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Die USA nach dem Tod von Bader GinsburgEin schmutziger Kampf

Wird der Senat noch vor der Wahl einen Trump-Kandidaten als Nachfolger bestimmen? Möglichen Abweichlern unter den Republikanern stehen harte Zeiten bevor.

Gedenken an Ruth Bader Ginsburg vor dem Supreme Court in Washington Foto: reuters

Berlin taz | Es war zu erwarten. Nur Stunden nachdem am Freitag der Tod der obersten Richterin Ruth Bader Ginsburg in der US-Hauptstadt Washington, D.C., bekannt geworden war, erklärte Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, er werde dafür sorgen, dass der Senat über eine Nachnominierung durch Präsident Donald Trump abstimmen werde. Und das, obwohl es bis zur Präsidentschaftswahl am 3. November nicht einmal mehr zwei Monate hin ist.

Es war derselbe Mitch McConnell, der im Februar 2016, als der konservative oberste Richter Antonin Scalia gestorben war, erklärt hatte, das US-amerikanische Volk verdiene ein Mitbestimmungsrecht über die Besetzung des obersten Gerichtshofs, und „so kurz“ vor der Präsidentschaftswahl werde der Senat keinen vom damaligen Amtsinhaber Barack Obama nominierten Kandidaten auch nur anhören. Da waren es immerhin noch neun Monate bis zur Wahl.

Tatsächlich blockierte die republikanische Mehrheit im Senat Obamas Kandidaten, um dann dem gewählten Donald Trump nur zehn Tage nach Amtsantritt bereits die Möglichkeit zu seiner ersten Richternominierung zu geben. Die Bestätigung Neil Gorsuchs durch die konservative Senatsmehrheit allerdings veränderte die Mehrheitsverhältnisse im Supreme Court zunächst nicht: Der konservative Scalia wurde durch den konservativen Gorsuch ersetzt.

Erst mit dem Rücktritt des langjährigen obersten Richters Anthony M. Kennedy und der Bestätigung des von Trump nominierten konservativen Brett Kavanaugh durch den Senat kippte die Mehrheit des Gerichtshofs nach rechts. Kennedy, obwohl 1987 vom republikanischen Präsidenten Ronald Reagan ernannt, hatte meist mit den liberalen Richter*innen gemeinsam votiert. Mit Gorsuch war jetzt eine konservative Mehrheit von 5 zu 4 Stimmen gewährleistet.

Ruth Bader Ginsburg war schon länger krank, immer wieder schockierten Nachrichten von einer Noteinweisung der liberalen Grand Dame der US-Justiz die linke und liberale Öffentlichkeit der USA. Sie selbst hatte gesagt, wenn Hillary Clinton 2016 die Wahl gewonnen hätte, wäre sie bald aus gesundheitlichen Gründen von ihrem Richteramt zurückgetreten – Trumps Präsidentschaft aber wollte sie noch überleben. Das ist ihr nun nicht vergönnt gewesen.

So hat Trump tatsächlich die Möglichkeit, eine*n dritte*n Richter*in für den obersten Gerichtshof zu ernennen. Damit würde eine konservative Mehrheit von dann 6:3 Richterstimmen auf viele Jahre hinaus Bestand haben. Sollte Trump wiedergewählt werden, könnte es sogar noch drastischer werden, denn der derzeit älteste amtierende oberste Richter ist mit 82 Jahren der liberale Stephen Breyer.

Ob Trump noch vor der Wahl, oder zumindest vor dem Amtsantritt eines Nachfolgers am 20. Januar oder der Konstituierung eines neuen Kongresses am 6. Januar, einen weiteren Kandidaten durchbringt, hängt nun davon ab, ob die konservative Mehrheit des Senats der Vorgabe Mitch McConnells folgt.

