Transparenzgesetz für Berlin: „Mit der Initiative zusammen tun“
Der Senat legt Eckpunkte für ein Transparenzgesetz vor. Ist damit der Gesetzentwurf einer Initiative überflüssig? Nein, sagt Michael Efler (Linke).
taz: Herr Efler, was verbirgt sich hinter einem Transparenzgesetz?
Michael Efler: Damit sollen staatliche Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zum einen in einem Transparenzregister, also etwa einer öffentlich einsehbaren Webseite, zum anderen auf Antrag. Letzteres geht bereits jetzt dank des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes.
Was ich mit der Frage auch meine: Das Gesetzesvorhaben ist eine recht komplexe Angelegenheit, oder?
Absolut. Aber es lohnt sich. Transparenz ist eine unabdingbare Voraussetzung, um sich demokratisch einzubringen. Und gerade in Zeiten von Fake News und Verschwörungstheorein sollten alle, die Interesse haben an der Demokratie und einer glaubwürdigen Verwaltung, dafür sorgen, dass möglichst viele staatliche Informationen einsehbar sind. Es ist beschämend, wie öffentliche Institution durch bestimmte Kräfte delegitimiert werden, indem ihnen geheime Absprachen oder Deals vorgeworfen werden.
Warum braucht ein Land wie Berlin überhaupt ein Transparenzgesetz? Schließlich gibt es ja das schon erwähnte Informationsfreiheitsgesetz...
Letzteres ist eine gute Grundlage. Allerdings beruht es auf dem Grundsatz, dass die Bürger sich selbst darum kümmern müssen, wenn sie Informationen bekommen wollen. Wir als Linke – und auch Rot-Rot-Grün – wollen aber, dass die Verwaltung immer mehr proaktiv handelt, dass also das Pingpong zwischen ihr und den Antragstellern vermieden wird. Zudem gibt es beim Informationsfreiheitsgesetz viele Probleme im Detail: Bearbeitungsfristen fehlen, teilweise sind die Gebühren für Anträge sehr hoch, und es gibt zu viele Ausnahmeregelungen.
Michael Efler
sitzt seit 2016 für die Linkspartei im Abgeordnetenhaus und ist demokratiepolitischer Sprecher der Fraktion. Er war lange beim Verein Mehr Demokratie engagiert
Diesen Monat hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Eckpunkte für ein neues Berliner Transparenzgesetz vorgelegt, das auch bereits im Koalitionsvertrag 2016 vereinbart war. Sind Sie damit zufrieden?
Die Eckpunkte enthalten teilweise wirkliche Verbesserungen. Es werden zum Beispiel Mehr-Länder-Behörden einbezogen, auch die landeseigenen privatrechtlichen Unternehmen sollen unter das Gesetz fallen – allerdings gibt es da noch einen Prüfungsvorbehalt.
Betroffen wären die zahlreichen landeseigene Unternehmen wie die BVG, Wohnungsbaugesellschaften, Grün Berlin, etc. Wäre es nicht absolut notwendig, dass gerade diese Firmen unter das Gesetz fallen?
Absolut. Auch die Arbeit der öffentlichen Unternehmen muss nachvollziehbar sein. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind aber natürlich zu schützen.
Haben Sie auch Kritik an den Eckpunkten?
Hoch problematisch ist für uns etwa, dass Ausnahmen sogar ausgeweitet werden sollen verglichen mit dem Informationsfreiheitsgesetz.
Wo denn genau?
Das betrifft sehr stark den Bildungsbereich: Schulen, Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen sind im Grunde komplett davon ausgenommen.
Das gilt auch für den Landesverfassungsschutz, der in der Vergangenheit immer wieder für Negativschlagzeilen sorgte.
Das war bisher auch schon so. Allerdings könnte der Verfassungsschutz durchaus unter das Transparenzgesetz fallen. Auch dort könnte man viele Vorgänge öffentlich machen; man muss das nicht von vornherein ausschließen. Die Wahrscheinlichkeit, dass in diesem Bereiche viele Ausnahmen greifen, ist aber groß.
