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Pilgerfahrt nach Mekka hat begonnenHadsch auf Sparflamme

In Saudi-Arabien hat der Hadsch begonnen. Wegen Corona dürfen aber nur wenige zu den heiligen Stätten. Einige gehen illegale Wege.

Mit Maske und Abstand umkreisen Pilgerinnen die Kaaba der Großen Moschee Foto: Saudi Ministry of Media/dpa

Kairo taz | In Saudi-Arabien hat ein Hadsch light begonnen, eine stark reduzierte Pilgerfahrt nach Mekka. Statt des üblichen Meers gläubiger Muslime beim Gebet und beim Umrunden der Kaaba sind diesmal nur kleine Gruppen zu jeweils 20 Pilgern zugelassen. Gesichtsmasken und Abstand unter den Pilgern sind vorgeschrieben. Auf den in den letzten Jahren gigantisch ausgebauten Pilgerwegen, die für mehr als zwei Millionen Gläubige ausgelegt sind, wirken die Pilger in diesem Jahr verloren.

Nachdem die saudischen Behörden monatelang gezögert hatten, den Hadsch wegen der Coronapandemie dieses Jahr komplett abzusagen, ließen sie nun eine begrenzte Form zu. Weniger als 10.000 Pilger sind erlaubt und die dürfen nur aus Saudi-Arabien anreisen. Zwei Drittel sind Muslime anderer Nationalitäten, die im Königreich leben, der Rest sind saudische Staatsbürger. Sie müssen unter 50 Jahre alt sein und dürfen keine chronischen Vorerkrankungen haben. In einer Art Hadsch-Lotterie wurde ausgelost, wer teilnehmen darf.

Die Auserwählten müssen sich an strenge Maßnahmen halten. Sie müssen einen negativen Coronatest vorweisen, nachdem sie zuvor vier Tage lang in ihren Unterkünften in Mekka isoliert worden waren. Auch nach der Pilgerfahrt müssen sie sich eine Woche in Selbst­isolation begeben. Bei ihrer Ankunft bekommen sie elektronische Armbänder, mit denen ihre Bewegungen überwacht werden können. Während der gesamten Pilgerfahrt müssen sie Masken tragen und physische Distanz halten. Jeder Pilger bekommt bei Antritt ein Paket vom Hadsch-Ministerium mit Masken, Desinfektionsmittel und desinfizierten kleinen Steinchen. Mit diesen werden sie im Laufe der Pilgerfahrt symbolisch den Teufel steinigen.

Saudi-Arabien hofft zu verhindern, dass sich der Hadsch zu einem sogenannten Superspreading-Event entwickelt. Das Land hat bereits mit Covid-19 zu kämpfen. Laut offizieller Statistik gibt es inzwischen fast 270.000 bestätigte Infektionen und 2.760 Tote infolge des Coronavirus.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hofft aus dem Verlauf der Hadsch Erkenntnisse zu gewinnen: „Wir können von dieser Erfahrung lernen, wie sich die Übertragung bei solchen großen Veranstaltungen kon­trollieren lässt“, sagt der saudische WHO-Epidemie-Experte Hanan Balkhy.

Wirtschaftliche Folgen

Die Entscheidung, den Hadsch zurückzuschrauben, hat schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für den saudischen Staat, der diesmal die gesamten Kosten der Pilger übernimmt, von der Essensversorgung über Unterkunft und Transport bis zur medizinischen Versorgung.

Das Land hat in den letzten Monaten bereits mit dem Absturz des Ölpreises zu kämpfen. Erst letzten Monat wurde ein landesweiter Lockdown aufgehoben. In einigen Städten galt sogar eine 24-stündige Ausgangssperre. Der IWF prognostiziert der Wirtschaft ein Schrumpfen von 6,8 Prozent.

Die üblichen jährlichen Einnahmen aus den Pilgerfahrten und dem religiösen Tourismus belaufen sich in normalen Zeiten auf 12 Milliarden US-Dollar. Gerade die Geschäfte in Mekka und die gesamte Hadsch-Industrie, an der Hundertausende Arbeitsplätze hängen, sind schwer von der Einschränkung auf weniger als 10.000 Pilger betroffen.

Einige Gläubige haben versucht, sich darüber hinwegzusetzen. Fast 250 Menschen wurden laut einem Sprecher der saudischen Sicherheitskräfte festgenommen, weil sie versucht haben, illegal nach Mekka zu kommen. Um die für Muslime heiligen Stätten wurde ein Sicherheitsring gezogen, zu dem nur Menschen mit einer gültigen Pilgerlizenz Zugang haben.

Immerhin, der Mufti von Dubai, Ahmed bin Abdulaziz al-Haddad, hat einen Trost für alle, die abgelehnt wurden. Laut seiner Fatwa wird schon die Bewerbung als Sündenvergebung gewertet. Allerdings entbindet sie nicht von der Pflicht, einmal im Leben zum Hadsch nach Mekka zu kommen.

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