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Gedrückte Festivalstimmung

Retten, was noch zu retten ist: In Hamburg und Hannover beginnen in dieser Woche die queeren Filmfestivals coronabedingt mit unterschiedlichen Ansätzen

Erzählt von der brutalen Verfolgung queerer Menschen in Tschetschenien: „Welcome to Chechnya“ Foto: Public Square Films

Von Wilfried Hippen

Wirklich festlich sind in diesen Zeiten die Filmfestivals ganz bestimmt nicht. Eröffnungen, Galas und Partys verbieten sich von selbst und volle Kinosäle kann es wegen der Hygienebestimmungen auch nicht geben. Festivalstimmung kann also kaum aufkommen, doch viele Organisator*innen versuchen zu retten, was zu retten ist. Und so werden in dieser Woche auch die 31. Lesbisch Schwulen Filmtage in Hamburg und das Queer-Film-Festival „Perlen“ in Hannover beginnen – allerdings in unterschiedlichen Formaten.

In Hamburg werden die Filmtage am 20. Oktober als Hybridfestival eröffnet. An acht Abenden ist im Metropolis-Kino je ein Film zu sehen, sieben weitere Langfilme kann man online sehen – daher das Festival-Motto: „Streams are my Reality“. In früheren Jahren wurden Filme des Festivals auch in den Kinos Passage, 3001 und B-Movie aufgeführt, dies ist also eine reduzierte Notausgabe. Sogar die Eröffnung mit einem Kurzfilmprogramm findet online statt.

Das Queer-Film-Festival „Perlen“ in Hannover wird dagegen ab Freitag im Kino im Künstlerhaus stattfinden. Mit 26 Vorstellungen an neun Tagen ist es sogar einen Tag länger als in den früheren Jahren. Das Kino im Künstlerhaus ist seit vielen Jahren das Stammkino des Festivals, während die Hamburger immer „nur“ Gäste in den Kinos sind. Auch so lassen sich die verschiedenen Konzepte erklären. Für die Veranstalter*innen in Hannover gehört „das gemeinsame Filmerlebnis und der persönliche Austausch unter den Besucher*innen einfach zum Festivalgedanken dazu“, so das Statement im Programmheft.

Gäste wird es aber in Hannover nicht geben – mit einer Ausnahme: Die 19 unabhängigen Queer-Film-Festivals in Deutschland vergeben zum fünften Mal den Queerscope-Debütfilmpreis. Verliehen wird dieser an die Regisseurin Barbara Wallbraun für ihren Dokumentarfilm „Uferfrauen – Lesbisches L(i)eben in der DDR“. Wenn die Reisebeschränkungen es ermöglichen, wird er ihr am Samstag nach der Vorführung des Films um 18 Uhr persönlich überreicht. Auch die beiden Protagonistinnen sind eingeladen. In Hamburg wird der Film weder im Kino noch online gezeigt.

Zwei Filme jedoch laufen auf beiden Festivals. Der US-Amerikaner David France porträtiert in seinem Dokumentarfilm „Welcome to Chechnya“ queere Tschetschen*innen, die nach homophoben Gewaltorgien im Jahr 2017 in ihrem Land in den Untergrund gehen mussten, weil ihnen Verfolgung, Verhaftung und Schlimmeres drohten. Der Film zeigt, unter welchen Schwierigkeiten und Gefahren sie aus dem Land flüchten mussten. In Hannover ist er am kommenden Mittwoch zu sehen, in Hamburg einen Tag später online.

Der georgische Spielfilm „Comets“ von Tamar Shavgulidze ist ein Kammerspiel, in dem sich zwei Frauen drei Jahrzehnte nach ihrer Jugendliebe wieder begegnen. Der einzige Schauplatz der Romanze ist ein großer Tisch in einem Garten. Doch das hinderte die Regisseurin nicht, mit Stilelementen des Science-Fiction-Kinos zu spielen. In Hannover ist der Film am kommenden Donnerstag zu sehen, in Hamburg einen Tag zuvor online und am 29. Oktober noch einmal im Metropolis-Kino.

31. Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg: Di, 20. 10., bis So, 29. 10., Metropolis-Kino und online, Programm: www.lsf-hamburg.de

Perlen – Queer Film Festival Hannover: Fr, 16. 10., bis Sa, 24. 10., Kino im Künstlerhaus, Programm: www.hannover.de/Kommunales-Kino/Festivals-Events/Perlen-Queer-Film-Festival-Hannover

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