Das Transparenzgesetz In der Senatssitzung am 18. August hat Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Eckpunkte für das rot-rot-grüne Transparenzgesetz vorgelegt. Das Vorhaben war bereits im Koalitionsvertrag 2016 vereinbart worden. Nach Auskunft der Innenverwaltung soll Anfang September 2020 ein Gesetzentwurf zur verwaltungsinternen Abstimmung vorgelegt werden, der anschließend in den Senat muss. Erst dann beschäftigt sich das Parlament damit.
Die Initiative Im November 2019 hatte die Initiative Volksentscheid Transparenz Berlin rund 30.000 Unterschriften für ihren Gesetzentwurf gesammelt. Der Entwurf muss danach bei der Innenverwaltung geprüft werden; allerdings dauert diese Prüfung wie bei anderen Initiativen zuletzt wieder sehr lange.
Darum dauert's Als Begründung für die lange Dauer schreibt die Innenverwaltung: „Die Trägerin hat einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt, der zahlreiche unterschiedliche Rechtsgebiete und die Tätigkeit nahezu aller Träger öffentlicher Verwaltung in Berlin betrifft. Die rechtliche Prüfung ist dementsprechend umfangreich.“ (bis)
Bei Verträgen der Daseinsvorsorge – etwa jene mit der S-Bahn – ist unklar, wie weit die Transparenz geht.
Ich gehe davon aus, dass diese Verträge transparent werden. Aber das müssen wir uns noch mal genau anschauen, wenn der ganze Gesetzentwurf vorliegt. Ich finde übrigens, dass alle Verträge des Landes Berlins veröffentlicht werden sollen, nicht nur die zur Daseinsvorsorge.
Zudem gibt es viele weitere Begründungen für die Verweigerung von Informationen, etwa bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wenn diese den „verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ betreffen. Das klingt, als ob nach einer Verabschiedung des Gesetzes noch jede Menge Gerichtsverfahren geführt werden müssen, um zu klären, was überhaupt rausgerückt werden muss.
Diese Punkte sind nicht neu, das steht so auch im Hamburger Transparenzgesetz. Dazu gibt es genug Rechtsprechungen und Urteile. Die Frage ist: Wie weit legen wir das als Gesetzgeber aus? Wenn etwa eine Senatsverwaltung als Zuarbeit für eine andere Senatsverwaltung eine Stellungnahme abgibt, dann wäre meiner Einschätzung nach nicht mehr der Kernbereich betroffen; die Stellungnahme ist ja fertig. Die Verwaltungen hingegen könnten argumentieren, dass der Vorgang erst abgeschlossen ist, wenn das ganze Thema abgeschlossen ist – aber das kann sich ja über Jahre hinziehen. Wir wollen aber möglichst schnell auch schon Zwischenergebnisse öffentlich machen. Sonst kann man politische Entscheidungsprozesse schwer nachvollziehen.
Das klingt noch nach viel Arbeit im Gesetzgebungsprozess.
Die vorliegenden Eckpunkte wurden von der Exekutive und ihren Verwaltungen erarbeitet – das Abgeordnetenhaus, also auch wir als Fraktion, hatten damit bisher nichts zu tun. Da müssen wir in der parlamentarischen Arbeit sicher noch einiges korrigieren.
Laut Auskunft der Innenverwaltung von Senator Geisel soll im vierten Quartal 2020 ein Gesetzentwurf vorliegen. Erst danach kann die parlamentarische Arbeit daran beginnen. Die Zeit wird knapp, im September 2021 sind Wahlen.
Ja, es wird eng. Das ganze hat sich sowieso schon lange verzögert, und ich bin gespannt, ob diesmal der Zeitplan eingehalten wird.
Ist es denn noch machbar?
Ja. Nicht in diesem Jahr, aber wir müssen das hinkriegen. Wir haben das versprochen. Und ich habe auch noch keine grundsätzliche Kritik von Seiten der SPD gehört.
Seit acht Monaten liegt bereits der Gesetzentwurf einer Initiative für ein Transparenzgesetz zur Prüfung beim Innensenator. Die erste Hürde für einen Volksentscheid hat sie genommen. Das Gesetz arbeitet weniger mit Ausnahmen, sondern definiert grundsätzlich, was veröffentlicht werden muss. Ist das der bessere Weg?
