Portugal verfehlt Recycling-Ziel: Müllpolitik ist gescheitert

Es gibt zu wenig Recycling, aber Dörfer, in denen Müllkippen die Luft verpesten. Bürgerinitiativen kämpfen gegen Abfallimporte nach Portugal.

Müllhalde in Sobrado

Pfui Spinne – Eher ungesunde Dämpfe über einer Müllhalde in Sobrado, Portugal Foto: Rafael Marchante/reuters

MADRID taz | Portugal verfehlt sein selbst gestecktes Ziel in Sachen Müllvermeidung und Recycling. Statt wie im Strategieplan für urbane Abfälle (Persu) vorgesehen, bis Ende des Jahres die 453 Kilogramm Haushaltsmüll pro Kopf aus dem Jahr 2012 um 10 Prozent zu senken, produzierte jeder der 10,3 Millionen Portugiesen 2018 fast eine halbe Tonne Abfall pro Jahr.

„Die Tendenz ist weiter steigend“, beschwert sich Rui Berkemeier, Spezialist für Müllpolitik bei Zero, einer der wichtigsten Umweltschutzorganisationen in Portugal. Die Coronakrise beschleunige diesen Prozess sogar noch. Es gibt wieder mehr Plastikverpackungen. Masken und Handschuhe landen in den Mülltonnen. Es fehle an Geld, um Mülltrennung und Müllverarbeitung auszubauen, sagt Berkemeier.

Statt 50 Prozent wird deshalb nur eine Recyclingquote von rund 30 Prozent erreicht. „In Wirklichkeit liegen wir noch weiter zurück“, fügt Berkemeier hinzu. Denn die 30 Prozent beziehen sich nicht auf den gesamten Siedlungsabfall, sondern auf den recycelbaren Teil. Als recycelt gilt, was in die Anlage eingebracht wird, egal wie viel anschließend trotz allen Mühen in der Müllverbrennung oder auf der Kippe landet. „Administratives recyceln“ nennen die Umweltschützer das spöttisch. Positiv ist: Portugal hat den Import von Müll, vor allem aus Italien und Großbritannien, erst einmal bis zum Jahresende gestoppt. Elf private Unternehmen führen jährlich 330.000 Tonnen Müll ein. Zum Großteil ist es Haushaltsmüll, der nicht recycelt werden kann.

Was Mitte der 2010er Jahre als Hilfe für das marode und von der Mafia unterwanderte Abfallsystem in Italien gedacht war, wurde schnell zum einträglichen Geschäft. Denn Portugals private Müllentsorger haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Der Staat erhebt nur 11 Euro Gebühr pro eingeführte Tonne. Zwar werden es Ende des Jahres 22 Euro sein, doch das liegt noch immer weit unter dem Europaschnitt von 80 Euro. Für Müll, der von Zementfabriken in deren Produktionsöfen verbrannt wird, sind es weniger als 3 Euro.

Unerträglicher Gestank

Einer der Orte, die am stärksten von der Mülleinfuhr betroffen sind, ist Sobrado im Norden des Landes. Rund 300 Tonnen Importmüll kommen täglich auf einer privaten Müllkippe vor den Toren der 7.000-Seelen-Gemeinde an. „Die Müllhalde ist nur 200 Meter von den ersten Häusern und 300 Meter von der Schule entfernt“, erklärt Marisol Marques von der Bürgerinitiative „Stoppt die Müllkippe“. Der Gestank sei oft unerträglich. „Wir wollen atmen“, sagt Marques. Er wisse nicht, was genau in den Containern ist, die Betreiberfirma der Müllkippe mache dazu keine Angaben. Das Unternehmen hat die Genehmigung, rund 400 unterschiedliche Abfallsorten zu verarbeiten.

Die Bürgerinitiativen kämpfen gegen neue Müllimporte. Ob es dann weniger stinken wird, ist unklar. Statt abgelagertem Müll aus Italien wird dann heimischer Müll verscharrt.

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