piwik no script img

Erik Peter über linke Feindbildpflege bei der PolizeiNur Bier in der Flasche?

Wurde am Rande der Proteste gegen die Räumung der Kiezkneipe Syndikat am Freitag ein Molotowcocktail gebaut? Bilder der Proteste zumindest zeigen eine vermutlich weibliche Person, die inmitten anderer Demonstrant*innen mit einem Stofftuch an einer Bierflasche hantiert. Neben ihr steht ein Kanister, vermutlich mit Benzin für den Generator des Lautsprecherverstärkers für die Kundgebung.

Auf einem weiteren Bild ist zu sehen, wie ein Polizist die Flasche in den Händen hält. Die Polizei teilte dazu mit, dass gegen 9.30 Uhr eine Frau dabei beobachtet worden sei, die „augenscheinlich einen Molotov-Cocktail herstellte“. Sie sei geflüchtet, „bevor die Einsatzkräfte sie ansprechen konnten“, später jedoch wiedererkannt und ihre Personalien seien festgestellt worden. Beschlagnahmt wurden die Flasche, ein Kanister mit brennbarer Flüssigkeit und zwei Kleidungsstücke der Verdächtigen.

Für einige Polizisten ist die Angelegenheit – und auch das Feindbild linke Szene – damit bereits geklärt. Der Vizechef der Berliner Gewerkschaft der Polizei, Stephan Kelm, sagt der B.Z.: „Wir haben es mit Personengruppen zu tun, die ohne jedes Zögern auch Molotow-Cocktails werfen würden. Auch am Freitag sind Personen beobachtet worden, die solche Brandsätze bauten.“

Anders als Kelm es suggeriert, gehört das Werfen von Molotowcocktails aber nicht zum Standardrepertoire der Szene. Der letzte Fall, in dem ein Brandsatz gegen ein besetztes Polizeiauto geworfen wurde, ereignete sich am 1. Mai 2009.

Dass eine unvermummte Person in aller Öffentlichkeit einen Brandsatz baut und zum Einsatz bringen will, wäre ein zumindest höchst ungewöhnlicher Vorgang. Aufklärung darüber könnte die Polizei geben, indem sie sagt, ob sich in der Flasche tatsächlich eine entzündliche Flüssigkeit befand oder doch nur Bier. Die teilt auf ­Nachfrage aber lediglich mit, dies sei „Gegenstand laufender Ermittlungen“, die noch andauern würden, da eine „Dring­lichkeit nicht gegeben“ sei. Dass mit dem Verdacht aus ihren Reihen längst Politik gemacht wird, spielt offensichtlich keine Rolle.

Politik macht auch die Direktion 5, zuständig für Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Neukölln. In ihrer Mitgliederzeitschrift hat sie Zuschriften veröffentlicht, die einem polizeilichen Mäßigungs- und Neutralitätsgebot zuwiderlaufen. In einer ist die Rede von einer „Meute von Randalierern“, in einer anderen bedankt sich jemand, dass die Polizei „endlich die Linksradikalen (Syndikat usw.) aus meinem schönen Schillerkiez vertreiben“. Nach welchen Kriterien die Zuschriften ausgewählt wurden und ob sie für eine Polizeipublikation adäquat sind? Darauf erhielt die taz keine Antwort.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen