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Berlin und die Corona-Sperrstunde23 Uhr Schotten dicht

Für Kneipen und Bars ist die Sperrstunde eine Katastrophe. In der Branche herrscht eine große Wut gegenüber denen, die die Regeln ignoriert haben.

Vorbereitung auf die Öffnung nach dem 1. Lockdown: der Wirt Heiner Klinger im Slumberland Foto: Karsten Thielker

Die ab Samstag geltende Sperrstunde trifft die Berliner Bar- und Kneipenlandschaft hart. „Je später der Abend, umso mehr wird getrunken und desto besser der Umsatz“, sagt der Wirt der Schöneberger Szenekneipe Slumberland, Heiner Klinger. Das einzig Gute an der neuen Regelung sei, dass sie diesmal für alle gelte. Vom ersten Lockdown waren Kneipen und Bars wesentlich länger betroffen als Gaststätten.

Ab kommendem Samstag 0 Uhr gilt in Berlin eine Sperrstunde. Von 23 Uhr bis 6 Uhr früh müssen Kneipen, Bars, Restaurants und Spätis schließen. Tankstellen dürfen nur noch Treibstoff – wohlgemerkt Benzin – verkaufen.

Das Problem sei, dass die Kneipen mitbestraft würden, die sich – so wie das Slumberland – an die Hygiene- und Abstandsregeln gehalten hätten, sagt Slumberland-Wirt Klinger zur taz. Das bestätigte auch der Hauptgeschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Thomas Lengfelder.

In der Branche herrsche eine große Wut gegenüber den Betrieben, die durch Nichteinhalten der Coronaregeln wirtschaftlich von der Gewissenhaftigkeit der anderen profitiert hätten. Die Einhaltung der Vorschriften sei kaum kontrolliert und sanktioniert worden, sagte Lengfelder am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses.

5.000 Euro Bußgeld

Eine Bekannte habe mal die 110 angerufen, um eine Party auf einem Spielplatz anzuzeigen, erzählt Klinger. Ob sie die Leute anschwärzen wolle, habe der Beamte am Telefon gefragt.

Die Sperrstunde soll die Kontrollen nun offenbar erleichtern. Bei Verstößen würden Bußgelder ab 5.000 Euro erhoben, kündigte der Senator für Verbraucherschutz, Dirk Behrendt (Grüne), an.

Die Polizei brauche nun nur noch an dem Laden vorbeizufahren und ein Foto zu machen, wenn drinnen noch Betrieb sei, vermutet der Slumberland-Wirt. Für den Kneipenbetrieb heiße das: 22 Uhr letzte Runde. Ab 22.30 Gäste raus und 23 Uhr: Licht aus und Schotten dicht.

Normalerweise sei das Slumberland wochentags bis 2 oder 3 Uhr in der Früh auf, freitags und samstags bis morgens 4 Uhr. Er hätte sich als Kompromiss 1 Uhr als Schließzeit gewünscht. Denn das sei die Hauptumsatzzeit. „Wir haben die Tische reduziert und uns an alle Auflagen gehalten, und nun haben wir, wie nach dem ersten Lockdown, wieder die Arschkarte.“

Eine Katastrophe

Die Sperrstunde könne nur als „Todesstoß“ bezeichnet werden, sagte der Mitbegründer der Szenekneipen-Initiative „Bars of Berlin“, Roberto Manteufel, im Wirtschaftsausschuss.

Auch Jamil Suliman, Betreiber der Bar Sombrero in Steglitz, spricht von einer Katastrophe. Viele Bars hätte sich vom ersten Lockdown noch nicht erholt, die Hilfen des Senats seien spät oder gar nicht gekommen. „Einige sind schon kaputt, andere wissen es nur noch nicht, weil sie sich unter Insolvenzschutz befinden.“

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3 Kommentare

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  • Etwas viel Gejammere.



    Wenn die Damen und Herren Beschallungsunternehmer wirklich insolvent werden sollten, werden sie ein halbes Jahr nach Corona eine Straßenecke weiter mit anderem Namen den nächsten Club aufmachen.

  • "Eine Bekannte habe mal die 110 angerufen, um eine Party auf einem Spielplatz anzuzeigen, erzählt Klinger. Ob sie die Leute anschwärzen wolle, habe der Beamte am Telefon gefragt."



    Die is ja doof. Sie hätte sagen müssen, Antifa-Party aufm Spielplatz! Dann kann die Polizei auch ihre Arbeit machen.

  • "Die Sperrstunde könne nur als „Todesstoß“ bezeichnet werden"

    ??? Manche haben echt komische Maßstäbe