Das sehe ich nicht so. Wir wollen auch ein Transparenzregister, auch wir fordern ein proaktives Vorgehen der Verwaltung. Aber die Initiative will viel mehr Dokumente veröffentlicht sehen; die Eckpunkte der Innenverwaltung gehen da nicht so weit. Auch bei den Ausnahmen gibt es deutliche Unterschiede. Wir als Linke haben große Sympathie für den Entwurf der Initiative.
Laut deren Entwurf müssen Verwaltungen innerhalb von zehn Arbeitstagen neue Informationen auf dem Transparenzportal des Landes veröffentlichen. Kann das funktionieren?
Ich finde gut, dass Fristen gesetzt werden. Wir brauchen die. Ob zehn Tage nicht etwas kurz sind, darüber müssen wir noch mal reden. Wir dürfen kein Gesetz machen, das die Verwaltung dann nicht umsetzen kann.
„Der Abschluss der Zulässigkeitsprüfung des Gesetzentwurfs der Initiative wird gegenwärtig vorbereitet“, hat die Innenverwaltung der taz mitgeteilt.
Das höre ich schon lange.
Wie sollte Rot-Rot-Grün mit der Initiative umgehen: Kann man aus beiden Entwürfen einen gemeinsamen entwickeln?
Ja, ich denke schon. Wir sollten uns mit der Initiative zusammen setzen. Wir liegen nicht grundsätzlich auseinander. Voraussetzung ist aber, dass endlich die Zulässigkeitsprüfung abgeschlossen wird. Wir können nicht mit einem Entwurf arbeiten, von dem wir nicht wissen, ob er überhaupt rechtlich zulässig ist. Die Prüfung dauert wieder mal unsäglich lange und ich weiß nicht, warum das so lange dauert.
Sollte sich Rot-Rot-Grün dennoch nicht einigen, sollte dann der Entwurf der Initiative bei einem Volksentscheid – so denn genügend Unterschriften zusammen kommen – vom Volk abgestimmt werden?
Ein Scheitern ist keine Option. Wir kriegen das hin. Die Initiative muss für sich bewerten, ob sie bereit ist, mit uns eine gemeinsame Lösung zu finden. Wenn nicht, stehen ihr die weiteren Verfahrensschritte offen.
Shorty:
Das Transparenzgesetz In der Senatssitzung am 18. August hat Innensenator Andreas Geisel die Eckpunkte für das rot-rot-grüne Transparenzgesetz vorgelegt. Das Vorhaben war bereits im Koalitionsvertrag 2016 vereinbart worden. Nach Auskunft der Innenverwaltung soll Anfang September 2020 ein Gesetzentwurf zur verwaltungsinternen Abstimmung vorgelegt werden, der anschließend in den Senat muss. Erst dann beschäftigt sich das Parlament damit.
Die Initiative Im November 2019 hatte die Initiative Volksentscheid Transparenz Berlin rund 30.000 Unterschriften gesammelt für ihren Entwurf eines Transparenzgesetzes. Dieser Entwurf muss danach bei der Innenverwaltung geprüft werden; allerdings dauert diese Prüfung wie bei anderen Entwürfen von Initiativen wieder sehr lange.
Darum dauert's Laut Innenverwaltung wird „der Abschluss der Zulässigkeitsprüfung gegenwärtig vorbereitet; das vorläufige Prüfergebnis wird zeitnah mit allen Senatsverwaltungen abgestimmt, da von dem begehrten Transparenzgesetz alle Bereiche der Verwaltung betroffen sind.“ Im Falle von behebbaren Zulässigkeitsmängeln würde der Trägerin auf der Grundlage des abgestimmten Prüfergebnisses Gelegenheit zur Nachbesserung ihres Gesetzentwurfes gegeben werden. Als Begründung für die lange Dauer schreibt die Innenverwaltung: „Die Trägerin hat einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt, der zahlreiche unterschiedliche Rechtsgebiete und die Tätigkeit nahezu aller Träger öffentlicher Verwaltung in Berlin betrifft. Die rechtliche Prüfung ist dementsprechend umfangreich.“
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