Bereich und spülen dem Staat 180 Million an Steuern jährlich ein.

    Sie werden aber behandelt als wenn sie von Hartz IV leben und den Rest nur zum. Spaß machen....

    Was eine Schande...

    • @15833 (Profil gelöscht):

      Ohne Ihre Zahl geprüft zu haben: Wenn dieser Teil der Bevölkerung, der mehr als 1 % ausmacht, von den über 700 Milliarden € Steuereinnahmen weniger als 0,03 % beiträgt, spricht das nicht unbedingt für Ihre Argumentation.

      • 1G
        15833 (Profil gelöscht)
        @Devil's Advocate:

        Stimmt, es sind sogar noch mehr, nachzulesen auf der Seite der BMWI

        Sie ist auch volkswirtschaftlich von erheblicher Bedeutung. Die Branche erzielte im Jahr 2019 eine Bruttowertschöpfung von schätzungsweise 106,4 Milliarden Euro (+ 3, 5 Prozent gegenüber 2018) und einen Umsatz von 174,1 Milliarden Euro (+1,77 Prozent gegenüber 2018)

  • Zustimmung! Im Frühjahr ging es noch um „Infektionsketten“, inzwischen redet die selbsternannte ausserparlamentarische Führungsriege von „Kontaktvermeidung“, so als ob Kontakte in jedem Fall gleichbedeutend mit Infektionen wären. Das ist doch hochgradig unglaubwürdig, kontraproduktiv und existenzvernichtend.