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Wer ist der beste Linke im Land?

Die Spitzen der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) und der PDS wollen aufeinander zugehen – doch große Teile der etablierten Linken wehren sich. „Gralshüter der vermeintlich richtigen Diskussion“, schimpft sie der PDS-Chef

bremen taz ■ Die Stimmung entwickelt sich nur langsam im Konsul-Hackfeld-Haus. Auf dem Podium diskutieren Vertreter von Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) und PDS über Kooperationen, Ideen, die Zukunft einer Linkspartei. Plötzlich sagt einer das böse Wort: „Regierungsbeteiligung“. Große Teile des Publikums werden unruhig. „Hört doch auf“, ruft einer. „Dann wird doch alles nur noch schlimmer“, eine andere. „In der Regierung muss man Kompromisse machen“, brüllt ein dritter und meint das durchaus negativ.

Schnell wird deutlich, dass hier zusammensitzt, was noch lange nicht zusammengehört. „Neue Linkspartei – Historische Chance oder alter Wein in neuen Schläuchen?“, darüber wollen die rund 130 Zuschauer reden. Auch die, die sich als Bremer Linke definieren – was immer das sein mag. Da sitzen alte Männer mit Bärten, ein Mitarbeiter der Gewoba sammelt Unterschriften gegen den Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft, eine Frau will sich nicht fotografieren lassen, weil sie Schwierigkeiten mit ihrem Arbeitgeber fürchtet.

Hinten in dem tristen Saal hat eine Rentnerin Platz genommen. Über 80 ist sie und politisch interessiert. „Ich komme aus einem sozialdemokratischen Haus“, sagt sie. Doch von der SPD ist die Bremerin enttäuscht, wie so viele im Saal. Seit 1990 wählt die in der Friedensbewegung engagierte Frau PDS – „aus Protest“, sagt sie. Die Rentnerin hofft, dass sie ihr Wahlmotiv bald ändern kann. „Diese neue Linkspartei könnte was sein, die können vielleicht wirklich was bewegen und verändern“, glaubt sie.

Doch aller Anfang ist schwer. Katja Kipping, stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende, versucht, die Zuhörer zu überzeugen. Die Linke gleiche einer Kleingartensiedlung, in der jeder seine eigene Parzelle bewirtschafte. Kipping plädiert für ein breites Linksbündnis, das nicht abhängig sein soll von Führungsfiguren wie Gregor Gysi oder Oskar Lafontaine. „Die haben doch schon zu Hause gesessen und Rotwein getrunken, als Axel und ich das Programm ausgearbeitet haben.“ Axel, das ist Axel Troost, Bremer und Mitglied im WASG-Bundesvorstand, der im neuen Bundestag für eine starke Vernetzung von Politik mit sozialen Bewegungen eintreten will. „Wir brauchen keine linken Illusionen“, ruft er in den Saal.

Die Rentnerin klatscht, doch viele junge Leute werden unruhig. Heino Berg springt auf und will wissen, wie es die PDS mit Hartz IV hält. „Ihr wollt nur eine Angleichung des Arbeitslosengelds II Ost an West. Die PDS hat in den Ländern die ganze neoliberale Scheiße mitgemacht“, polemisiert der WASG-Aktivist.

Die PDS-Protestwählerin runzelt die Stirn, und als plötzlich weitere Redner aus dem Publikum davon reden, dass man was gegen Staat und Kapitalismus unternehmen müsse, kaut sie auf ihrem Daumen, während viele Leute im Saal klatschen und ihre Zweifel an einem Linksbündnis herausrufen. „Gralshüter der vermeintlich richtigen Diskussion“ wird PDS-Chef Klaus-Rainer Rupp sie nach der Veranstaltung nennen, GralshüterInnen, die nicht zum Erfolg der neuen Bewegung beitrügen.

Die Rentnerin dagegen ist irritiert. „Was sind das für junge Leute da? Das sind wohl auch Linke, oder?“, fragt sie. Die Papiere der DKP und den „Bremer Aufruf für ein linkes Wahlbündnis“ hat sie in ihre Tasche gesteckt. „Ein wenig anders habe ich mir das schon vorgestellt“, sagt sie. Wählen will sie die neue Linkspartei „wohl schon“. Vermutlich aber wird es wieder nur eine Protestwahl sein. Kay Müller

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