Abweichenden Senator*innen drohen Attacken von Trump

Das allerdings ist ungewiss. Denn am 3. November wird ja nicht nur der Präsident, sondern auch das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt – darunter diesmal 23 Sitze, die derzeit von republikanischen Senator*innen gehalten werden. Einige wenige, darunter laut der New York Times Susan Collins aus Main, Lisa Murkowski aus Alaska, Lindsay Graham aus South Carolina und Charles E. Grassley aus Iowa, haben bereits Zweifel angemeldet, ob ein normalerweise knapp drei Monate dauernder Nominierungsprozess so kurz vor einer Wahl im Eilverfahren durchgepeitscht werden sollte.

Insbesondere republikanische Senator*innen, die für ihre Wiederwahl auch die Stimmen von moderaten Wähler*innen der Mitte brauchen, werden sich gut überlegen, ob sie bei einem solchen Manöver mitspielen.

Klar ist allerdings auch, dass sie im Fall ihrer Abweichung mit einer Flut von Attacken aus dem Weißen Haus mitten im Wahlkampf zu rechnen hätten. Trump hat in den vergangenen Jahren mehr als deutlich gemacht, mit welcher Härte er gegen jeden auch noch so kleinen Widerspruch aus den eigenen Reihen vorgeht – und das meist mit Erfolg.

Zuletzt hat das Mitt Romney zu spüren bekommen: Der Senator und einstige republikanische Präsidentschaftskandidat wagte es als einziger Republikaner, während des Amtsenthebungsverfahren in einem der zwei Anklagepunkte gegen Trump zu stimmen. Seither ist er in den eigenen Reihen ein Geächteter, ohne jede Chance, unter der Trump-Präsidentschaft noch irgendeine wichtige Rolle zu spielen.

Evangelikale und die NRA sind fast am Ziel ihrer Träume

Der Streit um die Nachfolge Ruth Bader Ginsburgs wird die letzten Wochen des Wahlkampfes stark mitprägen, so viel ist absehbar.

Welche Auswirkungen das allerdings auf das Wahlergebnis hat, ist nicht so einfach vorherzusehen. Schafft es Trump mit Hilfe von McConnell und einer geschlossenen republikanischen Senatsfraktion einen konservativen Richter durchzupeitschen, werden die Demokrat*innen das zwar als Verrat der Republikaner an ihren eigenen, angeblich so redlichen Prinzipien von 2016 brandmarken – das aber ist ein Argument, das Trump-Wähler*innen kein Stück interessieren dürfte.

Denn gerade die Verschiebung der Mehrheit im Supreme Court ist für einen großen Teil jener Basis, die Trump 2016 zum Sieg verhalf, insbesondere die konservativen Evangelikalen, Kernstück ihres politischen Engagements, hoffen sie doch schon lange darauf, das alte Grundsatzurteil zur Legalisierung von Abtreibungen aus dem Jahr 1973 endlich kippen zu können.

Auch für die trotz aller internen Skandale immer noch einflussreiche Waffenlobby der National Rifle Association ist ein konservatives höchstes Gericht die beste Garantie dafür, dass der 2. Verfassungszusatz weiterhin in ihrem Sinne interpretiert und somit jede Bestrebung zu strikteren Schusswaffenkontrollen verhindert wird.

Trump kann insofern mit dem Streit um die Nachfolge Ruth Bader Ginsburgs in jedem Fall bei der eigenen Basis punkten.

Auf demokratischer Seite ist das schwieriger. Ist die Ernennung vor dem Wahltermin vollzogen, fällt ein wesentlicher Beweggrund für die linke und liberale Wähler*innenschaft, überhaupt zur Wahl zu gehen, nämlich genau die Verhinderung einer zementierten konservativen Mehrheit im obersten Gerichtshof, einfach weg. Insofern ist der Kampf gegen eine Senatsabstimmung vor der Wahl auch ein Kampf um die Mobilisierungsfähigkeit der Demokrat*innen. Es werden spannende Wochen – und sie dürften sehr schmutzig werden.

