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Reform der EU-AgrarsubventionenNur Klöckner sieht „Systemwechsel“

Umweltschützer und Forscher kritisieren die Einigung der EU-Agrarminister zu den Subventionen. Die Bauern bekämen weiter Geld ohne Gegenleistung.

Wer viel davon hat, bekommt auch viel Geld vom Staat: Acker in Mecklenburg-Vorpommern

Berlin taz | Die EU-Agrarminister*innen haben sich am Mittwoch auf eine Reform der Landwirtschaftssubventionen geeinigt, die Umweltschützer scharf kritisieren. Die deutsche Ressortchefin, Julia Klöckner (CDU), die die Verhandlungen leitete, sprach von einem „Systemwechsel“ und einem „fundamentalen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit“.

Dem Kompromiss zufolge dürfen die EU-Staaten den Bauern 20 Prozent der wichtigsten Subventionsart – der Direktzahlungen – künftig nur für „Eco-Schemes“ (Öko-Regelungen) genannte Leistungen überweisen. Bisher bekommen die Landwirt*innen das Geld pro Hektar Fläche, weitgehend unabhängig davon, wie sie darauf arbeiten. Die Grünen kontern, die Einigung sei so schwach, dass die Bauern nicht mehr für die Umwelt leisten würden.

Die Europäische Union zahlt jährlich rund 55 Milliarden Euro Subventionen für die Landwirtschaft. Das ist ungefähr ein Drittel des EU-Budgets. Dennoch gaben zum Beispiel in Deutschland von 2010 bis 2019 rund 11 Prozent der Höfe auf, vor allem kleine. Die Landwirtschaft verursacht 12 Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes in der EU. Die Europäische Umweltagentur macht besonders diese Branche für das zunehmende Aussterben von Tier- und Pflanzenarten verantwortlich. Und die meisten Bürger*innen bemängeln die Haltungsbedingungen des Viehs.

Die Eco-Schemes sind eine Antwort auf diese Kritik. Nach dieser Regelung könnte etwa Deutschland Bauern mit EU-Geld dafür bezahlen, dass sie ihre Rinder auf klimafreundlichen Weiden halten – statt nur im Stall. Aber der Kompromiss lässt den Ländern auch viel Freiheit, was für Programme sie auflegen. Er verlangt nur, dass sie über die „relevanten“ Mindeststandards etwa für den Pestizideinsatz hinausgehen. Was mit „relevant“ gemeint ist, bleibt offen. Die Eco-Schemes sollen dem Text zufolge Umwelt und Klima nützen, aber die Agrarminister ergänzten, dass diese Programme auch dem „Wachstum“ der Wirtschaft dienen dürften. Diese Akzente könnten die EU-Kommission beeinflussen, wenn sie die Eco-Schemes der Mitgliedsländer vor Genehmigung kontrolliert. „Ich sehe in dem Rechtstext selber noch keine wirklich handfesten Kriterien, wie die Kommission das prüfen soll“, sagte Sebastian Lak­ner, Agrarprofessor der Universität Rostock, der taz. „Die Kommission hat keine Handhabe, um eine ganz hohe Messlatte anzusetzen.“

Die Umweltstiftung WWF fordert, 50 Prozent der Direktzahlungen für Eco-Schemes auszugeben

Denkbar ist, dass in einem Mitgliedsland zu wenig Bauern an den Eco-Schemes teilnehmen und etwas (oder alles) von dem nationalen Budget für diese übrig bleibt. Dann darf das Geld laut Kompromiss in den ersten beiden Jahren nach Inkrafttreten der neuen Regeln für Projekte wie etwa den Bau neuer Ställe ausgegeben werden. Dabei wird diese Agrarreform wegen diverser Verzögerungen sowieso erst 2023 beginnen. Eigentlich sollten die alten Verordnungen schon 2021 auslaufen.

