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Volksabstimmung in der SchweizSchwexit ohne EU-Mitgliedschaft

Die rechtskonservative Schweizer SVP ruft erneut zur Volksabstimmung über ein Ende der Freizügigkeit mit der EU. Alle anderen sind dagegen.

Wahlplakat der SVP in Zürich Foto: Manuel Geisser/imago-images

Berlin taz | In der Schweiz findet am Sonntag zum wiederholten Mal in den letzten Jahren eine Volksabstimmung über die Forderung nach Begrenzung der Zuwanderung statt. Eine erneut von der rechtskonservativen „Schweizer Volkspartei“ (SVP) angestoßene „Begrenzungsinitiative“ fordert die stimmberechtigen Eidgenoss*innen auf, „Ja“ zu sagen zu einer „maßvollen Zuwanderung“.

Alle anderen Parteien sowie die Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Kirchen des Landes lehnen die Initiatve ab. Ihre Annahme durch das Stimmvolk würde höchstwahrscheinlich das Ende der sieben bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU bedeuten

Diese sieben Abkommen hatte das Volk bei einer Abstimmung im Jahr 2000 mit 67,2 Prozent der Stimmen abgesegnet. Die Abkommen ermöglichen der Schweizer Wirtschaft den Zugang zum europäischen Markt. Eines dieser Abkommen ist das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA).

Es erlaubt es Schweizer Bürgerinnen und Bürgern unter bestimmten Bedingungen, in der EU zu leben, zu arbeiten und zu studieren. Für EU-Bürgerinnen und -Bürger gilt das Gleiche in Bezug auf die Schweiz. Wird das FZA gekündigt, so treten automatisch auch die anderen sechs Abkommen außer Kraft.

Gegen angebliche „Massenzuwanderung“

Ein von der SVP gegründetes und finanziertes Komitee, das gegen die Personenfreizügigkeit ist, hat die Begrenzungsinitiative eingereicht. Laut dem Komitee herrsche in der Schweiz eine Massenzuwanderung. Diese führe zu steigender Arbeitslosigkeit und gefährde Wohlstand, Freiheit und Sicherheit der Schweizer Bürgerinnen und Bürger.

Nach Auffassung der Berner Bundesregierung (Bundesrat) hingegen ist der bilaterale Weg, den die Schweiz gewählt hat, der richtige. Er habe es erlaubt, auf die Bedürfnisse der Schweiz und ihrer Bürger*innen zugeschnittene Lösungen zu finden.

Die bilateralen Abkommen garantierten ausgewogene Beziehungen zu der EU, dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Ohne diese Abkommen wären Wohlstand und Arbeitsplätze in der Schweiz in Gefahr.

Würde die Begrenzungsinitiative und damit die Beendigung der Personenfreizügigkeit angenommen, müsste der Bundesrat mit der EU innerhalb von 12 Monaten das Ende der Freizügigkeit aushandeln. Gelingt dies nicht, so muss er das FZA innerhalb weiterer 30 Tage einseitig kündigen. In diesem Fall käme die sogenannte Guillotine-Klausel zur Anwendung und alle sieben bilateralen Abkommen würden außer Kraft treten.

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5 Kommentare

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  • Zur erneuten Initiative ist es nur gekommen, weil das Parlament die Masseneinwanderungsinitiative nur in einer stark abgespeckten Version wie den flankierende Maßnahmen der Personenfreizügigkeit umsetzte. Man wollte schlicht nicht die bilateralen Verträge mit der EU aufs Spiel setzen und die EU hat in den Verhandlungen mit der Schweiz auch klare Kante gezeigt. Seit 2014 hat sich die politische Großwetterlage geändert, genau so wie die Meinung des Stimmvolkes, was Kosten und Nutzen nun größtenteils anders abwiegt. Deshalb wird die Initiative diesmal keine Chance haben. Selbst im personenfreizügigkeitskritischen Tessin wird es knapp werden. Die Institutionen müssen sich trotzdem überlegen, wie sie mit den verschiedenen Problemen, die Personenfreizügigkeit mit sich bringt, umgehen und wie man problematische Kantone und Gemeinden besser unterstützt.

  • Man kanns ja mal probieren. Johnson hat auch die rote Linie überschritten,...die EU verhandelt weiter, auf die unverrückbare Position wird man nicht bestehen. Warum sollte die Schweiz so blöd sein und nicht nicht neu verhandeln? Es wird schon eine Verbesserung raus springen. Und dann verhandelt man wieder und wieder und wieder. Bis die EU vollkommen lächerlich ist - also mehr als jetzt schon

    • @danny schneider:

      Die Schweizer wissen, dass es genau umgekehrt ist. Die alten EU Verträge für die Schweiz waren nur deshalb vorteilhaft für diese, weil die EU dachte die Schweiz wird auch Mitglied. Das Stimmvolk versenkte aber den EU Beitritt. Das jetzige Rahmenabkommen, welches verhandelt wird, zeigt die Machtdifferenz deutlich auf und wird die Schweiz trotz Verzögerungstaktik zu einem faktischen EU-Mitglied ohne Stimmrecht machen. Die Schweiz hat da nichts zu lachen.

  • Na dann drücken wir den Schwiizern fest die Daumen, dass sie gegen die Menschengegner stimmen. Sonst sind sie viele Gastarbeiter*innen und viele EU-Handelspartner los, und müssen ihre prekären Jobs selber machen.



    Und ihren Käse ganz alleine essen.

    • @kommentomat:

      Das Lohnniveau der Schweiz ist so hoch, da sind viel mehr Menschen von der Personenfreizügigkeit in ihrem Leben betroffen als in Deutschland. Klar bringt die Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen für alle, beim Einzelnen sieht es dann aber doch anders aus.



      Die Initiative hat ihm Jahr 2020 sowieso keine Chance, von daher sollte man nicht so viel Aufhebens drum machen.