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7 Kommentare

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  • "Evangelikale und die NRA sind fast am Ziel ihrer Träume"

    Hört sich für mich so an, als ob der "große Guru" alias Präsident seine Sekte über ganz Ami-Land herrschen lassen will - gruslig, gruslig....

  • Diese ganze Schilderung der Zusammenhänge zwischen Präsident und Supreme Court wirkt auf mich sehr befremdlich.



    Dass dann ein wesentlicher Grund für eine Wahlbeteiligung wegfalle - das wirkt auf mich nur absurd.

    • @nzuli sana:

      So steht es nun mal in der Verfassung. Für die rechten "Christen" ist die Situation ein Geschenk Gottes.

      "Dass dann ein wesentlicher Grund für eine Wahlbeteiligung wegfalle - das wirkt auf mich nur absurd."

      Die Mehrheit am Obersten Gericht spielt eine immer größere Rolle in der aktuellen Politik. Da die großen Parteien fast nirgends mehr konstruktiv zusammen arbeiten (jeder kündigt an, die Entscheidungen der anderen Seite rückgängig zu machen, da sie das Land vernichten), landen wichtige Entscheidungen beim SC. Und dort spielt die Zusammensetzung eine enorme Rolle.

      Es könnte durchaus sein, dass viele Wähler resignieren und nicht zur Wahl gehen, weil es eh nicht viel bringt...

  • Geht? Braucht das keine Verfassungsänderung?

    • @Francesco:

      Natürlich geht das. Und die Republikaner wären ziemlich dämlich, wenn sie ihre Chance nicht nutzen. Traurig aber wahr.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Wenn die Demokraten das weiße Haus und den Senat erobern dann könnten sie die Amtszeit von Richtern limitieren und das Problem so lösen.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Die Amtszeit ist doch schon limitiert. Nur ihre Berechnung ist schwierig derzeit.

      Und jetzt mal ohne Mist: Was soll eine Limitierung bringen? Nicht einmal Leute wie Ruth Bader Ginsburg geben ihre Posten rechtzeitig weiter. Denn was ist schon rechtzeitig? Dass Trump gewinnen würde, wollten die Demokraten bis ganz zum Schluss nicht wahr haben. Verständlich. Sie hätten ja sonst gleich einpacken können und ihren Wahlkampf vorzeitig abbrechen.

      Jede Wahl ist eine Wette auf den eigenen Sieg. Eine, die man nicht unbedingt gewinnen muss, aber immerhin gewinnen kann. Prinzip Hoffnung, sozusagen. Es ist also zu erwarten, dass jeder Oberste Richter seine Zeit komplett ausschöpft, so wie Ruth Bader Ginsburg es getan hat. Wären die Leute nicht überzeugt, dass sie (noch immer) die bestmögliche Besetzung sind für ihren Posten, hätten sie ihn schließlich längst geräumt bzw. gar nicht erst kandidiert. Ob das Amtszeit-Ende dann in die Amtszeit eines Demokraten oder eines Republikaners fällt, in die Amtszeit eines eher vernünftigen oder eines eher unvernünftigen Menschen, ist mit Amtszeitbegrenzung kaum vorhersehbar als ohne.

      Hilft alles nichts: Demokratie ist einfach kein perfektes System. Nur eins, zu dem es bisher keine bessere Alternative gibt. Wer immer an der Macht ist, kann diese Macht missbrauchen, um den Willen seiner Konkurrenten zu brechen. Tut er das, legitimiert er damit jeden, der es ebenfalls tut. Wenn also die Demokraten glauben, sie dürften sich wie Republikaner verhalten und gegen eine (schweigende) Mehrheit anregieren, brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn das nach hinten los geht. Der Wähler als solcher will ja schließlich nur seine eigenen Interessen vertreten sehen, nicht die seines mehr oder weniger beliebten Nachbarn oder gar die irgendwelcher Minderheiten oder Ausländer.

      Egoismus als gesellschaftliche Triebkraft hat halt Nebenwirkungen, auch wenn die gerne ignoriert werden.