Vorschriften, die schlechter sind als die Praxis

Klöckner hob hervor, dass die Landwirte Umweltvorschriften erfüllen müssten, um überhaupt Direktzahlungen zu bekommen. Doch diese Vorschriften fielen teilweise hinter die Praxis zurück, so Professor Lak­ner. Sie würden etwa verlangen, dass auf 5 Prozent der Ackerfläche eines Betriebes nichts produziert wird oder Zwischenfrüchte wachsen, die Erosion verhindern und die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. „Aber wir haben schon jetzt auf 9 Prozent der Ackerfläche in der EU Zwischenfrüchte oder nicht produktive Elemente wie Brachen“, so Lakner. Er warf den EU-Ministern „reines Greenwashing“ und eine „fehlende Vision für eine zukunftsfähige Landwirtschaft“ vor.

Eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, die Direktzahlungen für Großbetriebe auf 100.000 Euro plus ihre Arbeitskosten zu begrenzen, lehnten die Minister ab. Jedes Land soll wie bisher selbst entscheiden, ob es diese Option nutzt. Freiwillig bleibt auch, Aufschläge für die ersten Hektar eines Betriebs zu zahlen, die aber auch die Großen bekommen.

Bauernverband zufrieden

Für die Umweltstiftung WWF ist all das ein „fauler Kompromiss“. Die – für sieben Jahre – „390 Milliarden Euro Agrarsubventionen sollen weiterhin weitgehend bedingungslos verteilt werden“, urteilte auch Greenpeace. Die Umweltschützer forderten, 50 Prozent der Direktzahlungen für die Eco-Schemes auszugeben.

Der Deutsche Bauernverband dagegen begrüßte die Einigung. Die Agrarpolitik werde „eindeutig grüner“, und „wir Bauern ­gehen den Weg proaktiv mit“.

Auch bei ersten Abstimmungen im EU-Parlament am Dienstagabend setzte sich diese Position weitgehend durch. Die Abgeordneten wollen zwar 30 Prozent der Direktzahlungen für die Eco-Schemes, aber ebenfalls keine genauen Vorgaben für deren Inhalt. Vorausichtlich Anfang November werden EU-Länder, -Parlament und -Kommission beginnen, die endgültigen Verordnungen aushandeln.

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5 Kommentare

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  • Dass die kleinen Höfe verschwinden, zeigt ja, wo das Geld hin geht, in die Großproduktion. Masse statt Klasse wird gefördert, andere Bemühungen werden ausgebremst, getreu nach dem Motto: Es lebe die „Landwirschaftsindustrie“.



    Es ist die grundsätzliche Fehldenke in der Gesellschaft. Das Grundbedürfnis „Wohnen“ verschlingt das Geld, also zählt beim Grundbedürfnis „Ernährung“ billig, billiger, am billigsten.



    Glaubt irgendjemand, dass ein Beschäftigter am Existenzminimum Gedanken an Tierwohl oder Hofläden verschwenden kann?

  • Dieser Beschluß den Hauptstrom der EU- Gelder dem Umweltschutz vorzuenthalten ist in erster Linie eine Absage an die Millionen Menschen, die in friedlichen Demonstationen um mehr Arten- Tier, und Umweltschutz baten.

  • Ich hatte noch ein paar Hoffnungen in das Parlament gesetzt. Das war's dann wohl. Wenn der Bauernverband zufrieden ist, kann man davon ausgehen, dass die Natur weiter zurückgedrängt wird.

  • Diese Ministerin hat nach allen Erfahrungen ihrer Amtszeit überhaupt kein Interesse die Bedürfnisse der Allgemeinheit zu vertreten. Sie versteht offensichtlich nicht, dass ihre Entscheidungen die Zukunft von uns und besonders der kommenden Generationen negativ beeinflussen.

    Ihr Interesse ist nur, die Lebensmittelindustrie und Großbauern zu unterstützen. Das heißt: Die Reichen nur noch reicher zu machen und die Schere des Verhältnisses der Einkommen und Vermögen noch weiter zu öffnen.

    Ach wäre sie doch nur Weinkönigin geblieben!

  • Wirklich beeindruckend! Stanley R. Greenberg, der Autor zur Story des Films "Soylent Green", hat sich bereits Anfang der 70-er Jahre(!), ganz offenbar in seiner düsteren Zukunftsvision, um höchstens 10, maximal 15 Jahre verschätzt.